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22. Urteil des Kassationshofes vom 18. August 1969 i.S Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen Huber. | |
Regeste |
Überholen. |
2. Art. 8 Abs. 3 und 36 Abs. 5 VR V. Auf der Autobahn ist das Rechtsüberholen auch dann verboten, wenn der Vorausfahrende den linken Fahrstreifen nicht freigibt (Erw. 2). |
3. Art. 90Ziff. 2 SVG. Fall einer groben Missachtung des Verbotes, rechts zu überholen (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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Siegwart erstattete gegen Huber Strafanzeige. Er erklärte, er sei schon vor Horgen mit der dort signalisierten Höchstgeschwindigkeit von 100 km/Std gefahren und habe diese auch beim Überholen des Lastzuges beibehalten. Huber bestritt, vor oder während des Überholmanövers eine höhere Geschwindigkeit gehabt zu haben; er hielt der Anzeige zudem entgegen, Siegwart sei hartnäckig links gefahren und habe ihm die linke Spur nicht freigegeben. Laut seinen ersten Aussagen war Huber zwischen 100 und 150, nach den spätern Angaben zwischen 100 und 250 m vom Lastwagen entfernt, als er dem "Peugeot"-Wagen rechts vorfuhr.
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B.- Beide Personenwagenführer wurden der groben Verletzung von Verkehrsregeln angeklagt, Huber weil er den "Peugeot" rechts überholt, Siegwart weil er die Fahrt trotz dem unmittelbar folgenden "Volvo" mit links gestelltem Blinker auf der linken Spur fortgesetzt habe.
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Das Bezirksgericht Horgen erklärte Huber am 18. September 1968 im Sinne der Anklage schuldig und verurteilte ihn in Anwendung von Art. 90 Ziff. 2 SVG zu 600 Franken Busse. Siegwart sprach es frei. Das Bezirksgericht nahm an, Siegwart habe beim Überholen des Lastzuges wohl übervorsichtig gehandelt; es sei aber in keiner Weise erwiesen, dass er den Angeklagten Huber vor dem Wiedereinbiegen habe behindern wollen.
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C.- Auf Berufung des Verurteilten sprach das Obergericht des Kantons Zürich Huber am 27. März 1969 ebenfalls frei.
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Das Obergericht begründet den Freispruch vor allem damit, Überholen im Sinne des SVG bedeute stets ein Ausschwenken und Wiedereinbiegen in der Absicht, ein auf gleicher Fahrbahn langsamer fahrendes Fahrzeug hinter sich zu lassen; dadurch unterscheide sich das Überholen vom blossen Vorbeifahren.
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D.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts aufzuheben und die Sache zur Bestrafung des Angeklagten Huber nach Art. 90 Ziff. 2 SVG an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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E.- Huber beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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Dieser Begriff des Überholens lag schon dem alten Recht zugrunde, und das neue hat daran nichts geändert (s. Komm. STREBEL, N. 21 zu Art. 26 MFG; Komm. BADERTSCHER/SCHLEGEL ![]() | 11 |
Indem Huber dem "Peugeot"-Wagen rechts vorfuhr, hat er daher ein anderes Fahrzeug im Sinne des Gesetzes überholt.
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a) Nach Art. 36 Abs. 5 Satz 2 VRV ist auf Autobahnen und Autostrassen das Rechtsüberholen durch Ausschwenken und Wiedereinbiegen verboten. Der Umkehrschluss aus dieser Bestimmung würde in der Tat ergeben, dass auf Autobahnen und Autostrassen das ohne Spurwechsel vollzogene Rechtsüberholen erlaubt sei. Eine derart verkappte Regelung einer so wichtigen Frage widerspräche indes schon den Anforderungen, die an eine klare Verkehrsordnung gestellt werden müssen. Wie in BGE 93 IV 121 ausgeführt worden ist, war nach der Entstehungsgeschichte ![]() | 14 |
Art. 8 Abs. 3 VRV sodann hat keineswegs den allgemeinen Sinn, auf den sein Wortlaut schliessen liesse (BGE 94 IV 126). Gewiss sind Autobahnen "Strassen mit mehreren Fahrstreifen". Sie weisen für jede der beiden Richtungen getrennte Fahrbahnen auf, die in der Regel, wie das bei der Autobahn N 3 der Fall ist, in zwei Fahrstreifen unterteilt sind. Auch sind unter Fahrstreifen entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft markierte Fahrspuren überhaupt, nicht nur Einspurstrecken zu verstehen, die als solche gekennzeichnet sind. Der Begriff der Fahrspur ist lediglich weiter als derjenige des Fahrstreifens, was in den Verordnungen freilich nicht klar zum Ausdruck kommt (vgl. insbes. Art. 1 Abs 5, 11 Abs. 1 und 13 Abs. 2 VRV, Art. 52 Abs. 2 und 3 sowie Art. 53 Abs. 1 SSV).
