BGE 94 IV 43 | |||
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11. Urteil des Kassationshofes vom 4. Juni 1968 i.S. Wichser gegen Gemeinderat Rüti und Polizeigericht des Kantons Glarus. | |
Regeste |
Art. 268 Ziff. 1 Satz 2 BStP. | |
Sachverhalt | |
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B.- Wichser führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
Das Polizeigericht hat als erste kantonale Instanz und zudem als unteres Gericht im Sinne von Art. 268 Ziff. 1 Satz 2 BStP entschieden. Sein Urteil kann daher nach dieser Bestimmung nicht mit der Nichtigkeitsbeschwerde ans Bundesgericht weitergezogen werden. Dass dem Urteil des Polizeigerichts eine Strafverfügung des Gerichtspräsidenten vorausgegangen ist, ändert daran nichts. Die Strafverfügung wird im abgekürzten Verfahren erlassen und erlangt - gleich wie in anderen Kantonen der Strafbefehl oder das Strafmandat - bloss dann die Bedeutung eines Urteils, wenn der Beschuldigte sich dem Entscheid des Einzelrichters unterzieht (§ 181 Abs. 2 StPO). Verlangt er dagegen innert zehn Tagen Beurteilung durch das Polizeigericht, so hat die Strafverfügung als nicht erlassen zu gelten; sie fällt als Urteilsspruch dahin, mit der Folge, dass das ordentliche Verfahren eröffnet wird und das Polizeigericht, das ohne Erlass der Strafverfügung zuständig gewesen wäre, sich nun mit der Sache zu befassen hat (§ 182 StPO). Das Verfahren vor dem Einzelrichter ist somit kein erstinstanzliches, noch ist die Strafverfügung im Falle der Einsprache ein Urteil erster Instanz (vgl. BGE 92 IV 161; WAIBLINGER, ZBJV 91 S. 87 und 93 S. 355).
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Das entspricht auch dem Sinn und Zweck des Art. 268 Ziff. 1 Satz 2 BStP. Diese Bestimmung ist im Jahre 1965 erlassen worden, damit Strafurteile unterer Gerichte nicht mehr, wie bisher, unter Ausschaltung einer zweiten kantonalen Instanz direkt beim Bundesgericht angefochten werden können (BGE 92 IV 54). Solchen Urteilen gehen aber sehr oft Strafverfügungen voraus, die, wenn sie als Urteile erster Instanz anzusehen wären, den Zweck der Novelle in all diesen Fällen vereiteln würden. In der parlamentarischen Beratung war man sich denn auch klar darüber, dass die neue Bestimmung nicht in diesem Sinne aufzufassen ist (StenBull NR 1965 S. 286, Votum Bachmann). Dass verschiedene Kantone gezwungen sind, Verfahrensbestimmungen abzuändern, ist dem Gesetzgeber nicht entgangen; er hielt dies im Interesse eines vollständigen Rechtsschutzes und zur Behebung eines Zustandes, der dem Aufbau der kantonalen und eidgenössischen Gerichtsorganisation grundsätzlich widersprach, vielmehr für notwendig (vgl. Botschaft zur Novelle, BBl 1964 II 891).
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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