BGE 94 IV 77 | |||
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21. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 3. Juli 1968 i.S. Kenzelmann gegen Staatsanwaltschaft Oberwallis. | |
Regeste |
Art. 34 Abs. 3 SVG, Art. 13 Abs. 5 VRV. |
2. Pflichtwidriges Verhalten eines Lastwagenführers, der auf einer dreispurigen Hauptstrasse nach rechts in einen Feldweg abbiegen wollte, trotz nachfolgender Fahrzeuge aber schon 70 bis 100 m vor der Abzweigung nach links auszuholen begann (Erw. 1 b und c). | |
Sachverhalt | |
A.- Kenzelmann führte am 21. Juni 1966 um 10.30 Uhr einen Saurer-Lastwagen auf der Kantonsstrasse von Visp in Richtung Raron. In der Ebene "Grosseye", wo die 10,6 m breite Strasse durch Leitlinien in drei gleiche Fahrspuren eingeteilt ist und mehrere Kilometer weit gerade verläuft, wollte er nach rechts in einen Feldweg abbiegen.
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Kenzelmann wusste, dass der Feldweg mit einer schmalen Brücke begann und er deswegen vor dem Abbiegen nach der Gegenseite ausholen musste. Auch sah er durch den Rückspiegel, dass ihm ein Personenwagen, der von Armin Walther gesteuert war, in einem Abstand von etwa 200 m folgte. Kenzelmann setzte zunächst seine Geschwindigkeit von 60 auf 30 km/Std herab, betätigte den linken Blinker und wechselte dann, als er noch mindestens 70-100 m von der Abzweigung entfernt war, von der rechten auf die mittlere Fahrspur hinüber. Auf dieser schaltete er das rechte Blinklicht ein und fuhr bis unmittelbar vor die Abzweigung, wo er anhielt.
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Unterdessen hatte Walther aufgeholt. Er wagte angesichts des Manövers, das Kenzelmann nach dem rechten Blinklicht vorhatte, nicht vorzufahren, sondern hielt sein Fahrzeug hinter dem Lastwagen auf der rechten Fahrspur an. Als er dann aber einen andern Personenwagen, der von André Pont geführt war, hinter sich "heranbrausen" sah und die Gefahr eines Unfalles erkannte, fuhr er rechts am Lastwagen vorbei. Pont dagegen fuhr über die mittlere in die linke Fahrspur hinaus und wollte den Lastwagen, der immer noch mit dem rechten Richtungsanzeiger blinkend in der Strassenmitte stillstand, mit grosser Geschwindigkeit links überholen. Etwa 8 m nach dem Lastwagen prallte er frontal mit einem schweren Kühlwagen zusammen, der mit 70-75 km/Std von Raron her kam. Pont wurde auf der Stelle getötet, sein Fahrzeug völlig zertrümmert und gegen den Lastwagen zurückgeworfen.
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B.- Kenzelmann wurde der fahrlässigen Tötung und der Verletzung von Verkehrsregeln angeklagt.
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Das Kreisgericht Oberwallis sprach ihn frei. Das Kantonsgericht Wallis dagegen erklärte den Angeklagten am 14. Mai 1968 der fahrlässigen Tötung (Art. 117 StGB) sowie der fahrlässigen Störung des öffentlichen Verkehrs (Art. 237 Ziff. 2 StGB) schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 200.--.
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Aus den Erwägungen: | |
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b) Dieser Pflicht zu besonderer Vorsicht hat der Beschwerdeführer nicht genügt. Entgegen der Auffassung des Kantonsgerichts kann Kenzelmann zwar daraus, dass er die ganze mittlere Spur zum Ausholen benutzte, kaum ein Vorwurf gemacht werden. Nach den von der Polizei angestellten Versuchen, auf welche die Vorinstanz verweist, musste der Beschwerdeführer sich mit dem Lastwagen mindestens 2,5 m vom rechten Strassenrand entfernen, um bei einer Geschwindigkeit von 3-4 km/Std überhaupt auf die schmale Brücke einbiegen zu können. Bei solchen Verhältnissen muss gerade einem Lastwagenführer ein gewisser Spielraum eingeräumt werden; er darf das Ausholen nicht zu knapp bemessen, will er den damit verfolgten Zweck nicht verfehlen. Selbst wenn Kenzelmann nur einen Meter weiter ausholte, als unbedingt erforderlich war, befand er sich aber schon mit seinem ganzen Fahrzeug auf der mittleren Bahn.
