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25. Auszug aus dem Urteil des Bundesstrafgerichtes vom 23. April 1971 i.S. Schweizerische Bundesanwaltschaft gegen A. und J. Frauenknecht. | |
Regeste |
Art. 86 Ziff. 1 Abs. 2 MStG, Art. 273 Abs. 2 und 3 StGB; Verletzung militärischer Geheimnisse und wirtschaftlicher Nachrichtendienst. |
2. Verletzung militärischer Geheimnisse durch Preisgabe der Fabrikationsunterlagen für das Mirage-Triebwerk an einen fremden Staat (Erw. 3). |
3. Verhältnis zwischen Art. 86 MStG einerseits und Art. 106 MStG, Art. 274 und 301 StGB anderseits (Erw. 4). |
4. Wirtschaftlicher Nachrichtendienst durch Verrat von Fabrikationsunterlagen, die nicht bloss aus militärischen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen geheimgehalten werden. Schwerer Fall (Erw. 5). | |
Sachverhalt | |
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Durch Vertrag vom 27. Juli 1961 sicherte sich die Kriegstechnische Abteilung (KTA) von der Société Nationale d'Etude et de Construction de Moteurs d'Aviation (SNECMA) in Paris das Recht, das von dieser Firma in 15jähriger Entwicklung geschaffene Triebwerk ATAR 09C von schweizerischen Unternehmen herstellen zu lassen. Die KTA übernahm die Pflicht, die ihr von der SNECMA überlassenen Unterlagen nur den mit dem Bau des Triebwerkes beauftragten Unternehmen zugänglich zu machen und diese ihrerseits zur Geheimhaltung zu verpflichten.
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Am 17. Oktober 1961 erteilte die KTA als Lizenznehmerin und Bestellerin der Firma Sulzer den Auftrag, eine bestimmte Zahl Düsentriebwerke ATAR 09C herzustellen und zu liefern. Die KTA hatte ihr dafür alle notwendigen Lizenzunterlagen und Auskünfte zugänglich zu machen, welche die Firma Sulzer aber nur für den erteilten Auftrag verwenden und einzig an schweizerische Unterlieferanten weitergeben durfte. Eine ähnliche Verpflichtung zur Geheimhaltung hatte die Firma Sulzer für sich und ihr Personal bereits am 1. März 1961 eingehen müssen, wobei sie insbesondere darauf aufmerksam gemacht wurde, dass keinerlei Lizenzunterlagen ohne ausdrückliche Bewilligung der KTA ins Ausland gelangen durften.
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Die Firma Sulzer setzte ihre Angestellten, die in der Abteilung "Düsentriebwerke" beschäftigt wurden oder sonst Einsicht in die Lizenzunterlagen erhalten konnten, über diese Geheimhaltungspflichten namentlich durch Mitteilungen vom 27. März und 30. Oktober/13. November 1961 in Kenntnis. Die Mitteilungen wurden 1963 und 1964 durch Weisungen, insbesondere über das Aufbewahren und den Versand von Lizenzunterlagen, ![]() | 4 |
2. In den Jahren 1966/1968 organisierte die SNECMA in Paris vier Arbeitstagungen, um mit den Staaten, welche Mirage-Kampfflugzeuge gekauft hatten oder in Lizenz herstellten, Erfahrungen mit ATAR-Triebwerken auszutauschen. Alfred Frauenknecht, der seit 1952 als Maschinentechniker in der Abteilung "Düsentriebwerke" der Firma Sulzer tätig und seit 1962 technischer Leiter dieser Abteilung war, gehörte jeweils zur Abordnung der Firma Sulzer. Er lernte an den Tagungen verschiedene Vertreter der israelischen Luftwaffe und Flugzeugwerke, insbesondere Oberst Shoham und Ingenieur Segal kennen. Die israelischen Flugzeugwerke hatten bereits nach dem Waffen- und Flugzeugembargo Frankreichs gegen Israel vom 7. Juni 1967 unter Hinweis auf eine mögliche Zusammenarbeit versucht, mit der Firma Sulzer ins Gespräch zu kommen und von ihr oder ihren Unterlieferanten ATAR-Ersatzteile zu erhalten. Am 14. Februar 1968 erkundigte sich Segal von Paris aus bei der Firma nach der Möglichkeit einer Werkbesichtigung durch Oberst Shoham und Oberstleutnant Simon. In einem Brief vom folgenden Tage führte die israelische Einkaufsmission von Paris dazu aus, die Besucher möchten sich im Hinblick auf allfällige Käufe u.a. über die Herstellung von Rohrleitungen, Wärmebehandlungs- und Schweissmethoden unterrichten lassen. Die Bundesbehörden hatten gegen den geplanten Besuch, der am 20./21. Mai 1968 unter der Führung von Alfred Frauenknecht stattfinden sollte, nichts einzuwenden.