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Das blosse Vorhandensein mehrerer Fahrstreifen berechtigt einen Fahrer jedoch nicht, ein auf dem linken Streifen in gleicher Richtung verkehrendes Fahrzeug rechtsseits zu überholen. Wollte man der gegenteiligen Auffassung des Obergerichts folgen, so müsste auf Strassen mit mehreren Fahrstreifen das Linksfahren ebenso allgemein erlaubt sein. Damit aber würde die gesetzliche Ordnung, wonach Fahrzeuge grundsätzlich rechts fahren müssen und nur links überholen dürfen, in ihr Gegenteil verkehrt. Das widerspräche zudem dem Sinn und Zweck der in Art. 8 Abs. 1 und 3 VRV enthaltenen Ausführungsvorschriften. Aus dem Vergleich dieser Vorschriften erhellt, dass das Rechtsüberholen nur erlaubt sein kann, wo gleichzeitig dem zu Überholenden das Linksfahren gestattet oder vorgeschrieben ist, der Rechtsüberholende also annehmen kann, der Linksfahrende werde seine Fahrtrichtung beibehalten. Das ist insbesondere der Fall beim Fahren in parallelen Kolonnen. Doppelkolonnen können und dürfen sich bei dichtem Verkehr und genügendem Raum (Art. 8 Abs. 2 VRV) vor allem in Städten bilden. Diesfalls darf die rechte Kolonne an ![]() | 16 |
b) Auf Autobahnen das Gebot des Linksüberholens zu lockern, wäre entgegen der Auffassung der Vorinstanz auch nicht zu verantworten. Mit Rücksicht auf die hohen Geschwindigkeiten, mit denen Autobahnen befahren werden, ist auf solchen Strassen schon das Wechseln des Fahrstreifens zum Linksüberholen mit erheblichen Gefahren verbunden, zumal oft unvorsichtig ausgeschwenkt und unnütz überholt wird. Diese Gefahren würden aber in nicht zu rechtfertigender Weise erhöht, wenn ein Fahrer ein langsameres Fahrzeug auf dem rechten Streifen links und ein solches auf dem linken Streifen rechts überholen dürfte, wie das hier geschehen ist. Wieso solche Schlängelfahrten dem Verkehr auf Autobahnen gerecht werden sollen, ist nicht zu verstehen, sind sie doch sehr geeignet, Unsicherheit und Verwirrung zu schaffen. Der Linksüberholende müsste jederzeit damit rechnen, beim Wiedereinschwenken gestört zu werden, und der Rechtsüberholende hätte keine Gewähr dafür, dass der Linksfahrende nicht plötzlich wieder vor ihm nach rechts einbiegen werde.
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Die Vorinstanz meint freilich, die besondere Vorsichtspflicht treffe in solchen Fällen den Führer, der den Streifen wechseln wolle, also den Vordermann. Gewiss muss auch der Fahrer, der nach dem Überholen wieder nach rechts einschwenken will, auf nachfolgende Fahrzeuge Rücksicht nehmen. Die Beobachtung nach hinten ist ihm aber nur beschränkt möglich. Um ihm das Wiedereinbiegen zu erleichtern, darf der Überholte die Geschwindigkeit denn auch nicht erhöhen (Art. 35 Abs. 7 Satz 2 SVG). Umso unverständlicher wäre es, wenn einem andern Fahrer gestattet würde, sich vor den Überholten zu setzen, um das zu tun, was diesem ausdrücklich verboten ist.
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Zu bedenken ist ferner, dass der Verkehr in hohem Masse an klaren und einfachen Regeln interessiert ist, die Beachtung wichtiger Grundregeln aber ins freie Ermessen des einzelnen ![]() | 19 |
c) Die Schweiz stünde übrigens mit der vom Obergericht befürworteten Regelung offensichtlich allein da, was für den internationalen Verkehr höchst unerwünscht wäre. In der Deutschen Bundesrepublik, die auf diesem Gebiet viel Erfahrung hat, ist das Rechtsüberholen auf der Autobahn grundsätzlich verboten. Das gilt auch für den Fall, dass auf der Überholspur eine Kolonne und rechts nur einzelne Fahrzeuge verkehren. Ausnahmen sind nur zugelassen, wenn auf beiden Fahrstreifen Kolonnenverkehr herrscht und selbst dann ist das Rechtsüberholen nur innerhalb eng gezogener Grenzen gestattet (Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen, Bd. 12 S. 258, sowie dessen Beschluss vom 3. Mai 1968, abgedruckt in der Zeitschrift "Deutsches Autorecht" 1968 S. 248).
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Die belgische, französische und italienische Strassenverkehrsordnung nehmen Autobahnen und Autostrassen vom Gebot ![]() | 21 |
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Wie es sich damit genau verhält, kann indes offen bleiben, da dem Angeklagten Huber der Vorwurf der groben Verletzung einer wichtigen Verkehrsregel selbst dann nicht erspart bleibt, wenn Siegwart die Überholspur zu lange für sich beansprucht haben sollte. Huber hat spätestens auf der Höhe des Lastzuges damit begonnen, Siegwart mit den Scheinwerfern zur Freigabe der linken Spur zu veranlassen. Schon das zeigt, wie sehr er nach vorne drängte. In 100 m Entfernung vom Lastwagen wechselte er sodann die Spur, aber nicht, wie das Obergericht ihm zugute hält, weil er pflichtgemäss einbiegen wollte, sondern um die Geschwindigkeit weiter zu erhöhen und den "Peugeot" rechts zu überholen. Solches Gebaren verdient keine Nachsicht. Huber hatte keinerlei Gewähr dafür, dass Siegwart ihn durchlassen werde; er musste im Gegenteil jederzeit mit dessen Wiedereinbiegen rechnen. Dies gilt umsomehr, als er ihn dazu aufforderte und ihm durch das wiederholte Blinken die Beobachtung nach hinten erschwerte. Dass der "Peugeot" immer ![]() | 23 |
Sein Verschulden lässt sich ebenfalls nicht verharmlosen. Huber hat nach eigenen Aussagen in der Untersuchung genau gewusst, dass das Rechtsüberholen auf Autobahnen verboten ist. Er hat somit nicht bloss rücksichtslos und verwegen vorwärtsgedrängt, sondern sich über die wichtige Verkehrsverpflichtung, nur links zu überholen, auch bewusst hinweggesetzt. Für solches Verhalten ist eine Bestrafung nach Art. 90 Ziff. 2 SVG die einzig richtige Sühne.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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