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28. Urteil des ausserordentlichen Kassationshofes vom 3. Mai 1971 i.S. Lebedinsky gegen Schweizerische Bundesanwaltschaft. | |
Regeste |
Art. 220 Abs. 1-3, Art. 169 Abs. 2 BStP. |
2. Anwendung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit (Erw. 2 und 3). |
3. Eine Verletzung von Parteirechten liegt nicht darin, dass rechtliche Schlüsse des Bundesstrafgerichts erst aus der Urteilsbegründung ersichtlich sind und dass im Urteil nicht zu sämtlichen rechtlichen Vorbringen der Verteidigung Stellung genommen wird (Erw. 3 und 4). | |
Sachverhalt | |
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B.- Lebedinsky führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, es sei das Urteil des Bundesstrafgerichts aufzuheben und höchstens eine Strafe von 12 Monaten Gefängnis, unter Zubilligung des bedingten Strafvollzuges, auszufällen, eventuell die Sache zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, das Bundesstrafgericht gehe in seinen Urteilserwägungen von verschiedenen belastenden Feststellungen aus, von denen in der Hauptverhandlung keine Rede gewesen sei, so dass keine Möglichkeit bestanden habe, die Annahmen des Gerichts durch entsprechende Beweisanträge zu widerlegen. Darin liege ein Verstoss gegen Prozessvorschriften insbesondere Art. 169 Abs. 2 BStP, ferner eine Verletzung der Parteirechte und durch die Verweigerung des rechtlichen Gehörs auch eine solche des materiellen Rechts. Ausserdem habe das Bundesstrafgericht das rechtliche Gehör verweigert und materielles Strafrecht verletzt, indem es wesentliche Vorbringen in der Verteidigungsrede unberücksichtigt gelassen, geschweige denn dazu Stellung bezogen habe. Aus allen diesen Gründen müsse eine mildere Strafe ausgesprochen werden oder sei das Strafmass nach Erhebung weiterer Beweise neu zu bestimmen.
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C.- Der Bundesanwalt und das Bundesstrafgericht haben auf Gegenbemerkungen zur Beschwerde verzichtet.
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Der ausserordentliche Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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b) Der Beschwerdeführer bezeichnet demgegenüber die Tatsache, dass in Art. 220 Abs. 3 BStP nur die Kriminalkammer, nicht aber das Bundesstrafgericht aufgeführt wird, als eine Lücke des Gesetzes, da der Gesetzgeber das Bundesstrafgericht offensichtlich aus Versehen nicht erwähnt habe. Diese Auffassung ist, wie die Entstehungsgeschichte des Art. 220 BStP zeigt, unzutreffend.
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Die ersten organisatorischen und verfahrensrechtlichen Bestimmungen für das im Jahre 1893 neu geschaffene Bundesstrafgericht wurden im Bundesgesetz über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893 (Art. 125 ff.) erlassen. Obgleich dieses Gesetz in bezug auf das Kassationsverfahren verschiedene Vorschriften der Bundesstrafrechtspflege vom 27. August 1851 übernahm, begnügte es sich hinsichtlich der Kassationsgründe nicht mit einem blossen Verweis auf den damals für die Bundesassisen massgebenden Art. 149 BStP, der die Kassation auch wegen unrichtiger Würdigung der Geschworenenantworten und wegen falscher Anwendung des Gesetzes durch die Kriminalkammer vorsah (lit. d und e), sondern stellte für das Bundesstrafgericht in Art. 142 lit. a - d eine nur Verfahrensmängel rügbare Ordnung auf, die inhaltlich im wesentlichen mit den heute in Art. 220 Abs. 1 BStP aufgezählten ![]() | 8 |
