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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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10. Urteil des Kassationshofes vom 5. März 1965 i.S. Hälg gegen Staatsanwalt des Kantons Aargau. | |
Regeste |
Art. 102 Ziff. 1 SVG, Auslegung. |
Zusammentreffen von Art. 90 Ziff. 2 SVG mit Art. 117 StGB. |
Eine Verurteilung nach Art. 90 Ziff. 2 SVG entfällt neben der Bestrafung nach art. 117 StGB, wenn die fahrlässige Tötung durch die Übertretung von Verkehrsvorschriften begangen wurde (Erw. 3). |
Art. 102 Ziff. 2 SVG, Urteilsveröffentlichung. |
Voraussetzung der Urteilsveröffentlichung hinsichtlich des Führens eines Motorfahrzeuges in angetrunkenem Zustande nach Art. 102 Ziff. 2 lit. a SVG, wenn lit. b nicht anwendbar ist (Erw. 5). | |
Sachverhalt | |
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Das Obergericht des Kantons Aargau, an welches der Verurteilte den erstinstanzlichen Entscheid weiterzog, schränkte die Urteilsveröffentlichung auf eine einmalige im kantonalen Amtsblatt ein; im übrigen wies es die Berufung ab.
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B.- Hälg führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid wegen Verletzung der Art. 63 und 68 StGB sowie von Art. 102 Ziff. 1 und 2 SVG aufzuheben und die Sache zur Herabsetzung der Gefängnisstrafe sowie zur Aufhebung der Anordnung der Urteilsveröffentlichung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau schliesst auf Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde.
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3. Sowohl die Übertretung der Verkehrsvorschriften als auch die fahrlässige Tötung, deren der Beschwerdeführer beschuldigt wird, sind an sich selbständige Straftatbestände, von denen jeder unabhängig vom andern erfüllt werden kann. Fahrlässige Tötung ist ohne Verkehrsübertretung und umgekehrt diese ohne jene möglich. Daraus allein lässt sich jedoch nicht folgern, dass durch die Begehung beider Strafhandlungen stets auch zwei Strafen verwirkt seien. Nicht was sein könnte (unabhängige Erfüllung) ist entscheidend, sondern was sich ![]() | 7 |
Es verhält sich unter den geschilderten Umständen gleich wie bei fahrlässiger Tötung oder Körperverletzung begangen durch andere, nur bei Eintritt eines derartigen Erfolges strafbare, sonst aber straflos bleibende Unvorsichtigkeiten (z.B. Kunstfehler eines Arztes, unvorsichtige Fahrweise eines Skiläufers). Für eine unterschiedliche Behandlung ist kein Grund ersichtlich. Dass gewisse Vorsichtspflichten, wie namentlich ![]() | 8 |
Endlich bleiben diese Erwägungen auch auf der Linie der bisherigen Rechtsprechung, wie sie sich unter der Herrschaft des Art. 65 Abs. 4 des nunmehr ausser Kraft gesetzten Motorfahrzeuggesetzes vom 15. März 1932 entwickelt hat. Weshalb in das neue Strassenverkehrsgesetz keine entsprechende Bestimmung aufgenommen wurde, ist unbekannt. Die Beratungsprotokolle geben hierüber keine Auskunft. Soweit über die Frage des Verhältnisses des Strassenverkehrsgesetzes zu den Bestimmungen des Strafgesetzbuches beraten wurde, geschah dies im Sinne einer Bestätigung der bisherigen Ordnung. Die Meinungen gingen im wesentlichen nur darüber auseinander, ob eine entsprechende Bestimmung notwendig sei oder ob sich deren Gehalt bereits aus den allgemeinen Grundsätzen des Strafrechtes ergebe. Dass in der Folge ohne weitere Begründung, in Abweichung vorangegangener Entwürfe von der Aufnahme einer derartigen Vorschrift abgesehen wurde, spricht danach eher dafür, dass sie - ob zu Recht oder nicht - als überflüssig angesehen wurde. Wenn auch diese Vorgeschichte für die Gesetzesauslegung nicht entscheidend sein kann, so gibt sie doch Anlass, von der bisherigen Rechtsprechung nicht mehr abzuweichen, als dies durch das neue Gesetz zwingend geboten ist.
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Eine Verurteilung nach Art. 90 SVG neben derjenigen wegen fahrlässiger Tötung muss daher entfallen.