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Am 24. April 1968 schaltete sich Oberst Kain ein, der damals israelischer Militärattaché in der Schweiz war und der israelischen Einkaufsmission von Rom angehörte. In einem Telephongespräch berief er sich auf den vorgesehenen Besuch Shohams bei der Firma Sulzer und ersuchte deren Direktor Schmid um eine Besprechung. Schmid beauftragte Alfred Frauenknecht, der noch am gleichen Tage in Zürich mit Kain zusammentraf. Dieser erschien zusammen mit Schwimmer, dem Generaldirektor der israelischen Flugzeugwerke, und dessen Assistenten Ariat. Frauenknecht erkannte bald, dass es den Israeli nicht um den Besuch von Shoham und Simon ging, sondern dass sie von der Firma Sulzer ATAR-Triebwerke 09C, zumindest Ersatzteile und Werkzeuge oder die Pläne dafür erhalten wollten. Frauenknecht vermittelte den beiden Israeli eine Besprechung ![]() | 6 |
Am 29. oder 30. April 1968 liess Alfred Frauenknecht sich von Kain zu einer weitern Besprechung in Zürich bewegen, an der auch Oberstleutnant Yehuda Giladi, stellvertretender Leiter der israelischen Einkaufsmission von Rom, teilnahm. Frauenknecht wusste, dass Kain von Schmid eine endgültige Absage erhalten hatte. Er hatte sich die Sache inzwischen indes selber überlegt und sagte sich, dass er den Israeli die Lizenzunterlagen liefern und ihnen damit zum Bau des ATAR-Triebwerkes 09C verhelfen könnte. Er hatte auch schon darüber nachgedacht, wie er die Unterlagen unter dem Vorwand, sie in die Verbrennungsanstalt zu bringen, von seinem Arbeitsort wegschaffen, mit fingierten Akten vertauschen und dann den Israeli zuhalten könnte. Er erörterte seinen Gesprächspartnern das Vorgehen, legte mit ihnen die Reihenfolge der Übergabe fest und gab seine Entschädigung, welche er bloss als Risikodeckung beansprucht haben will, mit 200 000 Dollar oder 860 000 Franken an.
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3. Etwa zwei Wochen später, vermutlich am 13. Mai 1968, kam Alfred Frauenknecht in Kloten mit Kain zusammen, der ihm einen israelischen Agenten mit dem Decknamen Oskar vorstellte. Frauenknecht brachte zu diesem Treffen ein umfassendes Stückverzeichnis der SNECMA mit, das insbesondere über die Nummer, die Benennung, Materialspezifikation, Anzahl und Zeichnungen der einzelnen Triebwerkbestandteile Auskunft gab. Frauenknecht übergab es Oberst Kain und erhielt von ihm bereits Fr. 55 000.--. Den Rest seiner Entschädigung sollte er in Raten, bei weiteren Lieferungen von Dokumenten bekommen.
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Für die nächsten Treffen war die Übergabe der Triebwerkzeichnungen vorgesehen. Frauenknecht liess sich dafür unter dem Vorwand, diese Pläne für Studien zu benötigen, einen Satz ![]() | 9 |
Die übrigen Lizenzunterlagen bestanden namentlich aus 45 000 Werkzeugzeichnungen sowie aus schriftlichen Arbeitsanweisungen oder "Operationsplänen", die etwa 120 000 Blätter vom Format A4 umfassten. Dazu kamen viele tausend überholte Modifikationen, Pläne und Zeichnungen aller Art. Sie wogen zusammen über 2300 kg. Für ihre Auslieferung an die Israeli nützte Alfred Frauenknecht den Umstand aus, dass diese Dokumente nach der Beendigung der Lizenzfabrikation im Frühjahr 1968 unter seiner Leitung eingezogen, nach Nummern geordnet und, nachdem ihr Inhalt auf Mikrofilm aufgenommen worden war, in der Kehrrichtverbrennungsanstalt von Winterthur vernichtet werden sollten. Von Ende September 1968 an liess er die Zeichnungen in Rollen, die Pläne in Schachteln verpacken und in Abständen von etwa zwei Monaten eine Ladung bereitstellen, um sie, wie er vorgab, der Verbrennungsanstalt abzuliefern.
