![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
10. Urteil des Kassationshofes vom 4. März 1966 i.S. Jörg gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich. | |
Regeste |
1. Art. 45 Abs. 1 VRV. Besondere Vorsichtspflicht des Strassenbahnführers beim Kreuzen auf schmalen Strassen und beim Fahren gegen die Richtung des übrigen Verkehrs. Zur besonderen Vorsicht gehört, dass der Strassenbahnführer sich vergewissert, ob ein in der Nähe des Geleises angehaltenes Motorfahrzeug nicht durch die beim Fahren in der Kurve sich vergrössernde Ausladung des Strassenbahnwagens gefährdet werde (Erw. 1 und 2). | |
Sachverhalt | |
![]() ![]() | 1 |
B.- Durch Verfügung vom 5. April 1965 büsste der Polizeirichter der Stadt Zürich Jörg wegen Übertretung von Art. 45 Abs. 1 VRV mit Fr. 20. -.
| 2 |
Auf Einsprache von Jörg bestätigte der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichts Zürich am 18. November 1965 die Busse.
| 3 |
C.- Jörg führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei freizusprechen, eventuell straflos zu erklären.
| 4 |
Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
5 | |
Unter schmalen Strassen sind sinngemäss auch solche zu verstehen, die wie die Gottfried Keller-Strasse an sich breit genug sind, dass normalerweise gefahrlos gekreuzt werden kann, wo aber das Kreuzen durch besondere Hindernisse, z.B. abgestellte Wagen, erschwert wird. Jedenfalls fuhr der Beschwerdeführer gegen die Richtung des übrigen Verkehrs, da die Gottfried Keller-Strasse andern Fahrzeugen als der Strassenbahn einzig von der Stadelhoferstrasse her seewärts offen stand und der vom Beschwerdeführer geführte Strassenbahnwagen in entgegengesetzter Richtung fuhr. Für diese Tatsache und damit auch für die Anwendbarkeit des Art. 45 Abs. 1 VRV ist entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers ohne Bedeutung, ob sich der Unfall auch ereignet hätte, wenn der Wagen von Leupp ![]() | 6 |
7 | |
Die Kenntnis der Tatsache, dass bei Schienenfahrzeugen die Ausladung in Kurven grösser ist als auf geraden Strecken, wird im allgemeinen schon durch die Lebenserfahrung, insbesondere die Beobachtung von Strassenbahnen erworben, ohne dass hiezu eine besondere technische Ausbildung erforderlich ist. Umsomehr darf von einem Strassenbahnführer, der wie der Beschwerdeführer bei den Zürcher Verkehrsbetrieben die Fahrprüfung abgelegt und einige Jahre Fahrpraxis hinter sich hat, erwartet werden, dass er die unterschiedliche Weite der Ausladung kennt. Auch der Automobilist, der sich im Strassenverkehr ![]() | 8 |
Der neue Einwand, selbst wenn er zutreffen sollte, könnte den Beschwerdeführer auch nicht wesentlich entlasten. Die grösstmögliche seitliche Ausladung, die von Strassenbahnwagen beim Befahren der erwähnten Rechtskurve erreicht werden kann, wird durch weisse Striche, die im entsprechenden Abstand vom äussern Geleise auf der Gottfried Keller-Strasse aufgetragen sind, gekennzeichnet. Diese Markierungslinie ist in erster Linie für die Bahnwagenführer bestimmt, damit sie feststellen können, ob beim Befahren der Rechtskurve keine Strassenfahrzeuge gefährdet werden. Der Beschwerdeführer, der mit den örtlichen Verhältnissen vertraut und über die Bedeutung der Markierung im Bilde war, hätte diese daher beachten müssen und bei pflichtgemässer Kontrolle schon beim Wiederanfahren erkennen können, dass der Wagen von Leupp über die Linie hinausragte. Nach Art. 45 Abs. 1 VRV, der vom Strassenbahnführer die Anwendung besonderer Vorsicht verlangt, war der Beschwerdeführer zur Vornahme der Kontrolle auch dann verpflichtet, wenn die Markierungslinie wegen Abnutzung und künstlicher Beleuchtung schlecht sichtbar gewesen sein sollte. Er kann die Vernachlässigung seiner Pflicht auch nicht mit dem Hinweis auf Art. 38 Abs. 1 SVG rechtfertigen. Wenn der Kassationshof in BGE 90 IV 258 erklärte, der Strassenbahnführer müsse sich darauf verlassen können, dass sich kein anderes Fahrzeug näher als 1,5 m neben der nächsten Schiene aufhalte, so heisst das selbstverständlich nicht, dass der Strassenbahnführer seine eigene besondere Kontrollpflicht ausser acht lassen und unbekümmert darum, ob ein Strassenfahrzeug genügenden Abstand von der Schiene wahre, weiterfahren dürfe.
| 9 |
![]() | 10 |
11 | |
Demnach erkennt der Kassationshof:
| 12 |
13 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |