BGE 93 IV 43 | |||
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13. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 17. März 1967 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen Zauser. | |
Regeste |
Art. 92 Abs. 2 SVG ist auch bei fahrlässiger Begehung anwendbar. | |
Sachverhalt | |
A.- Alfons Zauser fuhr am 31. Dezember 1965 um 20.40 Uhr in angetrunkenem Zustand (Blutalkoholgehalt ca. 1,4 g ‰) mit seinem Personenwagen Opel-Rekord durch die Gotthardstrasse in Thalwil. Vor der Einmündung der Schwandelstrasse stiess er mit dem auf dem Fussgängerstreifen die Strasse überquerenden Heinrich Hiestand zusammen. Er hielt sein Fahrzeug an und stieg kurz aus, fuhr aber dann weiter, ohne sich um den schwerverletzten Fussgänger zu kümmern. Dieser starb am 16. Februar 1966 an den Folgen des Unfalles.
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B.- Am 25. März 1966 sprach das Bezirksgericht Horgen Alfons Zauser der fahrlässigen Tötung (Art. 117 StGB), des Fahrens in angetrunkenem Zustand (Art. 91 Abs. 1 SVG) sowie des pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall im Sinne von Art. 92 Abs. 2 SVG schuldig und verurteilte ihn zu 15 Monaten Gefängnis abzüglich 35 Tage Untersuchungshaft; ferner ordnete es die Veröffentlichung des Urteils an.
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Auf Berufung Zausers erklärte ihn das Obergericht des Kantons Zürich am 13. September 1966, ausser der fahrlässigen Tötung und des Fahrens in angetrunkenem Zustand, lediglich des pflichtwidrigen Verhaltens im Sinne von Art. 92 Abs. 1 SVG schuldig. Es setzte die Gefängnisstrafe auf 10 Monate herab, unter Anrechnung von 50 Tagen Sicherheitshaft, und gewährte den bedingten Strafvollzug bei einer Probezeit von 4 Jahren.
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C.- Gegen dieses Urteil führt die Staatsanwaltschaft Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, Zauser sei wegen pflichtwidrigen Verhaltens bei Unfall im Sinne von Art. 92 Abs. 2 statt Abs. 1 SVG zu bestrafen.
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D.- Zauser beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Aus den Erwägungen: | |
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Die Vorinstanz glaubt aber, Art. 92 Abs. 2 SVG darum nicht anwenden zu dürfen, weil diese Bestimmung stets ein vorsätzliches Handeln verlange. Diese subjektive Voraussetzung treffe "trotz vieler den Angeklagten stark belastenden Indizien" nicht zu. Weder sei rechtsgenügend nachgewiesen, dass Zauser den Fussgänger vor oder während des Zusammenstosses bemerkt habe, noch stehe ausser Zweifel, dass er den Verletzten nachher auf der Strasse habe liegen sehen; es müsse auch verneint werden, dass Zauser überhaupt mit der Verletzung eines Fussgängers gerechnet habe. An diese Feststellungen, die tatsächlicher Natur sind, ist der Kassationshof von Gesetzes wegen gebunden (Art. 277 bis Abs. 1 BStP). Sie schliessen die Annahme vorsätzlicher oder eventualvorsätzlicher Begehung aus. Es ist daher gemäss dem Antrag der Beschwerdeführerin zu prüfen, ob pflichtwidriges Verhalten bei Unfall im Sinn von Art. 92 Abs 2 SVG auch fahrlässig verübt werden könne.
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a) Wo das SVG eine Strafbestimmung nur auf die vorsätzlich begangene Tat angewendet wissen will, gebraucht es regelmässig die eindeutige Wendung "wer vorsätzlich..." (vgl. Art. 91 Abs. 3, 93 Ziff. 1 Abs. 1, 97 Ziff. 1 Abs. 4 und 7, 98 Abs. 1 SVG). Davon ist bei Art. 92 SVG weder in Abs. 1 noch Abs. 2 die Rede.
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b) Auch der übrige Wortlaut von Art. 92 Abs. 2 SVG weist nicht auf ein ausschliessliches Vorsatzdelikt hin. Während etwa der Tatbestand des Führens eines Motorfahrzeugs trotz Verweigerung oder Entzug des Führer- oder Lernfahrausweises gemäss Art. 95 Ziff. 2 SVG notwendig die Kenntnis der Verweigerung oder des Entzugs voraussetzt, gilt das Gleiche nicht für die Verletzung oder Tötung eines Menschen.
