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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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23. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 28. Mai 1971 i.S. Schweizerische Bundesanwaltschaft und Generalprokurator des Kantons Bern gegen Marti. | |
Regeste |
Art. 204 Ziff. 3 StGB. |
b) Der Film "Das geheime Sexleben von Romeo und Julia" in der Fassung, die in Bern gezeigt wurde, ist unzüchtig. | |
Sachverhalt | |
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Der Film wurde am 27. Januar 1970 beschlagnahmt.
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Dieser Entscheid wurde am 22. Januar 1971 vom Obergericht des Kantons Bern bestätigt.
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C.- Die Schweizerische Bundesanwaltschaft und der Generalprokurator des Kantons Bern führen Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie die Einziehung und Vernichtung des Films "Das geheime Sexleben von Romeo und Julia" in Anwendung von Art. 204 Ziff. 3 und 58 StGB anordne.
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D.- Marti trägt auf Abweisung der Beschwerde an.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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a) Nach Art. 204 Ziff. 3 StGB hat der Richter unzüchtige Gegenstände, zu denen gemäss Ziff. 1 der genannten Bestimmung unter anderem unzüchtige Filme zählen, in jedem Falle zu vernichten, unbekümmert um die Strafbarkeit einer bestimmten Person (BGE 77 IV 19). Da eine solche Massnahme ohne vorgängige Einziehung des unzüchtigen Gegenstandes nicht denkbar wäre, ist die Verpflichtung des Richters zur vorgängigen Einziehung in dem in Art. 204 Ziff. 3 StGB ausgesprochenen Gebot der Vernichtung enthalten, ohne dass dafür zusätzlich Art. 58 Abs. 1 StGB beigezogen werden müsste.
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b) Voraussetzung für die Einziehung und Vernichtung eines Filmes ist nach Art. 204 Ziff. 3 StGB der unzüchtige Charakter desselben. Im vorliegenden Falle hat das Obergericht diesen verneint. Zwar stellt auch seiner Meinung nach der Film "Das geheime Sexleben von Romeo und Julia" ein geschmackloses und ordinäres Machwerk dar, das an die niederen Instinkte des Menschen appelliert. Die Vorinstanz hielt jedoch dafür, dass im Lichte der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtes (BGE 96 IV 68), welche die unzweifelhaft eingetretenen Wandlungen ![]() | 10 |
In dem von der Vorinstanz angerufenen Entscheid hat der Kassationshof in der Tat festgestellt, dass die zeitbedingten Anschauungen der Allgemeinheit über Moral und Sitte sich in der jüngsten Vergangenheit geändert haben und dass in Sexualfragen eine versachlichte und natürliche Betrachtungsweise Platz gegriffen hat. Dass diesem Wandel in der Einstellung zur Sexualität auch vom Strafrichter Rechnung zu tragen ist, besagt indessen nicht, dass die deswegen gebotene Zurückhaltung in der Beurteilung geschlechtlicher Darstellungen, die nicht eigentlich pornographischer Natur sind, soweit gehen muss, dass in diesem Bereich praktisch überhaupt kein Raum mehr ist für die Anwendung von Art. 204 StGB. Das war denn auch nicht der Sinn der zitierten Erwägung des vorgenannten bundesgerichtlichen Urteils. Vielmehr wurde in diesem ausdrücklich festgehalten, dass eine realistische, freie und unbeschönigende Darstellung von Beischlafsszenen mit der vereinzelten Zurschaustellung der nackten Körper der Beteiligten, auch wenn deren Genitalien nicht sichtbar sind, zumindest höchst gewagt erscheine. Wenn im damals beurteilten Fall der unzüchtige Charakter solcher Szenen verneint wurde, so vor allem deswegen, weil einerseits von keinen raffinierten technischen Kunstgriffen oder anderen die Phantasie anregenden Andeutungen Gebrauch gemacht wurde, die Darstellung vielmehr sachlich nüchtern war, und weil sich anderseits aus dem Gesamtzusammenhang des Filmes ergab, dass jenen verhältnismässig kurzen Bilderfolgen auch politische oder gesellschaftskritische Bedeutung zukam. Dadurch wurde der an sich anstössige Charakter jener Szenen derart abgeschwächt, dass eine aufdringlich erotisierende oder sexuell aufreizende Wirkung auf erwachsene Beschauer unterblieb (BGE 96 IV 71 E. 4).
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Im vorliegenden Fall wird eine Shakespeare-Aufführung des Dramas "Romeo und Julia" zum Ausgangspunkt einer praktisch ununterbrochenen Folge von ungehemmten Darstellungen ![]() ![]() | 12 |
Schliesslich verfängt auch der Hinweis des Beschwerdegegners nicht, dass angeblich gegen 100'000 Personen den Film in Bern gesehen, jedoch nur zwei von ihnen Strafanzeige wegen unzüchtiger Veröffentlichung erstattet hätten. Das Schweigen der Kinobesucher kann verschieden gedeutet werden. Ein Teil von ihnen mag jene Darbietungen gesucht oder an diesen jedenfalls keinen Anstoss genommen haben. Andere werden von der Erstattung einer Strafanzeige abgesehen haben, weil sie die damit verbundenen Unzukömmlichkeiten scheuten oder befürchteten, sich der öffentlichen Kritik auszusetzen. So oder anders ändert das Verhalten des Publikums nichts am genannten Charakter des Films.
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Ist aber der Film "Das geheime Sexleben von Romeo und Julia" nach dem Gesagten unzüchtig, so ist das angefochtene Urteil in diesem Punkte aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie gemäss Art. 204 Ziff. 3 StGB verfahre.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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