BGE 91 IV 149 | |||
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41. Urteil des Kassationshofes vom 26. Juni 1965 i.S. Grob gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich. | |
Regeste |
Art. 33 lit. d VRV. Unnötiges Herumfahren. |
Es richtet sich gegen den Lärm, den unnötig herumfahrende Motorfahrzeuge verursachen, schlechthin, selbst wenn dieser nicht übermässig ist (Erw. 1, b). |
Wer mehrere Male hintereinander durch eine Strasse fährt, um Dirnen zu betrachten, erfüllt den Tatbestand des fortgesetzten unnötigen Herumfahrens (Erw. 1, c). |
Die Unkenntnis der genannten Bestimmung entschuldigt nicht (Erw. 2). |
Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 SVG. Strafbarkeit. |
Verneinung, dass ein besonders leichter Fall vorliege. Voraussetzungen (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
A.- Am 18. Dezember 1963 zwischen 00.40 und 01.05 Uhr fuhr Grob mit seinem Personenwagen Marke Peugeot vier Mal durch die Genferstrasse in Zürich. Deswegen nach dem vierten Male von einem Polizisten zur Rede gestellt, gab er an, er habe sich den "Marsch" angesehen, womit offenbar das Kommen und Gehen von Dirnen gemeint war.
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B.- Das Polizeirichteramt der Stadt Zürich erblickte im Verhalten Grobs einen Verstoss gegen Art. 33 lit. d der Verordnung über die Strassenverkehrsregeln (VRV) und verurteilte ihn am 21. Mai 1964 wegen fortgesetzten unnötigen Herumfahrens in einer Ortschaft zu einer Busse von Fr. 25.-. Auf Begehren um gerichtliche Beurteilung bestätigte der Einzelrichter in Strafsachen am Bezirksgericht Zürich durch Urteil vom 6. April 1965 den beanstandeten Schuldspruch unter Herabsetzung der Busse auf Fr. 10.-.
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C.- Gegen diesen Entscheid richtet sich die vorliegende Nichtigkeitsbeschwerde des Verurteilten mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache zur Freisprechung, allenfalls zur Strafloserklärung an den Einzelrichter zurückzuweisen. Der Beschwerdeführer bestreitet im wesentlichen die Anwendbarkeit der genannten Bestimmung auf Strassen, die wie die Genferstrasse in Zürich vorwiegend dem Durchgangs- und Geschäftsverkehr dienten; er stellt sodann die ihm zur Last gelegte Anzahl der Fahrten und die Richtigkeit des von ihm angegebenen Beweggrundes in Abrede, sowie, dass er durch seine Fahrweise einen für die Anstösser irgendwie unerträglichen Lärm verursacht habe. Endlich beruft er sich auf Unkenntnis der angewandten Vorschrift, mangelndes Unrechtsbewusstsein und macht geltend, dass es sich jedenfalls um einen besonders leichten Fall gemäss Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 SVG handle, bei dem von Strafe Umgang zu nehmen sei.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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a) Zu Unrecht will der Beschwerdeführer aus dem Hinweis auf "Wohn- und Erholungsgebiete" schliessen, das fragliche Verbot gelte nicht für Geschäfts- und Durchfahrtsstrassen in städtischen Verhältnissen. Art. 33 VRV sieht keine derartige Ausnahme vor. Eine solche liesse sich auch nicht mit dem Zweck dieser Ausführungsvorschrift zu Art. 42 Abs. 1 SVG vereinbaren. An der Genferstrasse, mag sie noch so das Gepräge einer Durchfahrts- und Geschäftsstrasse haben, wird ebenfalls gewohnt. Die Anwohner dieser Strasse haben aber nicht weniger als diejenigen anderer Gebiete Anspruch auf den Schutz vor unnötiger Verkehrsbelästigung. Aus der nämlichen Überlegung kommt auch nichts auf die mit der Beschwerde hervorgehobene Grösse und Verkehrsdichte einer Stadt an. So gross Zürich als Stadt ist, so bleibt sie doch eine Ortschaft im Sinne von Art. 33 lit. d VRV.
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b) Dass der Beschwerdeführer mit seinem Wagen keinen übermässigen Lärm verursacht hat, ist nicht entscheidend. Das Verbot gemäss Art. 33 lit. d VRV gilt schlechthin dem Lärm, den unnötig herumfahrende Motorfahrzeuge verursachen, auch wenn er nicht übermässig ist. Zugleich will auch vermieden werden, dass durch ein solches Herumfahren andern Motorfahrzeugführern Anlass zu vermehrter Lärmerzeugung (Lautsignale, Bremsen, Schalten, Beschleunigen usw.) gegeben wird.
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c) Die beanstandeten Feststellungen des Einzelrichters, der Beschwerdeführer sei nicht weniger als viermal durch die Genferstrasse gefahren, und er habe dies getan, um "den Marsch anzuschauen", sind tatsächlicher Natur und daher für den Kassationshof verbindlich (Art. 277 bis Abs. 1 BStP). Ihre Bestreitung ist mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht zulässig (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Dasselbe gilt für die im Widerspruch zu jenen Feststellungen stehende Behauptung, mit welcher der Beschwerdeführer einen - schwer ersichtlichen - Zusammenhang zwischen seiner Fahrweise und dem angegebenen Umstand zu erklären versucht, am Bahnhof Enge einen Herrn erwartet zu haben. Vom Sachverhalt ausgehend, wie ihn der Einzelrichter ermittelt hat, bestreitet der Beschwerdeführer mit Fug nicht, dass ein Fahrzeugführer, der innert 25 Minuten viermal durch die Genferstrasse fährt, um Dirnen zu beobachten, den Tatbestand des fortgesetzten unnötigen Herumfahrens erfüllt.
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3. Für die verlangte Straflosigkeit nach Art. 100 Ziff. 1 Abs. 2 SVG genügt nicht ein leichter, sondern nur ein besonders leichter Fall; und auch dann hat der Richter nur die Möglichkeit, nicht auch die Verpflichtung, von einer Strafe Umgang zu nehmen. In das ihm dabei zustehende Ermessen hat sich das Bundesgericht nicht einzumischen. Es kann nur einschreiten, wenn dieses Ermessen überschritten wurde. Laut Botschaft des Bundesrates vom 24. Juni 1955 ist ein besonders leichter Fall in der Regel nur anzunehmen, wenn der Angeschuldigte aus zureichenden Gründen gegen eine Verkehrsvorschrift verstösst. Liegen solche für das Herumfahren mit einem Motorfahrzeug vor, so könnte dieses allerdings ohnehin nicht mehr als unnötig im Sinne von Art. 33 lit. d VRV bezeichnet werden; die Anwendung der genannten Vorschrift müsste alsdann mangels eines objektiven Tatbestandsmerkmales entfallen. Ob ein Fall nach Art. 33 lit. d VRV besonders leicht sei, ist daher nach den übrigen Tatumständen zu beurteilen. Dabei ist jedoch auch hier ein strenger Massstab anzulegen. Wie schon entschieden wurde, soll der Richter von Strafe nur Umgang nehmen, wenn eine noch so geringe Busse, weil dem Verschulden in keiner Weise angemessen, als stossend hart erschiene (Urteil des Kassationshofes vom 18. Juni 1964 i.S. Abraham/Bern, Erw. 2). Von diesem Gesichtspunkt aus ist dem Beschwerdeführer nicht Unrecht geschehen. Die Busse von Fr. 10.- steht zum begangenen Fehler in keinem offenbaren Missverhältnis. Ein Ermessensmissbrauch liegt demzufolge nicht vor.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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