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Für die Lieferungen zog Alfred Frauenknecht seinen Vetter Josef Frauenknecht bei. Er stellte ihm einen neuen Fiat-Kastenwagen zur Verfügung. Josef Frauenknecht sollte damit die Pakete jeweils bei der Firma Sulzer abholen und sie in eine Garage an der Bollstrasse in Winterthur bringen, wo sie mit einer in Gewicht und Aussehen ungefähr gleichen Ladung vertauscht wurden. Die fingierten Pakete musste Josef Frauenknecht herstellen. Er hatte dafür wenn immer möglich Planpapier zu verwenden, den Packungen oben und unten überflüssige ATAR-Zeichnungen beizulegen oder sie mit überholten ATAR-Plänen zu umhüllen. Er benötigte im ganzen etwa 3000 kg Papier und 500 Schachteln.
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Die von ihm selbst hergestellten Pakete brachte Josef Frauenknecht zwischen dem 30. September 1968 und dem 17. September 1969 in sieben Malen mit dem Kastenwagen in die Verbrennungsanstalt, wo sie gewogen und unter der Aufsicht von Alfred Frauenknecht in den Ofen geworfen wurden. Die Schachteln ![]() | 12 |
B.- Alfred Frauenknecht wurde der fortgesetzten Verletzung militärischer Geheimnisse im Sinne von Art. 86 Ziff. 1 Abs. 2 MStG sowie des fortgesetzten wirtschaftlichen Nachrichtendienstes im Sinne von Art. 273 Abs. 2 und 3 StGB angeklagt.
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Das Bundesstrafgericht fand ihn im Sinne der Anklage schuldig.
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Aus den Erwägungen: | |
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Das Strafgesetzbuch und das Militärstrafgesetz kennen keinen einheitlichen Geheimnisbegriff. Dieser kann je nach den Tatbeständen, in denen Geheimnisverletzungen mit Strafe bedroht sind, mehr oder weniger weit sein (vgl.BGE 65 I 49Erw. 1 und 333 Erw. a). Die Auslegung des Begriffes hängt insbesondere vom geschützten Rechtsgut und den Wertungen ab, die den Strafbestimmungen zugrunde liegen. In Fällen nach Art. 86 MStG wird er eher weit ausgelegt, weil das, was als geheim zu gelten hat, von Fall zu Fall grosse Unterschiede aufweisen, insbesondere der Kreis der Mitwisser sehr ungleich und die verschiedensten Tatsachen militärisches Geheimnis sein können. Zur militärischen Geheimsphäre gehören nach der Lehre und ![]() | 16 |
Zum Geheimnisbegriff im Sinne von Art. 86 MStG gehört stets, dass die fragliche Tatsache nicht offenkundig oder allgemein bekannt ist und dass an ihrer Geheimhaltung ein schutzwürdiges Interesse besteht. Dieses Interesse an der Geheimhaltung muss zudem "mit Rücksicht auf die Landesverteidigung" bestehen. Das ist dann anzunehmen, wenn die Eidgenossenschaft als Herr oder Mitinhaber des Geheimnisses auftritt und aus militärischen Gründen an der Geheimhaltung einer Tatsache interessiert ist. Ob die Behörden den Geheimhaltungswillen formell bekunden und eine Tatsache z.B. als "geheim" oder "vertraulich" bezeichnen, ist hingegen nicht entscheidend für den Geheimnisbegriff (vgl. MKGE 4 Nr. 102, 7 Nr. 49). Tatsachen, die für die Landesverteidigung nicht von Bedeutung sind und an deren Geheimhaltung folglich kein schützenswertes Interesse besteht, erfüllen den Geheimnisbegriff selbst dann nicht, wenn die Behörden sie geheimhalten wollen, als "geheim" klassifizieren oder mit einer andern Bezeichnung der militärischen Geheimsphäre zurechnen. Ob eine Tatsache als geheim zu gelten hat, beurteilt sich vielmehr nach der Natur der Sache und dem militärischen Interesse, sie der Kenntnis des Auslandes zu entziehen (MKGE 7 Nr. 34 S. 60). Dabei ist der in der Klassifizierung zum Ausdruck kommende Geheimhaltungswille freilich ein wichtiges Indiz dafür, dass an der Geheimhaltung der Tatsache ein schutzwürdiges Interesse besteht. Trifft dies zu -- was meistens der Fall sein dürfte -, so entspricht der tatsächliche Geheimhaltungswille dem gesetzlich vermuteten, der ![]() | 17 |
Dagegen ist nach Art. 86 Ziff. 1 MStG nicht erforderlich, dass der schweizerischen Landesverteidigung aus dem Verrat eines militärischen Geheimnisses ein Schaden entstehe oder drohe. Dies lässt sich entgegen der Annahme der Verteidigung insbesondere nicht der gesetzlichen Einschränkung entnehmen, dass die Tatsachen, Vorkehren usw. "mit Rücksicht auf die Landesverteidigung" ("dans l'intérêt de la défense nationale", "nell'interesse della difesa nazionale") geheimgehalten werden. Diese Wendung will bloss klarmachen, worin das Geheimhaltungsinteresse bestehen muss, nicht aber den Straftatbestand zu einem konkreten Gefährdungs- oder gar zu einem Erfolgsdelikt machen. Art. 86 MStG fragt auch nicht danach, wem das Geheimnis preisgegeben wird; nach dem Wortlaut der Bestimmung genügt sogar, dass der Täter das Geheimnis der Öffentlichkeit bekannt macht. Der Gefährdung und Störung der Landesverteidigung durch Verrat in Aktivdienst- oder Kriegszeiten trägt das Gesetz dadurch Rechnung, dass es in Art. 86 Ziff. 2 MStG für solche Zeiten schärfere Strafen vorsieht. Daraus erhellt, dass nachteilige Auswirkungen einer Geheimnisverletzung nicht zum Tatbestand von Ziff. 1 gehören, sondern bloss für die Strafzumessung von Bedeutung sind.
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a) Dem ist vorweg entgegenzuhalten, dass das Kampfflugzeug Mirage III S nicht bloss nach seiner Bewaffnung und Ausrüstung, ![]() | 20 |
Dass das ATAR-Triebwerk in Frankreich entwickelt worden ist, mehrere Staaten mit ATAR-Triebwerken ausgerüstete Mirage-Flugzeuge gekauft haben und andere es in Lizenz herstellen durften, steht einem selbständigen Interesse der Schweiz, das Herstellungsverfahren aus militärischen Gründen geheimzuhalten, nicht entgegen. Die Eidgenossenschaft ist - ganz abgesehen von der im Interesse der Landesverteidigung übernommenen Vertragspflicht, die Lizenzunterlagen geheimzuhalten und nur für sich zu verwenden - selber in hohem Masse daran interessiert, dass der Kreis der Staaten, welche über die Herstellung des ATAR-Triebwerkes Bescheid wissen, klein gehalten wird. Dieses Interesse wird dadurch, dass es nicht um schweizerische, sondern um französische Fabrikationsgeheimnisse geht, die der Eidgenossenschaft aber von der Entwicklungsfirma anvertraut worden sind, nicht aufgehoben. Es genügt, dass das Herstellungsverfahren in der Schweiz mit Rücksicht auf die Landesverteidigung geheimgehalten wird, hier folglich nicht jedermann zugänglich ist und nicht ohne besondere Mühe in Erfahrung gebracht werden kann, mag es auch weiteren Staaten, die übrigens selber Geheimhaltung üben, bekannt sein (vgl. MKGE 7 Nr. 34 S. 62 und dort angeführte Urteile).
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Freilich kann die Eidgenossenschaft nicht verhindern, dass die SNECMA weiteren Staaten Lizenzrechte einräumt. Umfassende Lizenzen zur Herstellung von ATAR-Triebwerken gewährte die SNECMA indes, wie der Hauptangeklagte wusste, einzig Australien und der Schweiz. Israel und Belgien erhielten Unterlagen für die Herstellung von Ersatzteilen, d.h. Teillizenzen. Das gesamte Herstellungsverfahren ist somit nur drei Staaten bekannt, in weitesten Bereichen der Welt, insbesondere auch in Europa, folglich noch ein Geheimnis. Dass dieses durch den Verkauf von Mirage-Flugzeugen an insgesamt zwölf ![]() | 22 |
Am schweizerischen Interesse, das Herstellungsverfahren aus militärischen Gründen geheimzuhalten, ändert schliesslich auch nichts, dass die Eidgenossenschaft der SNECMA über eigene technische Verbesserungen, soweit sie auf Lizenzunterlagen zurückgingen, Auskunft geben musste. Die Lizenzgeberin verpflichtete sich gemäss Art. 19 des Vertrages, technische Auskünfte über die Herstellung des Triebwerkes in der Schweiz vertraulich zu behandeln. Das schliesst eine beliebige Weitergabe an Dritte aus. Nach Vertrag vorbehalten blieben lediglich technische Auskünfte über den Einsatz und die Wartung von ATAR-Triebwerken (les renseignements techniques relatifs à l'emploi et à l'entretien des turboréacteurs ATAR), da Auskünfte dieser Art nach bestehender Übung allen Triebwerkhaltern mitgeteilt wurden.
