BGE 94 IV 1 | |||
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1. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 22. März 1968 i.S. Flachsmann gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau. | |
Regeste |
Untauglicher Versuch zu falschem Zeugnis. |
2. Art. 307 Abs. 1 StGB. Falsche Zeugenaussage: Als Objekt der Handlung hat im Falle einer rogatorischen Einvernahme nicht nur der Richter, für den die Aussage bestimmt ist, sondern auch die Amtsperson zu gelten, welche den Zeugen abhört (Erw. b und c). | |
Sachverhalt | |
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Im Frühjahr 1967 erfuhr sein Anwalt, dass Flachsmann am 28. Juni 1965 nicht durch den Gerichtspräsidenten, sondern durch den Gerichtsschreiber einvernommen worden war. Der Verurteilte ersuchte daraufhin um Wiederaufnahme des Strafverfahrens.
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B.- Das Obergericht des Kantons Aargau wies das Gesuch am 12. Januar 1968 mit der Begründung ab, das Bezirksgericht Baden habe zwar gewusst, dass der Zeuge durch den Gerichtsschreiber einvernommen worden sei, dagegen habe es übersehen, dass eine solche Einvernahme nach dem kantonalen Prozessrecht ungültig sei; insofern liege eine neue Tatsache vor, die aber nicht zur Freisprechung des Gesuchstellers führen könne. Flachsmann sei bei seiner Einvernahme durch den Gerichtsschreiber keineswegs der Meinung gewesen, er stehe vor einer unzuständigen Amtsperson; subjektiv habe er vielmehr gehandelt wie jemand, der vor dem zuständigen Richter absichtlich falsch aussage, weshalb er auf jeden Fall wegen untauglichen Versuchs zu falschem Zeugnis zu bestrafen sei.
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C.- Flachsmann führt gegen das Urteil des Obergerichts Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, es aufzuheben und die Vorinstanz anzuweisen, ihm die Wiederaufnahme des Verfahrens zu bewilligen.
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D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
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Aus den Erwägungen: | |
Nach Art. 307 Abs. 1 StGB wird bestraft, wer in einem gerichtlichen Verfahren als Zeuge zur Sache falsch aussagt. Welche Amtspersonen im kantonalen Verfahren Zeugen einvernehmen dürfen und wer als Zeuge abgehört werden darf, bestimmt das kantonale Recht. Nach diesem beurteilt sich auch, welche Formen bei der Einvernahme eines Zeugen zu beachten sind und ob Zeugenaussagen, die unter Verletzung von Form- oder Zuständigkeitsvorschriften zustande kommen, als ungültig zu gelten haben. Ergibt sich, dass das kantonale Recht deswegen eine Aussage als ungültig erklärt, so liegt objektiv überhaupt kein Zeugnis, folglich auch keine strafbare Handlung im Sinne von Art. 307 StGB vor, wenn ein Zeuge falsch aussagt (vgl. BGE 69 IV 222, BGE 71 IV 43).
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Fragen kann sich nur, ob diesfalls wenigstens ein untauglicher Versuch zu einem falschen Zeugnis anzunehmen sei. Diese Frage wurde in den angeführten Entscheiden weder erörtert noch aufgeworfen. Sie wurde auch in den Urteilen BGE 80 IV 122 und BGE 85 IV 30, die andere Sachverhalte betrafen, nicht berührt; dort hatte der Kassationshof lediglich zu entscheiden, ob der Zeuge, der seine falsche Aussage vor Beendigung der Einvernahme zurücknimmt oder berichtigt, wegen Versuchs zu falschem Zeugnis zu bestrafen, Art. 21 StGB also anwendbar sei. Hier aber geht es um die Anwendung von Art. 23 Abs. 1 StGB.
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a) Nach dieser Bestimmung ist der Versuch untauglich, welcher an einem Gegenstand oder mit einem Mittel ausgeführt wird, an oder mit dem die Tat überhaupt nicht ausgeführt werden könnte. Damit sind Handlungen mit Mitteln oder an Objekten, die sich bloss unter den besonderen Umständen des Einzelfalles, nicht aber zum vorneherein als untauglich erweisen, von der Regel des Art. 23 StGB ausgeschlossen; sie sind als gewöhnliche Versuchshandlungen nach Art. 21 oder 22 StGB zu beurteilen (BGE 78 IV 147, BGE 80 IV 179). Von der Regel des Art. 23 auszunehmen sind ferner Handlungen, die den angestrebten Erfolg nicht wegen der Untauglichkeit des Tatmittels oder des Tatobjektes, sondern aus einem andern Grunde nicht herbeiführen können (BGE 70 IV 77 Erw. 1); sie sind strafrechtlich unerheblich und deshalb von den Versuchsvorschriften überhaupt ausgeschlossen. Das gilt insbesondere von der Begehung einer Tat durch ein untaugliches Subjekt. Wer z.B. als Zeuge falsch aussagt, nicht aber als solcher abgehört werden darf, kann nicht wegen untauglichen Versuchs bestraft werden, sondern bleibt straffrei.
