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Informationen zum Dokument  BGE 94 IV 124  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Der Kassationshof zieht in Erwägung:
1. Art. 35 Abs. 7 Satz 2 SVG verbietet dem Fahrer, die Geschwindi ...
2. Für die Auffassung der Beschwerdeführerin, auf Stras ...
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33. Urteil des Kassationshofes vom 11. Oktober 1968 i.S. Schneider gegen Generalprokurator des Kantons Bern.
 
 
Regeste
 
Art. 35 Abs. 7 SVG, Art. 8 Abs. 3 VRV.  
2. Sind die Voraussetzungen zum Überholen gegeben, so ist auch die Voraussetzung für das Verlassen des Fahrstreifens nach Art. 44 SVG erfüllt (Erw. 2).  
 
Sachverhalt
 
BGE 94 IV, 124 (124)A.- Paula Schneider steuerte am 6. August 1967 nachmittags einen "Austin"-Sportwagen auf der Autobahn von Bern Richtung Oensingen. Vor ihr fuhr ein Wagen der Autobahnpolizei, dessen Führer die Autobahn in Schönbühl verlassen BGE 94 IV, 124 (125)wollte und zu diesem Zwecke die Geschwindigkeit gegen die Ausfahrt hin herabsetzte. Als der Polizeiwagen abzweigte, beschleunigte Paula Schneider die Geschwindigkeit auf dem rechten Fahrstreifen, obschon ein anderer Personenwagen soeben im Begriffe war, sie auf dem linken Streifen zu überholen. Der Lenker dieses Fahrzeuges, Eduard Mühlemann, musste daraufhin das Überholmanöver abbrechen und wieder hinter den Sportwagen einbiegen.
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B.- Der Gerichtspräsident von Fraubrunnen verurteilte Paula Schneider am 20. November 1967 wegen Verletzung von Art. 35 Abs. 7 SVG zu einer bei Bewährung nach einem Jahr löschbaren Busse von Fr. 80.-. Er warf ihr vor, die Fahrt während des Überholmanövers Mühlemanns beschleunigt zu haben.
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Das Obergericht des Kantons Bern, an das die Verurteilte appellierte, bestätigte am 14. Mai 1968 dieses Urteil.
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C.- Paula Schneider führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung. Sie macht geltend, das Obergericht habe Art. 39 und 44 SVG sowie insbesondere Art. 8 Abs. 3 erster Satz VRV verkannt und Art. 35 Abs. 7 SVG zu Unrecht angewendet.
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D.- Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung:
 
