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25. Urteil des Kassationshofes vom 20. Oktober 1967 i.S. Gassmann gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn. | |
Regeste |
1. Art. 270 Abs. 3 BStP. Der Privatstrafkläger ist nicht befugt, gegen ein Urteil des solothurnischen Obergerichtes Nichtigkeitsbeschwerde zu führen, wenn der öffentliche Ankläger vor Obergericht hätte auftreten können (Erw. 1). |
3. Art. 36 Abs. 1 und 3 SVG, Art. 13 Abs. 2 Satz 1 VRV. Wer gegen die Strassenmitte einspurt, um nach links abzubiegen, darf die Leitlinie erst überfahren, wenn er die Gewissheit hat, ohne Beeinträchtigung des vortrittsberechtigten Gegenverkehrs abschwenken zu können (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
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Die Baslerstrasse verläuft auf jener Strecke gerade, weist eine Breite von 10,55 m auf und ist in der Mitte mit einer Leitlinie versehen.
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Gassmann betätigte schon 300 m vor der Abzweigung den Blinker und spurte nach links gegen die Strassenmitte ein. Als er der Verzweigung nahe war, überfuhr er die Leitlinie seitlich um etwa 20 cm und streifte dabei einen entgegenkommenden Saab-Personenwagen, der, von Lämmli gesteuert, soeben mit 60 km/Std zwei Radfahrer überholt hatte. Beide Wagen wurden erheblich beschädigt.
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B.- Der Gerichtspräsident von Olten-Gösgen büsste am 20. September 1966 Gassmann wegen Übertretung von Art. 34 Abs. 1 SVG sowie Art. 13 Abs. 2 VRV mit Fr. 30.-, Lämmli wegen Verletzung von Art. 26 Abs. 2 SVG mit Fr. 15.-.
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C.- Gassmann führt gegen das Urteil des Obergerichtes Nichtigkeitsbeschwerde. Er macht sinngemäss geltend, seine Verurteilung könne bei richtiger Auslegung von Art. 13 Abs. 2 VRV nicht aufrechterhalten werden. Lämmli habe übrigens ausser der Grundregel insbesondere noch Art. 35 Abs. 2 SVG übertreten. Zu prüfen sei ferner, ob die Mitfahrerin Lämmlis dadurch, dass sie die Unfallstelle vor Eintreffen der Polizei verliess, nicht gegen die Vorschriften über das Verhalten bei Unfällen verstossen habe.
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D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Solothurn hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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Dass der öffentliche Ankläger im Verfahren nicht aufgetreten ist, ändert nichts; nach der Rechtsprechung genügt, dass er hätte Parteirechte ausüben können (BGE 77 IV 126, BGE 84 IV 135, BGE 85 IV 110). Das traf hier zu. Freilich steht dem Staatsanwalt gegen das Urteil eines Amtsgerichtspräsidenten die kantonale Kassationsbeschwerde nur zu, wenn der Angeklagte freigesprochen wird (§ 421 StPO, Fassung vom 18. Dezember 1961). Nach § 68 Abs. 3 des solothurnischen Gesetzes über die Gerichtsorganisation vom 5. März 1961 kann er die Anklage vor Obergericht jedoch auch in Fällen zu vertreten haben, in denen ![]() | 9 |
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a) Was unter einer dreispurigen Strasse im Sinne dieser Bestimmung verstanden werden soll, ist namentlich wegen der Wendung "mit oder ohne Markierung" ("marquées ou non", "demarcate o no") unklar. Nach dem deutschen Text könnte eine Strasse ungeachtet dessen, dass sie in der Mitte mit einer Leitlinie versehen ist, als dreispurig gelten, sofern sie breit genug und nach den gegebenen Umständen in drei Bahnen befahrbar ist. Eine solche Annahme widerspräche indes schon den romanischen Texten, in denen die unklare Wendung sich bloss auf die drei Spuren und nicht, wie im deutschen, auf die Strasse überhaupt bezieht. Sie wäre auch unvereinbar mit wichtigen Verkehrsregeln. Nach Art. 36 Abs. 1 SVG hat der Fahrer, der nach links abbiegen will, gegen die Strassenmitte zu halten. Er darf also dann, wenn die Strassenmitte durch eine Leitlinie gekennzeichnet ist (Art. 52 Abs. 3 Satz 1 SSV), diese nicht schon beim Einspuren überfahren. Wenn sich deshalb der Abstand beim Kreuzen als ungenügend erweisen sollte, so darf er sich auch keineswegs der Linie so stark nähern, dass er entgegenkommende Fahrzeuge gefährden könnte (vgl. BGE 81 IV 172 f. und 299). Nach Art. 27 Abs. 1 SVG sodann sind nicht nur Signale, sondern auch Markierungen auf der Fahrbahn zu befolgen; sie gehen den allgemeinen Regeln sogar vor. Wollte man aber in Fällen, wie hier, eine dreispurige Strasse annehmen, so müsste der Fahrer, der "die mittlere Spur" benützt, sich über die Leitlinie hinwegsetzen, ja sie ignorieren.
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Ein solches Verhalten verstösst nicht nur gegen das Verkehrsgefühl, sondern ist auch in hohem Masse geeignet, andere zu ![]() | 12 |
b) Nach dem angefochtenen Urteil hat der Beschwerdeführer die Leitlinie schon überfahren, bevor er die Verzweigung, auf der er nach links abbiegen wollte, erreichte. Dass dies aus zwingenden Gründen geschehen sei, macht Gassmann nicht geltend; aus den Feststellungen der Vorinstanz erhellt vielmehr, dass er keinerlei Anlass hatte, über die Strassenmitte hinaus einzuspuren. Das Obergericht wirft ihm daher mit Recht vor, Art. 36 Abs. 1 SVG und Art. 13 Abs. 2 Satz 1 VRV übertreten zu haben.
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Ob er dadurch, dass er bereits 300 m vor der Abzweigung den rechten Strassenrand verliess und nach links einspurte, gegen Art. 34 Abs. 1 SVG verstossen habe, kann dahingestellt bleiben; denn die Vorinstanz macht ihm deswegen keinen Vorwurf. Immerhin ist zu bemerken, dass die Vorschrift des Art. 13 Abs. 1 Satz 1 VRV, wonach frühzeitig einzuspuren ist, nicht heissen kann, der Fahrer müsse damit schon mehrere hundert Meter vor dem Abzweigen beginnen; das darf jedenfalls dann ![]() | 14 |
Demnach erkennt der Kassationshof:
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