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b) Alfred Frauenknecht wusste, dass die Lizenzunterlagen nicht nur nach den Verträgen, welche die Eidgenossenschaft mit der SNECMA und der Firma Sulzer geschlossen hatte, sondern auch nach zahlreichen Vorschriften und Weisungen seiner Arbeitgeberin geheimzuhalten waren. Er war sich nach seinen eigenen Aussagen in der Hauptverhandlung auch im ![]() | 24 |
Ob der Angeklagte angenommen hat, der Eidgenossenschaft werde aus der Preisgabe der Lizenzunterlagen kein Schaden entstehen, ist unerheblich. Da weder die tatsächliche Schädigung noch die konkrete Gefährdung Tatbestandsmerkmale des Art. 86 Ziff. 1 MStG sind, braucht auch der Vorsatz nicht auf eine solche Schädigung oder Gefährdung gerichtet zu sein. Wenn der Täter weiss, dass ein Herstellungsverfahren aus militärischen Gründen geheimgehalten wird, und er es trotzdem gewollt einem fremden Staat oder dessen Agenten preisgibt, handelt er vorsätzlich. Dieses Wissen und Wollen hat aber Alfred Frauenknecht nach dem Ergebnis des Beweisverfahrens gehabt. Nach dem Brief an seine Studienkollegen hat er übrigens eine Benachteiligung der Eidgenossenschaft nur ausgeschlossen, "wenn es im stillen möglich ist".
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Art. 301 StGB will verhüten, dass im Gebiete der Schweiz zugunsten eines fremden Staates gegen einen andern fremden Staat militärischer Nachrichtendienst betrieben und dadurch die Beziehungen der Schweiz zu diesem letzteren Staate gestört werden. Die Bestimmung setzt voraus, dass der Nachrichtendienst sich auf militärische Verhältnisse dieses Staates bezieht und der Täter sich dessen bewusst ist (vgl. BGE 89 IV 207 unten; Urteil des Bundesstrafgerichts vom 5. November 1953 i.S. Roessler und Schnieper). Alfred Frauenknecht hat Fabrikationsunterlagen preisgegeben, die zwar einer französischen Firma gehörten, aber die Herstellung eines schweizerischen Kampfflugzeuges, also militärische Verhältnisse der Schweiz betrafen. Ob bei dieser Sachlage noch Raum bleibt für die Anwendung von Art. 301 StGB, braucht nicht geprüft zu werden, da es jedenfalls an einem ausreichenden Beweis dafür, dass Alfred Frauenknecht vorsätzlich gegen einen fremden Staat militärischen Nachrichtendienst betrieben habe, fehlt.
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Alfred Frauenknecht war sich bewusst, dass die Fabrikationsunterlagen nicht bloss aus militärischen, sondern auch aus wirtschaftlichen Gründen, insbesondere mit Rücksicht auf die kommerziellen und industriellen Interessen der Lizenzgeberin, geheimzuhalten waren und nur zur Herstellung der von der KTA bestellten Triebwerke verwendet werden durften. Er wusste auch, dass er mit Agenten eines fremden Staates zu tun und dieser sich umsonst bemüht hatte, die Pläne zur Herstellung des Triebwerkes ATAR 09C auf rechtmässigem Wege zu erhalten. Gleichwohl entschloss der Angeklagte sich ein für allemal, den israelischen Flugzeugwerken zu diesen Plänen zu verhelfen und sie ihnen durch Agenten zukommen zu lassen. Alfred Frauenknecht ist daher auch des fortgesetzten wirtschaftlichen Nachrichtendienstes im Sinne von Art. 273 Abs. 2 StGB schuldig zu sprechen.
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Ob ein schwerer Fall im Sinne von Abs. 3 dieser Bestimmung vorliegt, hängt von den Tatumständen ab, welche bei der Abwägung des Verschuldens zu berücksichtigen sind. Der dem Hauptangeklagten zur Last gelegte wirtschaftliche Nachrichtendienst wiegt sowohl nach dem objektiven wie nach dem subjektiven Sachverhalt schwer und lässt sich entgegen den Versuchen der Verteidigung schlechterdings nicht verharmlosen. Alfred ![]() | 32 |
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