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46. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 18. November 1966 i.S. Müller gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern. | |
Regeste |
Art. 397 StGB. | |
Sachverhalt | |
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Müller behauptete im Untersuchungs- und Strafverfahren, der Wagen sei zur Zeit des Unfalls von Giger geführt worden. Das Amtsgericht Luzern-Land und das Obergericht des Kantons Luzern verwarfen diese Behauptung gestützt auf Zeugenaussagen, den Bericht des Amtsarztes über die Verletzungen Gigers und ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes der Stadtpolizei Zürich über das im Wageninnern erhobene Spurenmaterial sowie ein fahrtechnisches Gutachten des Chefexperten der luzernischen Motorfahrzeugkontrolle und stellten fest, dass Müller den Wagen gelenkt habe. Das Obergericht erklärte ihn am 7. Oktober 1964 der Nichtbeherrschung des Fahrzeuges (Art. 31 Abs. 1), des Fahrens mit übersetzter Geschwindigkeit (Art. 32 Abs. 1), der groben Verletzung von Verkehrsregeln ![]() | 2 |
B.- Am 11. Februar 1965 reichte Müller beim Obergericht ein Revisionsgesuch ein. Er machte erneut geltend, dass Giger das Auto gelenkt habe, und berief sich zum Beweis u.a. auf ein von Ing. Max Troesch über den Unfallablauf erstelltes Gutachten.
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Das Obergericht wies nach ergänzenden Erhebungen das Gesuch am 2. August 1966 ab. Es anerkannte, dass das Gutachten Troesch, wenn dessen neue technische Beurteilung des Unfallherganges zuträfe, geeignet wäre, die frühere Feststellung über die Person des Wagenlenkers in Frage zu stellen. AufGrund des gesamten Beweismaterials sei jedoch das neue Gutachten nicht haltbar und vermöge die früheren tatsächlichen Feststellungen in keiner Weise zu entkräften.
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C.- Müller führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der obergerichtliche Entscheid sei aufzuheben und die Sache zur Anordnung der Revision, eventuell zu Beweisergänzungen an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Zur Begründung macht er u.a. geltend, das Obergericht habe den Sachverhalt ungenügend abgeklärt. Durch das Gutachten Troesch würden neue Tatsachen über den Bewegungsablauf, die dadurch eingetretenen Verletzungen usw. glaubhaft gemacht, die geeignet seien, die früher behauptete Tatsache, dass das Auto von Giger gelenkt worden sei, glaubhaft erscheinen zu lassen. Das Obergericht hätte daher, wenn es nicht auf das Privatgutachten abstellen wollte, antragsgemäss ein verkehrstechnisches Gutachten von einem anerkannten Fachmann einholen müssen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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a) Nach dieser Bestimmung kann die Wiederaufnahme eines ![]() | 8 |
Neu sind Tatsachen und Beweismittel, wenn sie dem Gericht zur Zeit der Urteilsfällung unbekannt waren, ihm überhaupt nicht in irgendeiner Form zur Beurteilung vorlagen (siehe dazu BGE 80 IV 42), und erheblich sind sie, wenn sie geeignet sind, die der Verurteilung zugrunde liegenden Feststellungen so zu erschüttern, dass auf Grund des veränderten Sachverhalts ein wesentlich milderes Urteil möglich ist (BGE 69 IV 139 Erw. 6; BGE 76 IV 39 Erw. 3; BGE 78 IV 55; BGE 81 IV 45; BGE 82 IV 184; BGE 86 IV 78). Ob die neue Tatsache oder das neue Beweismittel für sich allein oder zusammen mit andern bekannten oder neu angerufenen schlüssig genug sei, den im frühern Urteil angenommenen Sachverhalt zu entkräften, ist eine Frage der Beweiswürdigung, die dem Gebiet des Tatsächlichen angehört und als solche der Überprüfung des Kassationshofes entzogen ist (Art. 277 bis Abs. 1, Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Rechtsfrage, die auf Nichtigkeitsbeschwerde überprüft werden kann, ist dagegen, ob das neue Anbringen, falls es den Sachverhalt zu verändern vermag, zu einem für den Verurteilten bedeutend günstigeren Urteil führen kann. Wird neuen Tatsachen oder Beweismitteln die Beweiskraft abgesprochen oder sind sie aus rechtlichen Gründen ohne Bedeutung, so fehlt ihnen die Eigenschaft der Erheblichkeit im Sinne des Art. 397 StGB (BGE 72 IV 45 f.).