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Dagegen wirft das Kantonsgericht dem Beschwerdeführer mit Recht vor, er habe vorzeitig nach links gehalten. Kenzelmann hat nicht bloss gesehen, dass ihm ein Personenwagen folgte; nach seinem Verhalten hat er offensichtlich auch damit gerechnet, dass andere Fahrzeuge ihn noch vor der Abzweigung überholen könnten. Gleichwohl schwenkte er nach der verbindlichen Feststellung des Kantonsgerichts bereits 70-100 m vor dem Feldweg auf die Überholspur ein. Dadurch hat er auf den nachfolgenden Verkehr nicht pflichtgemäss Rücksicht genommen. Die Verkehrssicherheit gebot, dass er nicht früher ausholte, als zum Einbiegen in den Feldweg nötig war, und dass er mit dem Manöver zudem erst begann, nachdem er sich vergewissert hatte, den Längsverkehr nicht zu stören. Solcher Meinung hätte er aber frühestens nach der Durchfahrt der beiden nachfolgenden Wagen sein können. Solange hatte Kenzelmann auf der rechten Spur zu verbleiben, nötigenfalls also dort einen Sicherheitshalt einzuschalten.
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c) Dass er den unmittelbar folgenden Fahrzeugen die rechte Spur zur Durchfahrt freilassen wollte, hilft ihm nicht. Da er das rechte Blinklicht eingeschaltet hatte, durften die nachfolgenden Fahrer von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch machen. Sie mussten aus dem Blinkzeichen vielmehr schliessen, dass der Lastwagenführer nach rechts halten wolle und dass sie sich deshalb der Gefahr eines Zusammenstosses aussetzten, wenn sie auf der rechten Spur weiterfuhren. Walther hat deswegen denn auch angehalten, als er das Zeichen sah; er hat sich darüber erst hinweggesetzt und ist weitergefahren, als er hinter sich mit grosser Geschwindigkeit den Wagen des Pont herannahen sah, worin er eine noch grössere Gefahr erblickte.
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Ebensowenig hilft dem Beschwerdeführer, dass der Fahrer das Rechtsabbiegen nach vorherigem Ausholen rechtzeitig anzukündigen hat (BGE 91 IV 19 Erw. a). Das heisst nicht, dass er auf dreispurigen Strassen die mittlere Bahn 70-100 m weit besetzen und zudem noch die rechte durch Blinken mit dem Richtungsanzeiger sperren dürfe. Kenzelmann hätte sein gefährliches Manöver schon mit Rücksicht auf die hohen Geschwindigkeiten, welche die Strasse dem durchgehenden Verkehr erlaubte, auf eine möglichst kurze Strecke beschränken müssen. Sein Vorgehen lässt sich auch nicht damit rechtfertigen, dass auf dreispurigen Strassen die mittlere Bahn zum Einspuren benutzt werden darf (Art. 13 Abs. 2 VRV). Selbst diese Benutzung ist nur mit der gebotenen Vorsicht gestattet. Das bedeutet, dass auf die mittlere Bahn nicht mehr eingespurt werden darf, wenn dadurch ein anderes Fahrzeug, das sich auf dieser Bahn von hinten oder vorne nähert, gefährdet werden könnte. Umsoweniger kann bei einem so ungewöhnlichen und verwirrlichen Manöver, wie es das Ausholen nach links darstellt, dem Fahrer gestattet werden, dass er die Überholspur trotz nachfolgender Fahrzeuge für sich beansprucht.
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3. (Folgen Ausführungen darüber, dass die Gefährdung der allgemeinen Verkehrssicherheit und die konkrete Gefährdung von Pont durch die Bestrafung wegen fahrlässiger Tötung abgegolten sind, dass eine Verurteilung nach Art. 90 Ziff. 2 SVG ausser Betracht fällt, da dem Beschwerdeführer kein grob verkehrswidriges Verhalten vorgeworfen werden kann, und dass die Vorinstanz den Angeklagten zu Unrecht auch wegen fahrlässiger Störung des öffentlichen Verkehrs verurteilt hat, das angefochtene Urteil deswegen aber nicht aufgehoben zu werden braucht, weil die irrtümliche Verurteilung nach Art. 237 Ziff. 2 StGB die Höhe der Busse nicht beeinflusste.)
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