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33. Urteil des Kassationshofes vom 3. Dezember 1971 i.S. Müller gegen Generalprokurator des Kantons Bern sowie Schweizerische Bundesanwaltschaft und Generalprokurator des Kantons Bern gegen Müller. | |
Regeste |
Art. 18 Abs. 3, 117 StGB; fahrlässige Tötung, dadurch begangen, dass der Pilot anlässlich eines Fluges mit dem Helikopter nach Feststellung der ungewöhnlich raschen Abnahme des Treibstoffvorrates nicht rechtzeitig landete, was den Absturz des Flugzeuges zur Folge hatte. | |
Sachverhalt | |
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Vor dem Start war das Flugzeug mit Benzin voll aufgetankt worden. Bei der Übernahmekontrolle stellte Müller jedoch fest, dass die Füllstandsanzeige nach Einschalten des Bordnetzes nicht ganz "Full", sondern auf beiden Behältern nur etwas über 3/4 angab. Müller startete, ohne jemanden auf die Nichtübereinstimmung des Anzeigers mit der tatsächlich eingefüllten Treibstoffmenge aufmerksam zu machen. Nach 20 Flugminuten landete er auf einem Feld in Herzogenbuchsee, um die Kabinentüre auszuhängen. Daraufhin hob er wiederum vom Boden ab und schwebte während mehrerer Minuten in 3 bis 30 m Höhe, um Burgunder ein Photographieren der Anstalt Wysshölzli zu ermöglichen. Sodann landete er wieder zum Einhängen der Türe, um gleich darauf zum Rückflug zu starten. Im Raume Burgdorf (nach insgesamt ca. 25 bis 30 Flugminuten) stellte Müller fest, dass das Benzinstandsmessgerät 1/2 anzeigte. Er überlegte sich ![]() | 2 |
Nach einem am 5. Juli 1967 erstatteten Bericht des eidgenössischen Büros für Flugunfalluntersuchungen und dem vom 6. Oktober 1967 datierten Schlussbericht der Eidgenössischen Flugunfall-Untersuchungskommission (EFUK) ist der Unfall einerseits auf die Fehlmontage eines Ablasshahns, welche zu grossem Benzinverlust führte, und anderseits auf unzweckmässige Flugtaktik des Piloten nach Feststellung der anormal raschen Abnahme des Benzinvorrates zurückzuführen.
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B.- Am 30. Mai 1969 verurteilte der Gerichtspräsident von Seftigen Müller wegen fahrlässiger Tötung zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von acht Tagen und am 29. März 1971 bestrafte der gleiche Richter Walter Demuth wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von 6 Tagen.
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Beide Verurteilten appellierten an das Obergericht des Kantons Bern, das die zwei Strafverfahren vereinigte.
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C.- Müller führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Mit dem selben Antrag fechten auch die Schweizerische Bundesanwaltschaft und der Generalprokurator des Kantons Bern den genannten Entscheid an.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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2. Nach Art. 18 Abs. 3 StGB macht sich der fahrlässigen Tatbegehung schuldig, wer die Folgen seines Verhaltens aus pflichtwidriger Unvorsichtigkeit nicht bedacht oder darauf nicht Rücksicht genommen hat. Pflichtwidrig ist die Unvorsichtigkeit, ![]() | 10 |
Die Voraussehbarkeit der Folgen eigenen Verhaltens hängt demnach ausser von den Umständen des Einzelfalles insbesondere auch von den persönlichen Verhältnissen ab (s. BGE 89 IV 9 E. 1), zu denen namentlich die geistigen Anlagen, die Bildung, die berufliche Erfahrung usw. zählen. Sie können im gegebenen Fall den Täter befähigen, die Grenze des allgemeinen, objektiven Erfahrungsbereichs zu überschreiten (SCHWARTZ, Adäquate Kausalität und Verschuldenshaftung, BJM 1970, S. 5 oben), mit der Folge, dass im genannten Masse auch seine Vorsichtspflicht weiter reicht als diejenige des Täters, dem entsprechende Fähigkeiten, Fachkenntnisse usw. abgehen (s. BGE 69 IV 231 E. 4, BGE 81 IV 122, BGE 97 IV 93 E. 5; GERMANN, Verbrechen S. 180; HAFTER, AT S. 129; SCHWANDER, Das Schweiz. Strafgesetzbuch, S. 94 Nr. 195; THORMANN/v. OVERBECK, N. 39 zu Art. 18; WALDER, Probleme bei Fahrlässigkeitsdelikten, ZBJV 1968, S. 170 oben, 185).