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Die Begriffe des Tatmittels und Tatobjektes, die auf ältere Strafrechtslehren zurückgehen, sind weit auszulegen. Was darunter im Einzelfall zu verstehen ist, hängt von der versuchten Straftat und dem gesamten Vorgehen des Täters gegen das geschützte Rechtsgut ab. Fehlt das Angriffsobjekt, so ist Versuch an einem untauglichen Gegenstand anzunehmen (BGE 74 IV 66 Erw. 1). Zu beachten ist zudem, dass der untaugliche Versuch seiner subjektiven Merkmale wegen von Bedeutung ist. Der Täter wird bestraft, weil seine Tätigkeit nach seiner Vorstellung und nach seinem durch äusseres Verhalten deutlich bekundeten Willen einen verbrecherischen Erfolg haben soll, aus ihm unbekannten Gründen dazu aber nicht taugt (BGE 71 IV 211). Ob sein Irrtum sich auf die Beschaffenheit des Tatmittels, auf die tatsächliche oder rechtliche Tauglichkeit des Tatobjektes oder auf den Kausalzusammenhang bezieht, ist gleichgültig (vgl. insbes. GERMANN, Das Verbrechen im neuen Strafrecht, S. 19 und 66 ff.; SCHULTZ, Die versuchte strafbare Handlung, S. 23).
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b) Die falsche Zeugenaussage des Beschwerdeführers war für das Bezirksgericht Untertoggenburg bestimmt, das sich mit der Scheidungsklage der Frau X. zu befassen hatte. Als Angriffsobjekt im Sinne von Art. 23 Abs. 1 StGB kommt daher vor allem dieses Gericht in Frage, dessen Urteil der Beschwerdeführer zugunsten der Klägerin beeinflussen wollte. Dass das falsche Zeugnis mit der Beendigung der Aussage vollendet ist (BGE 69 IV 216, BGE 80 IV 123), seine Strafbarkeit folglich nicht davon abhängt, ob es den Ausgang des Prozesses irgendwie beeinflusse oder dem Sachrichter überhaupt bekannt wird, steht dem nicht entgegen. Mit Tatobjekt und Tatmittel sind stets bloss Voraussetzungen, nicht Folgen der Tat gemeint. Ob das Gesetz den verpönten Erfolg ausdrücklich als Tatbestandsmerkmal aufführt oder nicht, es sich um ein schlichtes Tätigkeitsdelikt oder um ein eigentliches Erfolgsdelikt handelt, ist daher für die Frage nach dem Tatobjekt nicht entscheidend.
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Als Objekt der Handlung kommt in Fällen, wie hier, aber auch die Amtsperson in Betracht, welche einen Zeugen auf ein Rechtshilfegesuch hin abzuhören hat. Ein pflichtbewusster Richter begnügt sich diesfalls nicht damit, dem Zeugen die im Gesuch enthaltenen Fragen zu stellen und die Antworten im Protokoll festzuhalten. Er gibt sich über die Glaubwürdigkeit des Zeugen vielmehr persönlich Rechenschaft, würdigt die Aussagen vorläufig und berücksichtigt den dabei gewonnenen Eindruck bei weiteren Fragen. Die Tätigkeit des Zeugen, der wie der Beschwerdeführer falsch aussagt, um eine Prozesspartei zu begünstigen, richtet sich daher nicht nur gegen den Sachrichter, sondern auch gegen den Einvernehmenden. Bei einem Gericht, das aus mehreren Richtern besteht, die Einvernahme von Zeugen aber einem davon überlässt, verhält es sich übrigens nicht anders. Im einen wie im andern Falle täuscht der Zeuge mit falschen Aussagen notwendigerweise auch die Person, die ihn abhört. Es besteht kein sachlicher Grund, solche Fälle unter schuldstrafrechtlichen Gesichtspunkten verschieden zu behandeln.
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c) Nach dem angefochtenen Urteil hat der Beschwerdeführer absichtlich als Zeuge falsch ausgesagt. Laut seinen eigenen Angaben hatte er es zudem darauf abgesehen, das Bezirksgericht Untertoggenburg und damit auch das Bezirksgericht Baden, welches die Einvernahme durchzuführen hatte, über seine Beziehungen zu Frau X. zu täuschen. Seine Aussage war ungültig, weil er durch eine Person abgehört wurde, die dazu nach dem in Frage stehenden Verfahrensrecht nicht befugt war. Er wusste das zur Zeit der Einvernahme nicht, sondern sagte aus, wie wenn er vor einem zuständigen Richter stände. Nach den vorstehenden Ausführungen bezog sich sein Irrtum somit bloss auf die rechtliche Tauglichkeit des unmittelbaren Objektes seiner Handlung. Trifft dies aber zu, so wirft ihm das Obergericht mit Recht vor, sich des untauglichen Versuches zu falschem Zeugnis schuldig gemacht zu haben.
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