1. Art. 35 Abs. 7 Satz 2 SVG verbietet dem Fahrer, die Geschwindigkeit zu erhöhen, wenn er überholt wird. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Vorinstanz stellt gestützt auf Zeugenaussagen fest, dass das Fahrzeug Mühlemanns sich bereits auf gleicher Höhe wie der Sportwagen befand, diesem sogar etwas voraus war, als Paula Schneider die Fahrt beschleunigte. Es ist der Beschwerdeführerin nach ihren eigenen Aussagen denn auch nicht entgangen, dass der nachfolgende Wagen einen Augenblick neben dem ihren auftauchte. Danach kann ihr der Vorwurf aber nicht erspart bleiben, sie habe sich durch Beschleunigung der Geschwindigkeit über das angeführte Verbot des Art. 35 Abs. 7 SVG hinweggesetzt. Die Beschwerdeführerin hält dem freilich entgegen, ihre Fahrweise sei nicht nach dieser Bestimmung, sondern nach Art. 8 Abs. 3 VRV zu beurteilen, der dem Fahrer unter Umständen wie den vorliegenden ausrücklich gestatte, rechts an andern Fahrzeugen vorbeizufahren.
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BGE 94 IV, 124 (126)Art. 8 Abs. 3 VRV bestimmt in der Tat, dass der Fahrer auf Strassen mit mehreren Fahrstreifen oder beim Verkehr in parallelen Kolonnen rechts an andern Fahrzeugen vorbeifahren darf, wenn sie nicht halten, um Fussgängern den Vortritt zu lassen. Diese Ausführungsvorschrift hat indes keineswegs den allgemeinen Sinn, auf den ihr Wortlaut schliessen liesse. Wie abwegig die Auffassung der Beschwerdeführerin ist, erhellt schon aus den Folgen, die sich daraus ergäben. Dürfte der Fahrer auf allen Strassen mit mehreren Fahrstreifen rechts an andern Fahrzeugen vorbeifahren, so würde das bedeuten, dass diese andern Fahrzeuge ihrerseits berechtigt wären, fortlaufend auf dem linken Streifen zu fahren. So verhält es sich jedoch nicht.
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Nach Art. 34 Abs. 1 SVG muss vielmehr rechts gefahren werden. Dieser Grundregel entsprechend schreibt Art. 8 Abs. 1 VRV für den Verkehr auf Strassen mit mehreren Fahrstreifen vor, dass die Fahrzeugführer, ausser beim Überholen, Einspuren und beim Fahren in parallelen Kolonnen, den äussersten Streifen rechts zu benützen haben. Dem Gebot des Rechtsfahrens entspricht zudem, dass der Führer gemäss Art. 10 Abs. 2 VRV nach dem Überholen wieder einzubiegen hat, sobald für den überholten Strassenbenützer keine Gefahr mehr besteht. Diese Regelung gilt, wie der Kassationshof im Falle Despland entschieden hat (BGE 93 IV 120), auch für den Verkehr auf Autobahnen, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob das überholte Fahrzeug im Sinne von Art. 36 Abs. 5 VRV langsam fährt. Trifft das aber zu, so hat der Überholte auf Strassen mit zwei Fahrstreifen, seien es Autobahnen oder andere Strassen, die Vorschriften des Art. 35 Abs. 7 SVG ebenfalls zu beachten. Er muss folglich dem Überholenden die Strasse freigeben und darf, während er überholt wird, seine Geschwindigkeit nicht erhöhen. Das schliesst aus, dass Art. 8 Abs. 3 VRV auf Fälle wie den vorliegenden, wo das Fahrzeug auf dem linken Streifen diesen zum Überholen benützte, Anwendung findet.
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Diese Bestimmung kann sich vernünftigerweise nur auf Verkehrsverhältnisse beziehen, bei denen das Linksfahren gleich wie beim parallelen Kolonnenverkehr gestattet ist. Das ist vor allem der Fall beim Einspuren. Ein Fahrzeug, das nach links abbiegen will, hat gegen die Strassenmitte zu halten, von zwei Fahrstreifen also den linken zu wählen (Art. 36 Abs. 1 SVG, 13 Abs. 1 VRV) und darf von einem nachfolgenden nur noch rechts überholt werden (Art. 35 Abs. 6 SVG). Genau besehen BGE 94 IV, 124 (127)handelt es sich dabei denn auch nicht um ein eigentliches Überholen durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen, sondern um ein ohne Fahrspurwechsel vollzogenes Vorbeifahren an einem nach links eingespurten Fahrzeug.
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2. Für die Auffassung der Beschwerdeführerin, auf Strassen mit mehreren Fahrstreifen dürfe an Fahrzeugen, die im Überholen begriffen sind, rechts vorbeigefahren werden, lässt sich auch aus Art. 44 Abs. 1 SVG nichts ableiten. Dass der Fahrer auf solchen Strassen seinen Streifen nur verlassen darf, wenn er dadurch den übrigen Verkehr nicht gefährdet, heisst nicht, ein Fahrzeug, das einem andern auf dem äussersten Streifen rechts folgt, dürfe dieses überhaupt nicht überholen. Wenn der nötige Raum frei und übersichtlich ist, weder der Gegenverkehr noch nachfolgende Fahrzeuge behindert werden, wie das Gesetz dies für das Überholen verlangt (Art. 34 Abs. 3, 35 Abs. 2), so ist auch die Voraussetzung für das Verlassen des Fahrstreifens nach Art. 44 SVG erfüllt, das hintere Fahrzeug folglich berechtigt, das vordere auf dem linken Streifen zu überholen. Dann aber darf der Überholte das Manöver nicht erschweren oder gar verunmöglichen, sondern muss seinerseits die ihm gemäss Art. 35 Abs. 7 SVG obliegende Rücksicht walten lassen. Die Verkehrsordnung kann nicht dem nachfolgenden Fahrzeug das Überholen und gleichzeitig dem vordern das Rechtsvorbeifahren am Überholenden gestatten, wäre doch eine solche Konkurrenz von Fahrberechtigungen eine ständige Quelle grosser Gefahren. Dass nach Art. 35 Abs. 3 auch der Überholende auf diejenigen, die er überholt, besonders Rücksicht zu nehmen hat, ändert daran nichts.
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Dass Mühlemann seine Absicht, vor ihr wieder einzubiegen, nicht gemäss Art. 39 Abs. 1 lit. a SVG bekanntgegeben hat, befreit die Beschwerdeführerin nicht. Sie übersieht, dass das Wiedereinbiegen nach dem Überholen nicht angezeigt werden muss (Art. 10 Abs. 2 Satz 2 VRV). Ebensowenig hilft ihr, dass sie die Geschwindigkeit wegen des Polizeiwagens herabsetzen musste und Mühlemann sie bei dieser Gelegenheit überholen wollte. Das Rechtsvorbeifahren ist auch dann unzulässig, wenn der Führer die Fahrt vorübergehend verlangsamen muss, gleichviel aus welchem Grunde, und dann wieder die frühere Geschwindigkeit erreichen will. Wollte man es deswegen zulassen, so würde eine mit den Verkehrserfordernissen nicht vereinbare Unsicherheit geschaffen, zumal der Überholende oft nicht wissen BGE 94 IV, 124 (128)kann, ob und aus welchem Grunde der zu Überholende vorher schneller gefahren ist. Gewiss steht es diesem unter den allgemeinen Voraussetzungen frei, nachher seinerseits wieder den andern zu überholen. Aber diese voraussichtliche Abfolge gegenseitigen Überholens enthebt ihn nicht der Pflicht, sich zunächst selber an die Vorschriften des Art. 35 Abs. 7 SVG zu halten.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
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