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Im vorliegenden Fall stellt die Vorinstanz fest, dass Müller seit 1935 das Flugbrevet für Motorflugzeuge und seit 1952 dasjenige für Privathelikopter besitzt, dass er zur Zeit des Unfalls über 1950 Flugstunden verfügte, wovon 315 Stunden auf Hubschraubern namentlich des Typs Bell Agusta 47, und dass er den Unfallhelikopter mindestens schon einmal geflogen hatte. Mit den technischen Eigenschaften dieses Flugzeuges sei er aufgrund seiner Erfahrungen als Pilot, aber auch als Chef der Sektion Flugmaterial beim Eidgenössischen Luftamt bestens vertraut gewesen, in welcher Eigenschaft er sämtliche Luftfahrzeuge auf dem Zivilsektor auf ihre Lufttüchtigkeit zu prüfen gehabt habe. Bis 1958 sei er überdies als Unfallexperte für Militärflugunfälle beigezogen worden.
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Nach diesen tatsächlichen und daher für den Kassationshof verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz eignete dem Beschwerdeführer bezüglich ziviler Motorflugzeuge, einschliesslich der Hubschrauber, ein besonderes technisches Fachwissen und eine langjährige Erfahrung als Pilot. Das aber sind persönliche Verhältnisse im Sinne des Art. 18 Abs. 3 StGB, die als Massstab für die Beurteilung der ihm obgelegenen Vorsichtspflicht in Betracht fallen und von der Vorinstanz mit Fug zum Anlass genommen wurden, um von einer erhöhten Vorsichtspflicht ![]() | 13 |
a) Er habe, so macht er zunächst geltend, bei der Übernahme des Apparates keine Sorgfaltspflicht verletzt. Die Auffassung der Vorinstanz, wonach er keinen besonderen Grund zur Annahme gehabt habe, es werde ihm ein einwandfrei gewartetes Flugzeug, bei dem das Eintreten einer Panne ausserhalb jeder Erwartung bliebe, übergeben, sei unhaltbar; es werde damit der Heliswiss die Möglichkeit zugestanden, an Piloten luftuntüchtige Apparate zu vermieten, was an Verantwortungslosigkeit grenze. Jeder Pilot dürfe 100% ig darauf zählen, dass ihm ein einwandfrei gewartetes Flugzeug übergeben werde. Mit einem Benzinleck habe der Beschwerdeführer nicht rechnen müssen. Er habe daher mit der Überprüfung des Benzinstandes vor dem Abflug seine Sorgfaltspflicht erfüllt. Weitere Prüfungen seien ihm nicht möglich gewesen.
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Diese Vorbringen gehen an der Tatsache vorbei, dass die Vorinstanz Müller nicht zur Last gelegt hat, bei Übernahme des Hubschraubers eine Kontrollpflicht verletzt zu haben. Auf Seite 10 ihres Urteils weist sie darauf hin, dass Müller im Verfahren gegen Demuth mit Nachdruck geltend gemacht habe, dass er kraft seiner beruflichen Stellung von Missständen in der Heliswiss, speziell auch auf dem Gebiet der Flugzeugwartung Kenntnis gehabt und anderseits auch gewusst habe, dass seitens der Behörden die Prüfung der Flugzeuge nicht mehr am Objekt, sondern nur aufgrund der schriftlichen Unterlagen vorgenommen würde. Er habe somit auch von daher Grund zu besonderer Vorsicht "beim Steuern" eines von der Heliswiss gestellten Flugzeuges gehabt. Zwar habe er dieser gegenüber Anspruch auf ein fahrtüchtiges Flugzeug, jedoch keinen besonderen Grund zur Annahme gehabt, es werde ihm ein einwandfrei gewartetes Flugzeug... übergeben werden. Unter diesem Gesichtspunkt müsse es ihm zum Verschulden gereichen, dass er "während des Unfallflugs" die Tatsache des Benzinverlusts trotz untrüglicher Anzeichen ungebührlich lange nicht habe wahr haben bzw. die entsprechenden Konsequenzen nicht habe ziehen wollen. Aus diesen Erwägungen des Obergerichts, denen der Beschwerdeführer die gerügte Aussage entnommen hat, erhellt zweifelsfrei, dass sie auf seine Vorsichtspflicht während des Fluges und nicht ![]() | 15 |
b) Als abwegig bezeichnet der Beschwerdeführer den "indirekten" Vorwurf der Vorinstanz, seine Stellung als Chef der Sektion für Flugmaterial beim Eidgenössischen Luftamt und seine technischen Kenntnisse führten zu einer Verschärfung seiner Sorgfaltspflichten als Pilot. Weder das Eidgenössische Luftamt noch er selber hätten um die falschen Instrumente an den Heliswiss-Apparaten wissen können. Der Helikopter sei als lufttüchtig gemeldet worden. Von den eigenmächtig vorgenommenen Änderungen habe die genannte Firma vorschriftswidrig nie etwas gemeldet. Im übrigen entscheide über die Einhaltung von Lufttüchtigkeitsvorschriften weder die EFUK noch die Vorinstanz, sondern gemäss den internationalen Vereinbarungen seien die USA allein zuständig, ihre Vorschriften verbindlich auszulegen. Das habe jedoch die Vorinstanz nicht gehindert, gestützt auf unkompetente Meinungsäusserungen Beurteilungen über sichere Betriebsgrenzen, Grenzmarken usw. abzugeben. Eine derart dilettantische Beweisführung ohne Beizug von neutralen Flugexperten könne nicht Grundlage für eine strafrechtliche Verurteilung bilden.