Die spätere Revision der Bundesstrafprozessordnung von 1851, die zum heute geltenden Bundesgesetz über die Bundesstrafrechtspflege vom 15. Juni 1934 führte, bezweckte vor allem eine systematische Zusammenfassung der bis dahin in verschiedenen Gesetzen verstreuten Bestimmungen über die Strafgerichtsorganisation und den Strafprozess des Bundes, darunter auch jener über die Kassation der Urteile der eidgenössischen Strafgerichte. Im Bestreben, die für das Verfahren vor dem Bundesassisengericht und vor dem Bundesstrafgericht verschieden geregelten Nichtigkeitsgründe zu vereinheitlichen und in einer einzigen Bestimmung zusammenzufassen, wurden die in Art. 142 des OG von 1893 für das Bundesstrafgerichtsverfahren aufgestellten vier Beschwerdegründe verfahrensrechtlicher Art mit geringfügigen Änderungen in Art. 220 Abs. 1 BStP als allgemeine Regel übernommen, während der nach Art. 149 lit. e der Bundesstrafprozessordnung von 1851 gegen Urteile der Kriminalkammer zulässige Beschwerdegrund der Verletzung materiellen Rechts als Sondernorm in Art. 220 Abs. 3 BStP beibehalten wurde. Dabei ist bemerkenswert, dass die Übernahme der letztern Bestimmung umstritten war. Bereits im Jahre 1904 hatte der Kassationshof des Bundesgerichts entschieden, dass für die Nichtigkeitsbeschwerde gegen Urteile des Bundesstrafgerichts in Fiskalstrafsachen einzig die Kassationsgründe des Art. 142 des OG von 1893 massgebend seien, nicht jene des Art. 18 des Bundesgesetzes betreffend das Verfahren bei Übertretungen fiskalischer und polizeilicher Bundesgesetze vom 30. Juni 1849, wonach auch die Verletzung materiellen ![]() | 9 |
Von einer Gesetzeslücke oder einer versehentlichen Nichterwähnung des Bundesstrafgerichts in Art. 220 Abs. 3 BStP kann somit keine Rede sein. Wenn auch der Ausnahmecharakter dieser Bestimmung die angestrebte Einheitlichkeit der Nichtigkeitsgründe beeinträchtigt, so ist es unter den gegebenen Umständen nicht Aufgabe der Rechtsprechung, den Mangel, wie der Beschwerdeführer meint, durch eine ausdehnende Anwendung der Sondernorm zu beheben; die Einheit der Beschwerdegründe wäre viel eher, wie ursprünglich beantragt wurde, durch den Verzicht auf die Ausnahmebestimmung herbeizuführen.
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Die Rüge ist haltlos. In der Hauptverhandlung war, wie sich aus deren Protokoll ergibt, wiederholt davon die Rede, dass die inhaltlich falschen, in embargofreien Ländern beschafften Endverbraucher-Erklärungen als Mittel der Tarnung dienten, indem mit diesen den Bundesbehörden gegenüber der Anschein erlaubter Waffenexportgeschäfte erweckt wurde, während die Lieferungen in Wirklichkeit für andere Länder bestimmt waren, für die auf Grund der Embargobeschlüsse keine Ausfuhrbewilligung erteilt werden durfte. Was den Beschwerdeführer im besondern anbetrifft, sind in der Hauptverhandlung nicht nur Abhörungsprotokolle verlesen worden, in denen er Ausführungen über derart getarnte Exportgeschäfte nach Südafrika und Israel gemacht hatte, sondern gab er auf zahlreiche Fragen auch ausdrücklich zu, dass er sich bewusst über die Embargobeschlüsse hinwegsetzte, zu diesem Zweck die Beschaffung von falschen Endverbraucher-Erklärungen veranlasste, die einzelnen Tarngeschäfte, soweit er an deren Abwicklung nicht persönlich beteiligt war, billigte, bei der Fälschung von Urkunden mitwirkte und die allgemeine Weisung erteilte, belastende Belege zu vernichten. Seine Behauptung, dass der Vorwurf der Täuschung und der Erschleichung von Ausfuhrbewilligungen in der Hauptverhandlung weder erwähnt noch abgeklärt worden sei, ist daher mutwillig. Dazu kommt, dass der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung seine früheren Geständnisse als zutreffend bestätigt hat, so dass es nach Art. 156 BStP auch nicht nötig war, den in der Untersuchung anerkannten Sachverhalt in der Beweisverhandlung erneut im einzelnen festzustellen. Eine Verletzung des in ![]() | 13 |
