BGE 91 IV 113 | |||
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32. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 4. Oktober 1965 i.S. Neuhaus gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn | |
Regeste |
Art. 41 Ziff. 1 Abs. 2 StGB, Art. 35 Abs. 2 und 3 SVG. | |
Sachverhalt | |
A.- Neuhaus fuhr am Nachmittag des 10. September 1964 mit dem Personenwagen Ford-Corsaire seines Arbeitgebers auf der Hauptstrasse Nr. 5/12 von Wiedlisbach gegen Solothurn. Ausgangs Flumenthal schickte er sich an, zwei vor ihm fahrende Wagen, einen PW Morris und einen Lieferwagen, zu überholen. Die mit Betonbelag versehene, zweispurige Strasse ist dort 7,5 m breit und beschreibt eine leichte Rechtskurve. Die vor Neuhaus befindlichen Fahrzeuge bewegten sich mit einer Geschwindigkeit von ungefähr 80 km/Std. Nach Einleitung des Überholmanövers sah er sich auf kurze Strecke einem ihm entgegenkommenden andern Fahrzeug, dem Studebaker des Louis Vonlanthen, gegenüber. Um einen Zusammenstoss zuvermeiden, beschleunigte er seine Fahrt und bog in die rund 8 m lange Lücke zwischen dem überholten PW Morris und dem noch vor ihm fahrenden Lieferwagen ein, worauf er gleich wieder stark bremsen musste, um nicht auf diesen zu stossen. Der Führer des PW Morris, Henri Lagier, wurde durch das überraschend knappe Einbiegen des Neuhaus veranlasst, ebenfalls zu bremsen und nach rechts auszuweichen. Beim Versuch, seinen Wagen wieder auf die richtige Bahn zu bringen, geriet dieser ins Schleudern und wurde dabei in die linke Fahrbahn hineingetragen, wo er mit dem Studebaker Vonlanthens zusammenstiess; dadurch wieder auf die eigene Fahrbahn zurückgeworfen, stiess er dort mit dem ihm in gleicher Fahrtrichtung gefolgten PW Ford-Corsaire des Edgar Wälti zusammen. Henri Lagier wurde beim Zusammenstoss durch Genickbruch getötet, Louis Vonlanthen musste mit einer Brustbeinfraktur und Schnittquetschwunden ins Bürgerspital Solothurn eingeliefert werden und seine Ehefrau erlitt ebenfalls Verletzungen. Die PW Morris und Studebaker waren zerstört, und am Wagen des Wälti entstand ein Schaden von rund Fr. 3000.--.
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B.- Das Amtsgericht Solothurn-Lebern verurteilte am 17. März 1965 Neuhaus wegen fahrlässiger Tötung und grober Verletzung von Verkehrsregeln (Art. 35 Abs. 2 und 3 SVG) infolge unvorsichtigen Überholens zu drei Monaten Gefängnis sowie zu einer Busse von Fr. 200.--. Der Vollzug der Freiheitsstrafe wurde mit einer Probezeit von drei Jahren aufgeschoben. Auf Berufung des Angeklagten und derjenigen der Staatsanwaltschaft hin bestätigte das Obergericht des Kantons Solothurn am 14. Mai 1965 den erstinstanzlichen Schuldspruch sowie die Busse von Fr. 200.--, erhöhte aber die Freiheitsstrafe auf vier Monate Gefängnis und verweigerte den bedingten Strafvollzug. Zur Begründung dieser Verweigerung führt es im wesentlichen aus, der Angeklagte sei durchaus uneinsichtig und sei sich der schrecklichen Tragweite seines Deliktes nicht bewusst; er habe bis jetzt auch nichts Zumutbares unternommen, den angerichteten Schaden lindern zu helfen, vielmehr bestreite er seine Schuld; die verschiedenen Tatbestände, deretwegen sich die Polizei bereits früher mit ihm zu befassen gehabt habe, sowie der heute zu beurteilende Tatbestand, insbesondere sein Verhalten, liessen nicht auf einen Charakter schliessen, der den Angeklagten bei Gewährung des bedingten Strafvollzuges sicher von der Begehung neuer Delikte abhalten würde; das Gericht könne ihm in dieser Hinsicht nicht das erforderliche Vertrauen entgegenbringen.
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C.- Gegen dieses Urteil richtet sich die vorliegende Nichtigkeitsbeschwerde des Verurteilten mit dem Antrag, es aufzuheben und die Sache zur Gewährung des bedingten Strafvollzuges an die Vorinstanz zurückzuweisen. Die Staatsanwaltschaft hat sich einer Stellungsnahme enthalten.
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Aus den Erwägungen: | |
1. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist gemäss Art. 269 Abs. 1 BStP nur wegen Verletzung von Bundesrecht zulässig, was bei Nichtgewährung des bedingten Strafvollzuges bedeutet, dass die damit verbundene ungünstige Voraussage über das künftige Verhalten des Verurteilten bei Zubilligung einer blossen Warnungsstrafe einzig wegen Überschreitung des dem Richter gemäss Art. 41 Ziff. 1 StGB zustehenden Ermessens angefochten werden kann.
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Der Beschwerdeführer hat den Tod Lagiers durch vorschriftswidriges Überholen verschuldet. Eine solche Übertretung ist an sich nicht notwendig ein Zeichen besonderer Gewissenlosigkeit. Der Fahrzeugführer kann sich beispielsweise in der Einschätzung der Geschwindigkeit eines entgegenkommenden Fahrzeuges täuschen, ohne dass ihn deswegen schon der genannte Vorwurf trifft. So war es aber im vorliegenden Falle nicht. Der Beschwerdeführer hat die beiden vor ihm fahrenden Wagen zu überholen versucht, obwohl ihm der Lieferwagen infolge einer leichten Strassenbiegung die Sicht verdeckte, die für ein gefahrloses Vorfahren hätte frei sein müssen. Er liess sich von seinem Manöver auch nicht durch den Umstand abhalten, dass er sich auf einer verkehrsreichen Strasse bewegte und daher mit der nahen Möglichkeit zu rechnen hatte, dass ihm auf der linken Strassenhälfte jederzeit Fahrzeuge begegnen könnten, bevor er ohne Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer wieder in die rechte Strassenseite eingebogen sein würde. Dazu kommt, dass sich die Wagenreihe, aus der er ausbrach, bereits mit der namhaften Geschwindigkeit von 80 km in der Stunde bewegte, sowie dass der Abstand zwischen den beiden vordern Wagen, auf den er - für ein allenfalls notwendig werdendes Einbiegen nach Überholen des ersten Wagens - angewiesen war, nur rund 8 m, also erheblich weniger als der bei jener Geschwindigkeit benötigte Reaktionsweg betrug. Das sind Umstände, welche die mit dem Vorfahren an sich schon verbundenen Gefahren noch beträchtlich erhöhten. Der Beschwerdeführer hat dadurch die Sicherheit des Verkehrs, Leib und Leben anderer um eines schnöden kurzen Zeitgewinnes willen, aus Ungeduld oder sogar aus barer Rennsucht freventlich aufs Spiel gesetzt. Ein solches Verhalten ist, wie das Obergericht mit Recht erklärt, offensichtlich nicht mehr nur mit einem augenblicklichen Versagen, sondern mit einer Charakterschwäche des Täters zu erklären. Diese Annahme lässt sich um so mehr vertreten, als es dem Beschwerdeführer wie heute wohl jedem Motorfahrzugführer bekannt sein musste, dass das vorschriftswidrige Überholen sozusagen täglich zu schweren Unfällen führt und dass deshalb in der Öffentlichkeit von den massgeblichen Stellen aus, namentlich durch die Presse, immer wieder eindringlich auf diese Gefahren hingewiesen wird. Wie wenig der Beschwerdeführer sich um diese Warnungen kümmerte, geht daraus hervor, dass er gemäss einer weiteren Feststellung der Vorinstanz schon etwa drei Kilometer vor der Unfallstelle trotz Gegenverkehr ein verwegenes Überholungsmanöver ausgeführt hatte. Wer sich über die allgemein bekannten, so erheblichen Gefahren und die ständigen Mahnungen derart hinwegsetzt, verdient auch nicht das Vertrauen, dass er sich schon durch eine blosse Warnungsstrafe nachhaltig eines Bessern besinne und sich wirklich bessere. Die Vorinstanz überschritt das ihr zustehende Ermessen deshalb keineswegs, wenn sie dem Beschwerdeführer dieses Vertrauen nicht entgegenbrachte und von der Zubilligung des bedingten Strafvollzuges absah. Ob zudem die früheren Anlässe, an denen sich die Polizei mit ihm zu befassen hatte, und ob auch sein Verhalten nach der Tat gegen die erforderliche Erwartung sprechen, kann bei dieser Sachlage offen bleiben. Die in der zu beurteilenden Tat allein bekundete Hemmungs- und Bedenkenlosigkeit genügt (BGE 79 IV 68; BGE 88 IV 7; BGE 90 IV 261).
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Die Überlegungen, die von der Rechtsprechung hinsichtlich der Angetrunkenheit am Steuer angestellt wurden, treffen in gleichem oder noch vermehrtem Masse auf das gewissenlose Überholen zu. Bei der Häufigkeit der durch solche Manöver verschuldeten Verkehrsunfälle mit ihren vielfach unheilvollen Folgen ist hier nicht minder als dort zusätzlich auch aus Gründen der Generalprävention eine entsprechende Strenge am Platze.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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