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Soweit der Beschwerdeführer damit die Beweiserhebungen und die Beweiswürdigung der Vorinstanz bemängelt, ist er nicht zu hören. Diese sind dem kantonalen Richter anheimgegeben und können nicht zum Gegenstand der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde gemacht werden (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP).
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Was aber die Frage des Ausmasses der dem Beschwerdeführer obgelegenen Sorgfaltspflicht anbelangt, so hat die Vorinstanz Art. 18 Abs. 3 StGB keineswegs verkannt, wenn sie angenommen hat, die berufliche Stellung Müllers, seine grosse Flugerfahrung und seine besonderen technischen Kenntnisse führten zu einer Erhöhung seiner Vorsichtspflichten als Pilot. Wie bereits ![]() ![]() | 18 |
c) Der Beschwerdeführer wirft der Vorinstanz vor, sie habe die Regel, wonach gemäss Instruktion und Praxis ausschliesslich nach Flugzeit ohne Berücksichtigung des Anzeigeinstrumentes geflogen werde, ohne nähere Begründung ins Gegenteil verkehrt. Da ein Leck bei minutiösem Unterhalt undenkbar und während der rund 10 Mio. Helikopterflugstunden in der Welt noch nie eingetreten sei, bestehe auch kein Grund zur Beobachtung des Instrumentes während des Fluges. Dieses diene dazu, den Benzinvorrat am Boden zu bestimmen. Der Pilot habe übrigens während des Fluges genug zu tun und keine Hand frei, um den Tankanzeiger umzuschalten. Er habe nur den Anfangsvorrat und die Flugdauer zu beobachten, was der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall getan habe. Danach aber habe er damit rechnen dürfen, für den kurzen Flug über reichlich Benzin zu verfügen.
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Mit dieser Argumentation setzt sich der Beschwerdeführer in Widerspruch sowohl zu seinem eigenen Verhalten während des Fluges, als auch zu seiner im kantonalen Strafverfahren gegen Demuth als Privatkläger vertretenen These, dass die ungenaue und irreführende Benzinstandsanzeige, insbesondere im unteren Bereich zu einer schweren Gefährdung des Piloten geführt habe. Nach dem angefochtenen Urteil steht fest, dass Müller schon nach 25 bis 30 Flugminuten bemerkte, dass das Benzinstandsgerät 1/2 anzeigte, weshalb er sich überlegte, ob das Gerät ungenau sei oder Benzin ausfliesse, um daraufhin ![]() ![]() | 20 |
d) Der Beschwerdeführer wirft dem Obergericht weiter vor, die für Burgdorf angegebene Flugzeit von 25-30 Minuten aktenwidrig errechnet zu haben. Bei richtigem Zusammenzählen der vom Obergericht erwähnten Zahlen habe die totale Flugzeit 36 Minuten betragen. Dieser Zeit habe ein Totalverbrauch von 481 entsprochen, sodass unter Berücksicktigung der anfänglichen Minderanzeige von etwa 401 im Raume Burgdorf ca. 1341 hätten angezeigt werden müssen. Bei der 1/2-Anzeige ![]() | 21 |
Die Rüge der Aktenwidrigkeit gehört zu den nach Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP unzulässigen Vorbringen gegen tatsächliche Feststellungen. Sie ist durch diese Bestimmung in Verbindung mit Art. 277bis Abs. 1 BStP bewusst ausgeschlossen worden und kann auch nicht über den Umweg der Behauptung eines offensichtlichen Versehens in die Beschwerdebegründung eingeführt werden (BGE 76 IV 63). Im vorliegenden Fall legt der Beschwerdeführer übrigens selber nicht im einzelnen dar, inwiefern die Angabe der Vorinstanz, wonach über dem Raum Burgdorf die Flugzeit 25-30 Minuten betragen habe, mit andern von ihr genannten Zahlen offensichtlich in Widerspruch stehen sollte. Was aber die von Müller angestellte Berechnung der Minderanzeige des Benzinvorrats bei 1/2 anbelangt, so ist sie schon deswegen nicht zutreffend, weil sie ausser acht lässt, dass der Anzeigefehler beim Start, demzufolge die volle Auffüllung mit etwas über 3/4 verzeichnet wurde, gegen "E" hin gleichmässig abnahm, und namentlich die Linearität der Anzeige und die Bedeutung des Punktes "E" nicht tangierte (Gutachten des Eidg. Amtes für Mass und Gewicht). Soweit aber der Beschwerdeführer mit dem Hinweis darauf, dass er beim Ablesen des Anzeigers für den zweiten Tank sich bereits über der Hangkante der Aare befunden habe, geltend machen möchte, dass er in diesem Zeitpunkt nicht mehr hätte landen können, stände sein Vorbringen im Widerspruch zur verbindlichen Annahme der Vorinstanz, wonach er über dem Plateau von Märchligen-Allmendingen, knapp 1000 m vor dem Flugplatz bei einer Kontrolle ca. 1/8 auf dem linken und fast 0 (E) auf dem andern Behälter abgelesen und sich deshalb überlegt habe, ob er nicht landen solle. Des weiteren hatte auch der Motor nicht schon über jener Ebene, sondern erstmals dann ausgesetzt, als Müller ![]() | 22 |
e) Darüber hilft auch nicht hinweg, was der Beschwerdeführer bezüglich der Eichung und Einstellung des Benzinmessgerätes vorbringt. Er behauptet zwar, durch dieses getäuscht worden zu sein, was sich auch aus dem Bericht des Eidg. Amtes für Mass und Gewicht ergebe. Ohne die Diskrepanz zwischen dem angezeigten und dem effektiv vorhandenen Benzinvorrat hätte er die Gefahr eines unerwarteten Aussetzens des Motors unmittelbar vor dem Flugplatz vielleicht noch erkennen können. Die Heliswiss habe die Skala nicht ergänzt, sondern 20-literweise Benzin eingefüllt, bei der entsprechenden Zeigerstellung Marken angebracht und sich nicht darum gekümmert, dass die Anzeige des effektiven Benzinvorrats mit der Instrumentenskala übereinstimmte. Er habe somit weder diese Skala noch die doppelten Markierungen der Heliswiss für eine sichere Beendigung des Fluges zur Verfügung gehabt, was für die Beurteilung ![]() | 23 |
f) Der Beschwerdeführer macht weiter geltend, es könne keine Rede davon sein, dass Anzeigesysteme im untersten Vorratsbereich bei allen Helikoptern des Typs Bell 47 ungenau seien. Auch nach den EFUK-Akten sollte das Anzeigesystem im Eichungsbereich sehr genau funktionieren. Dem Beschwerdeführer sei zwar bekannt gewesen, dass im mittleren und oberen Anzeigebereich Ungenauigkeiten vorkommen könnten. Er habe jedoch darauf zählen können, dass die Anzeige im untersten Bereich exakt sei. Er habe denn auch bis am Schluss seinen Wahrnehmungen vertraut. Die Annahme der Vorinstanz, wonach er bei der Anzeige auf 1/4 endgültig mit einer Benzinpanne habe rechnen müssen, widerspreche allen Vorschriften, verkenne die Konstruktion des Messsystems und die Erfahrungen der Praxis. Er habe vielmehr bis zum Aussetzen des Motors nicht mit einem Benzinverlust rechnen müssen.