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Soweit damit eine Verletzung von Art. 169 Abs. 2 BStP geltend gemacht wird, ist die Rüge unbegründet, weil die Feststellung in den Erwägungen über die Strafzumessung steht, und zwar in den Erörterungen über die Gründe, welche das Verschulden der Angeklagten erhöhen, anschliessend an die Erwägung, dass auch die Verwendung erlogener Endverbraucher-Erklärungen zu diesen Umständen zählt. Es handelt sich somit nicht um eine Feststellung von Tatsachen, die den gesetzlichen Tatbestand einer strafbaren Handlung betreffen, sondern um einen Schluss, den die Vorinstanz bei der rechtlichen Würdigung der aus der Hauptverhandlung sich ergebenden Tatsachen gezogen hat. Feststellungen dieser Art unterliegen naturgemäss nicht den die Hauptverhandlung beherrschenden Verfahrensvorschriften, so dass eine Verletzung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit zum vornherein ausser Betracht fällt.
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Auch der Einwand, dass durch die Nichterwähnung der fraglichen Feststellung in der Hauptverhandlung Parteirechte verletzt worden seien, hält nicht stand. Die im Rahmen der Strafzumessung vorzunehmende Bewertung des Verschuldens der Angeklagten ist teils eine Frage der Beweiswürdigung, teils eine solche der rechtlichen Würdigung. Zu beidem hatte das Bundesstrafgericht erst in der geheimen Urteilsberatung Stellung zu nehmen, nicht in den Parteiverhandlungen, in denen sich einzig die Parteien zur Schuld und Strafe zu äussern haben (Art. 167 BStP) und wozu ihnen auch Gelegenheit gegeben worden ist. Auf Grund des Beweisverfahrens, das ergab, dass die Angeklagten die Bundesbehörden in zahlreichen Fällen täuschten und ihre Täuschungsmanöver noch fortsetzten, als die misstrauisch gewordenen Behörden Auskünfte verlangten und einzelne Ausfuhrbewilligungen widerriefen, lag übrigens der Schluss nahe, dass die Angeklagten während längerer Zeit nicht damit gerechnet hatten, dass die Bundesbehörden, deren ![]() | 16 |
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Die Rüge der Verletzung materiellen Rechts kann, wie in Ziff. 1 ausgeführt wurde, nicht gehört werden, und soweit der Beschwerdeführer mit der Rüge der Verweigerung des rechtlichen Gehörs eine Verletzung von Verfahrensvorschriften oder Parteirechten sollte geltend machen wollen, wäre ein solcher Vorwurf grundlos. Das Gesetz schreibt nirgends vor, dass das Bundesstrafgericht, wie der Beschwerdeführer annimmt, sich mit sämtlichen Vorbringen einer Partei auseinanderzusetzen habe. Art. 179 Abs. 2 BStP, wo die in der Urteilsbegründung zu treffenden Feststellungen näher umschrieben werden, verpflichtet das Gericht nur, die Tatsachen, die es für erwiesen hält und welche die einzelnen Merkmale des Straftatbestandes begründen, sowie die Gründe der Strafzumessung und die angewendeten Gesetzesbestimmungen anzuführen. Das Gericht darf sich somit bei der rechtlichen Würdigung auf die Angabe der ihm als wesentlich und notwendig erscheinenden Urteilsgründe beschränken und kann nach seinem Ermessen darüber befinden, inwieweit es sich daneben mit einzelnen Einwänden und Vorbringen der Parteien befassen soll. Die Behauptung des Beschwerdeführers, zu den Ausführungen seines Verteidigers sei im angefochtenen Urteil überhaupt nicht Stellung genommen ![]() | 18 |
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Demnach erkennt der ausserordentliche Kassationshof:
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