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5. Nach Art. 102 Ziff. 2 lit. a SVG ordnet der Richter die Veröffentlichung des Urteils im Sinne von Art. 61 StGB an, wenn der Verurteilte eine besondere Rücksichtslosigkeit an den Tag gelegt hat. Der Beschwerdeführer räumt ein, dass ihm eine gewisse Rücksichtslosigkeit vorgehalten werden ![]() | 12 |
Gemäss dem angefochtenen Urteil beweist eine besondere Rücksichtslosigkeit derjenige, der trotz allen immer wiederkehrenden Aufklärungen und Warnungen in Presse und Rundspruch mit einem Motorfahrzeug an einen Vergnügungsanlass fährt, dort im Übermass Alkohol zu sich nimmt, obwohl er weiss, dass er am Steuer seines Fahrzeuges nach Hause fahren und dadurch den Strassenverkehr - im günstigsten Fall - aufs Schwerste gefährden werde, und dieses Vorhaben auch ausführt. Angesichts der Bestimmung von Art. 102 Ziff. 2 lit. b SVG stellt sich allerdings die Frage, ob es möglich sei, der Betrunkenheit am Steuer im Rahmen von lit. a Rechnung zu tragen. Wenn das Fahren in angetrunkenem Zustande immer schon als eine besondere Rücksichtslosigkeit beurteilt würde, so wäre lit. b des genannten Artikels überflüssig; denn nach dieser Bestimmung ist die Veröffentlichung des Strafurteils vorgesehen, "wenn der Verurteilte innert fünf Jahren mehr als einmal wegen Führens eines Motorfahrzeuges in angetrunkenem Zustand bestraft wird". Es ist daher zuzugeben, dass wenn auch die Betrunkenheit am Steuer immer eine gewisse Rücksichtslosigkeit offenbart, dies nicht notwendigerweise eine besondere sein muss. Dies wird zum Beispiel dann zu verneinen sein, wenn ein nur leicht angetrunkener Motorfahrzeugführer im Bewusstsein seines Zustandes äusserst behutsam fährt, um ![]() | 13 |
Im vorliegenden Fall hatte der Beschwerdeführer während der ersten Fahrt gegen Mitternacht mindestens 0,8 Promille Alkohol im Blut und mindestens 0,7 Promille im Zeitpunkte des Unfalles. Wird in Betracht gezogen, dass er sich vor der zweiten Fahrt nach seiner Darstellung ungefähr während einer Stunde im Freien aufhielt, um Luft zu schöpfen, so erscheint es zweifelhaft, dass seine leichte Angetrunkenheit allein schon eine besondere Rücksichtslosigkeit zu begründen vermöchte. Zwar kommt hinzu, dass er auch übermüdet war; doch dürfte auch dieser Umstand kaum entscheidend ins Gewicht fallen. Indessen hat der Beschwerdeführer nicht nur Art. 31 Abs. 2 SVG verletzt. Er hat es darüber hinaus auch unterlassen, die Geschwindigkeit seines Fahrzeuges den Verhältnissen anzupassen, vom rechten Strassenrand und beim Überholen einen ausreichenden Abstand zu wahren und innerhalb der überblickbaren Strecke anzuhalten. Dabei wiegt namentlich der ungenügende Abstand vom rechten Strassenrand, dessen er sich bewusst sein musste, besonders schwer; dies angesichts seiner Geschwindigkeit und der allgemein bekannten Gefahr, bei abgeblendetem Licht Hindernisse auf der rechten Strassenseite nicht rechtzeitig zu bemerken. Endlich verlor der Beschwerdeführer, als er die drei Fussgänger (die späteren Opfer des Unfalles) bemerkte und anfuhr, die Beherrschung über sein Fahrzeug vollends. Eine derartige Häufung von Verletzungen wichtiger Verkehrsregeln lässt den Schluss auf eine besondere Rücksichtslosigkeit zu. Die beanstandete Urteilsveröffentlichung verstösst danach nicht gegen Art. 102 Ziff. 2 lit. a SVG. Unter diesen Umständen braucht nicht untersucht zu werden, ob auch die Voraussetzungen gemäss Art. 61 StGB erfüllt waren.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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In Teilgutheissung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau vom 23. Oktober 1964 insoweit aufgehoben, als sich die Verurteilung des Beschwerdeführers auch auf Art. 90 Ziff. 2 SVG stützt, und es wird die Sache zur Neubeurteilung der Strafe an die Vorinstanz zurückgewiesen.
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