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Art. 397 StGB schreibt vor, dass die Wiederaufnahme des Verfahrens auf Grund neuer und erheblicher Tatsachen oder Beweismittel zu gestatten ist. Das kann nur heissen, dass von Bundesrechts wegen die Wiederaufnahme erst bewilligt werden muss, wenn der geltend gemachte Wiederaufnahmegrund wirklich besteht, die neue erhebliche Tatsache oder das neue erhebliche Beweismittel also gegeben ist. Von dieser Voraussetzung geht auch der italienische Text des Art. 397 StGB aus, der die Worte gebraucht "quando esistano fatti o mezzi di prova", und desgleichen stellte der deutschschweizerische Berichterstatter im Nationalrat (Seiler) fest, dass für die Wiederaufnahme des Verfahrens neue erhebliche Tatsachen oder Beweismittel ![]() | 12 |
Diese Auslegung stimmt auch mit der Auffassung überein, dass das Bundesrecht die Revisionsinstanz nicht hindert, die Beweisfrage im Zulassungsverfahren endgültig zu beantworten. Zwischen diesem Grundsatz, an dem der Kassationshof seit jeher festgehalten hat, und der Rechtsprechung, dass schon das ![]() | 13 |
In BGE 73 IV 45 wurde ausgeführt, dass die neue Tatsache nur glaubhaft gemacht zu werden brauche, nicht aber schon bestehen müsse, ansonst sie bereits mit dem Wiederaufnahmegesuch bewiesen sein müsste, was in den meisten Fällen nicht möglich wäre. Diese Begründung übersieht, dass neue Tatsachen oder Beweismittel auch vorliegen können, wenn ihr Bestand im Gesuch nicht bewiesen werden kann und die dafür angetragenen Beweise, z.B. Zeugenaussagen oder Urkunden, die sich in den Händen Dritter befinden, erst noch von Amtes wegen zu erheben sind. Wenn für die Bewilligung der Wiederaufnahme eine neue erhebliche Tatsache oder ein neues erhebliches Beweismittel vorliegen muss, bedeutet das denn auch nur, dass der Nachweis des neuen Vorbringens im Zeitpunkt des Zulassungsentscheides erbracht sein muss, nicht aber, dass er schon zur Zeit der Einreichung des Gesuches geleistet sein müsse. Zur Begründung des Gesuches genügt daher, dass die neuen Tatsachen oder Beweismittel, wie es im französischen Text des Art. 397 StGB heisst, angerufen werden, womit gleichzeitig zum Ausdruck gebracht wird, dass der Gesuchsteller, wie auch in den meisten kantonalen Prozessgesetzen vorgeschrieben wird, die neuen Tatsachen zu begründen und die Beweismittel, auf die er sich berufen will, näher zu bezeichnen hat.
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Ob die vorgebrachten neuen Tatsachen, wie in der Beschwerde geltend gemacht wird, genügend glaubhaft gemacht seien, ist vom Kassationshof nicht zu überprüfen. Nach den vorangegangenen Erwägungen genügt das blosse Glaubhaftmachen einer neuen erheblichen Tatsache nicht, um ein früheres Verfahren wieder aufzunehmen. Die Berufung auf die Glaubhaftmachung hätte übrigens dem Beschwerdeführer auch nach der bisherigen Praxis nicht geholfen. Das Obergericht hat das Privatgutachten und die dazu eingeholten Vernehmlassungen der amtlichen Experten Dr. Frei und Buholzer sowie die Gegenbemerkungen von Troesch eingehend gegeneinander abgewogen und ist nach Überprüfung des gesamten Beweismaterials zum Schlusse gelangt, dass den Darlegungen des Gutachters Troesch die Überzeugungskraft fehle, die darin angeführten neuen Tatsachen also nicht erbracht seien und diese demzufolge die früheren Feststellungen nicht erschüttern könnten. Die Abweisung des Revisionsgesuches beruht demnach auf Beweiswürdigung, die mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden kann. Was der Beschwerdeführer einwendet, ist denn auch nichts anderes als Kritik dieser Beweiswürdigung.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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