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c) Der in Abs. 2 des Art. 92 SVG verwendete Ausdruck "ergreift ein Fahrzeugführer... die Flucht" vermag ebenfalls nicht den Schluss zu rechtfertigen, dass (wie KARMANN, SJZ 1960 S. 236 und BADERTSCHER/SCHLEGEL, Kommentar zu Art. 92 Abs. 2 SVG S. 260 annehmen) der Tatbestand des Art. 92 Abs. 2 SVG ein Vorsatzdelikt und diese Bestimmung daher auf den fahrlässig handelnden Täter nicht anwendbar sei.
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Art. L. 2 des französischen Code de la Route charakterisiert die Führerflucht als Vorsatzdelikt, indem er bestimmt: "Tout conducteur d'un véhicule qui, sachant que ce véhicule vient de causer ou d'occasionner un accident, ne se sera pas arrêté...".
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Ebenso stellt § 142 des deutschen StGB ausdrücklich nur die vorsätzlich begangene Flucht nach Verkehrsunfall unter Strafe. Gerade dieser ausdrückliche Hinweis auf den Vorsatz zeigt, dass die Unfallflucht auch fahrlässig ergriffen werden kann. Nach SCHOENKE/SCHROEDER, Kommentar zu § 142 N. 18, liegt Flucht vor, wenn jemand die Unfallstätte in einer Entfernung verlässt, in der er nicht ohne weiteres erreichbar oder als Beteiligter feststellbar ist. Ähnliches gilt für Art. 92 Abs. 2 SVG. Wie Abs. 1 verweist auch Abs. 2 dieser Bestimmung auf die durch das Gesetz bei Unfall gebotenen Pflichten, wonach der an einem Unfall beteiligte Motorfahrzeugführer gemäss Art. 51 Abs. 1 SVG u.a. sofort anhalten muss. Die Flucht ergreift somit ganz einfach jeder Motorfahrzeugführer, der nach einem Unfall nicht anhält, d.h. nicht auf der Unfallstelle bleibt, sondern seine Fahrt fortsetzt. Das ist auch die Meinung von SCHULTZ, Die Strafbestimmungen des SVG, S. 218.
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d) Endlich spricht auch nicht etwa der Sinn des Art. 92 Abs. 2 SVG dafür, dass nur die vorsätzliche Begehung mit Strafe bedroht sein soll (vgl. Art. 333 Abs. 3 StGB). Die Bestimmung will die Opfer eines Verkehrsunfalls vor gesundheitlicher und wirtschaftlicher Gefährdung bewahren und die Aufklärung der Unfallursachen ermöglichen (SCHULTZ, Strafbestimmungen des SVG, S. 219). Dieser Zweck kann aber nicht mit der Ahndung bloss der vorsätzlichen Unfallflucht erreicht werden. Häufig könnte der Unfallflüchtige sonst mit Erfolg geltendmachen, er habe weder um die Verletzung oder Tötung eines Menschen gewusst, noch habe sich ihm diese Möglichkeit zwingend aufgedrängt. Soll Art. 92 Abs. 2 SVG sein Ziel erreichen, so muss darum auch die fahrlässige Begehung unter Strafe gestellt sein.
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3. Nun nimmt das Obergericht als erstellt an, dass Zauser im Moment der Kollision mit dem Fussgänger einen "Klapf" gehört und sich nach seinen eigenen Angaben gesagt hat, dass "etwas nicht stimme". Nachdem keine seiner angeblichen Vermutungen über die Herkunft dieses Knalls bestätigt wurde, habe Zauser sich nicht mit der von ihm vorgenommenen oberflächlichen Nachschau begnügen dürfen; vielmehr hätte er zumindest um das Fahrzeug herumgehen müssen. Dass er den Verletzten nicht gesehen und daher seinen gesetzlichen Pflichten nicht habe nachkommen können, sei demnach einzig der gröblichen Missachtung seiner sich auf Grund des vernommenen ungewöhnlichen Knalls ergebenden Pflicht zur sorgfältigen Abklärung der Ursache desselben zuzuschreiben.
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Damit stellt die Vorinstanz selbst fest, dass Fahrlässigkeit auch hinsichtlich Abs. 2 von Art. 92 SVG gegeben ist. Nach dem Gesagten ist ihr Urteil in diesem Punkt daher aufzuheben und die Sache zur Bestrafung Zausers wegen fahrlässiger Verletzung von Art. 92 Abs. 2 SVG, unter Neufestsetzung der Strafe, zurückzuweisen.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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