BGE 91 IV 207 | |||
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55. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 15. Dezember 1965 i.S. Eigenheer gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich. | |
Regeste |
Art. 37 Abs. 3 SVG, Art. 22 Abs. 1 VRV. |
Das Nichtabschliessen der Fahrzeugtüren ist nur strafbar, wenn eine besondere Gefahr besteht, dass Unbefugte sich des Fahrzeuges bemächtigen könnten. | |
Sachverhalt | |
A.- Eigenheer parkierte am 17. Februar 1965 gegen 09.25 Uhr sein Personenauto während ungefähr einer Viertelstunde in der Neufrankengasse in Zürich 4 halb auf der Fahrbahn, halb auf dem Trottoir, so dass zwischen seinem Wagen und den auf der andern Strassenseite ordnungsgemäss abgestellten Fahrzeugen nur eine Fahrbahnbreite von 1,8 m für den Verkehr offen blieb. Beim Weggehen nahm er den Zündschlüssel mit, schloss aber die Türen des Wagens nicht ab.
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B.- Der Polizeirichter der Stadt Zürich büsste Eigenheer wegen verkehrshindernden Aufstellens des Wagens (Art. 37 Abs. 2 SVG) und wegen Nichtsicherns des Fahrzeuges gegen die Verwendung durch Unbefugte (Art. 22 Abs. 1 VRV) mit Fr. 30.-.
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Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichts Zürich erklärte am 1. September 1965 Eigenheer, weil er den Wagen nicht abgeschlossen hatte, der Widerhandlung gegen Art. 37 Abs. 3 SVG und Art. 22 Abs. 1 VRV schuldig und verurteilte ihn wegen dieser und der Übertretung von Art. 37 Abs. 2 SVG zu einer Busse von Fr. 20.-.
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C.- Eigenheer ficht dieses Urteil mit der Nichtigkeitsbeschwerde insoweit an, als er wegen Nichtabschliessens des Fahrzeuges verurteilt wurde.
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D.- Das Polizeirichteramt der Stadt Zürich beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
Erwägung 1 | |
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Mit der letztern Sicherung soll vor allem die Entwendung von Motorfahrzeugen und damit die erfahrungsgemäss mit Strolchenfahrten verbundene Gefährdung des Verkehrs verhindert werden (vgl. Art. 75 Abs. 1 SVG; Botschaft des Bundesrates, BBl 1955 II 34). Sicherungsmassnahmen sind daher erforderlich, wenn ein abgestelltes Fahrzeug Unbefugten zugänglich und der Führer ausserstande ist, jederzeit gegen eine Verwendung durch Dritte einzuschreiten oder einen andern mit der Überwachung des Fahrzeuges zu betrauen. In erster Linie ist von den im Fahrzeug eingebauten Vorrichtungen Gebrauch zu machen, die dazu bestimmt sind, die Ingangsetzung der Fahrmechanik zu verunmöglichen oder doch erheblich zu erschweren. Dazu gehört die Wegnahme und sichere Verwahrung des Zündschlüssels. Wo ein Zündschloss oder eine andere gleichwertige Sicherheitsvorrichtung fehlt, ist eine solche anzubringen (vgl. BGE 83 II 83). Die Anwendung von Mitteln, durch die die Lenk- oder Fahrmechanik des Fahrzeuges gesperrt wird, ist im allgemeinen, namentlich tagsüber auf belebten Strassen und Plätzen, wirksam genug, um Dritte vom widerrechtlichen Gebrauch eines Motorfahrzeuges abzuhalten.
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Zu weiteren Vorkehren, insbesondere zum Abschliessen der Fahrzeugtüren, kann der Führer nach den Umständen des Einzelfalles verpflichtet sein. Der Auffassung der Vorinstanz, dass bei abschliessbaren Fahrzeugen die Türen immer verschlossen werden müssten und die Unterlassung dieser Massnahme stets als strafbares Verschulden anzurechnen sei, kann aber nicht zugestimmt werden. Eine solche Forderung wäre in vielen Fällen, vorab im Geschäftsverkehr, wo die Fahrten sehr oft rasch hintereinander unterbrochen werden müssen und der Führer das Fahrzeug nur für kurze Zeit verlässt, nicht zumutbar. Eine allgemeine Verpflichtung zum Verschliessen der Fahrzeugtüren ginge auch deshalb zu weit, weil ein Teil der Fahrzeuge, z.B. Motorräder, Jeeps und dgl., keine verschliessbaren Türen haben und auch nicht haben müssen und bei andern, z.B. gewissen Cabriolets, das Eindringen oder Öffnen trotz verschlossenen Türen leicht bewerkstelligt werden kann. Art. 37 Abs. 3 SVG verlangt auch nicht, dass der Führer jedes Mal, wenn er sich vom Fahrzeug entfernt, alle zur Verfügung stehenden Sicherungsmöglichkeiten ausschöpfe, sondern die Bestimmung schreibt eine angemessene Sicherung vor, was dem Sinne nach heisst, dass das Mass der Sicherung den jeweiligen Verhältnissen anzupassen ist. Angemessen und zumutbar ist das Verschliessen der Türen als zusätzliche Sicherungsmassnahme, wenn eine besondere Gefahr besteht, dass unbefugte Dritte sich des Fahrzeuges bemächtigen könnten. Das trifft beispielsweise zu, wenn der Wagen an einem abgelegenen Ort oder über Nacht im Freien parkiert wird oder wenn er im Gefälle schon durch Betätigen der Handbremse oder Gangschaltung in Bewegung gesetzt werden kann, ferner auch dann, wenn im Sinne des Art. 75 Abs. 1 SVG zu befürchten ist, dass eine Person, für die der Halter verantwortlich ist, bei nicht verschlossenen Türen das Fahrzeug missbräuchlich verwenden werde.
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Auch nach der französischen und italienischen Rechtsprechung besteht keine Pflicht, die Türen parkierter Fahrzeuge unter allen Umständen zu verschliessen (BÉDOUR, Précis des accidents d'automobile, S. 220 f.; CIGOLINI, La responsabilità dalla circolazione stradale, S. 532, Anm. 145); die gleiche Auffassung wird in Belgien im Kommentar Van ROYE (S. 168 Note 349) und in Deutschland von MÜLLER (Strassenverkehrsrecht, 21. Aufl. S. 265) vertreten.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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Die Nichtigkeitsbeschwerde wird dahin gutgeheissen, dass das Urteil des Einzelrichters in Strafsachen des Bezirkes Zürich vom 1. September 1965 aufgehoben und die Sache zur Freisprechung des Beschwerdeführers von der Anschuldigung der Übertretung des Art. 37 Abs. 3 SVG und Art. 22 Abs. 1 VRV sowie zur Neufestsetzung der Strafe wegen Übertretung von Art. 37 Abs. 2 SVG an die Vorinstanz zurückgewiesen wird.
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