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g) Soweit der Beschwerdeführer ferner geltend macht, der angezeigte Benzinvorrat habe auch nach dem vom Obergericht selber anerkannten Sachverhalt genügt, um im Belpmoos zu landen, und er anderseits behauptet, in Wirklichkeit sei die Benzinreserve schon 2 km vor Märchligen erschöpft und eine sichere Motorlandung bereits über Boll nicht mehr gewährleistet gewesen, weil eine Notlandung ungefähr 2 Minuten Zeit benötigt hätte, schlägt seine Argumentation schon wegen der in ihr liegenden Ungereimtheit fehl. Sollte nämlich nach dem angefochtenen Urteil der Benzinvorrat tatsächlich ausgereicht haben, um auf dem Flugplatz zu landen, so wäre die Behauptung, er sei schon 2 km vor Märchligen erschöpft gewesen, als Bestreitung einer verbindlichen Feststellung von der Hand zu ![]() | 26 |
h) Müller führt weiter zu seiner Entlastung an, der Pilot habe auch bei Notlandungen die Vorschriften über die Aussenlandungen nach Möglichkeit zu beachten, wenn nach seiner Meinung aufeinem nahen Flugplatz ebenso gut oder gar sicherer gelandet werden könne als daneben. Er selber habe geglaubt, sicher zu gehen, wenn er nach Beurteilung des noch vorhandenen Benzinvorrats den Entschluss gefasst habe, auf dem vor ihm liegenden Flugplatz Belpmoos zu landen. Im unwahrscheinlichsten Fall habe er immer noch. damit rechnen können, bei Anzeige "O" am Boden zu sein. Eine Aussenlandung müsse übrigens durch eine akute Zwangslage begründet sein. Das Bundesgericht habe in BGE 83 IV 84 nur einen aussergewöhnlichen Grad von Gefährlichkeit genügen lassen, die nicht anders als mit einer Notlösung gemeistert werden könne. Dabei habe der Pilot keine Zeit, sich lange zu überlegen. Er habe die Weisung, wenn möglich auf einem gesetzlich zugelassenen Flugplatz zu landen, im Blut und reagiere automatisch. Sein Entschluss sei unter den damaligen Umständen der einzig gegebene gewesen, zumal bei Leckfluss eine Notlandung mit einer erheblichen Brandgefahr verbunden sei, was die Vorinstanz völlig ausser acht gelassen habe.
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Auch hier versucht der Beschwerdeführer eine vom verbindlich festgestellten Sachverhalt abweichende Sachdarstellung zu unterschieben, wenn er behauptet, er habe geglaubt, sicher zu gehen, als er sich entschloss, den Flugplatz Belpmoos anzufliegen. Nach dem angefochtenen Urteil ist festgestellt, dass Müller sich schon im Raume zwischen Burgdorf und Worb der drohenden Gefahr bewusst gewesen ist, habe er doch bereits damals das Flugzeug absichtlich tiefer gehalten, weil der Zeiger nicht so gestanden sei, wie er erwartet habe. Dieselbe Feststellung hat das Obergericht weiter für den Zeitpunkt der Überfliegung ![]() | 28 |
Soweit aber der Beschwerdeführer BGE 83 IV 84 heranzieht, um seine Behauptung zu stützen, dass eine Landung ausserhalb eines bewilligten Flugplatzes (s. Art. 17 des Luftfahrtgesetzes, AS 1950 I 474) nur bei einer akuten Zwangslage zulässig sei, die gemäss jener Praxis einen aussergewöhnlichen Grad der Gefährlichkeit erreichen müsse, so verkennt er die Bedeutung dieser Rechtsprechung. Sie bezieht sich einzig auf die Frage, unter welchen Voraussetzungen es als entschuldbar gelten kann, wenn von verschiedenen möglichen Notmassnahmen nicht die zweckmässigste ergriffen wird. Davon verschieden ist die Frage, wann ausserhalb eines bewilligten Flugplatzes gelandet werden darf. Das bestimmt sich nach den Vorschriften des Luftverkehrs. Aus Art. 4 Abs. 2 der Verfügung des EPED vom 18. November 1960 ergibt sich, dass ein Abweichen von den Verkehrsregeln der Luftfahrt gestattet ist, wenn dies aus Gründen der Sicherheit notwendig erscheint. Wie bei anderen Ausnahmen von der Regel wird es für eine Notlandung genügen müssen, dass sich das Luftfahrzeug in einer "Zwangslage" (Art. 13 lit. c) befindet, ![]() | 29 |
Was schliesslich die behauptete Brandgefahr anbelangt, so trifft es nicht zu, dass die Vorinstanz diese nicht berücksichtigt habe. Gegenteils ist sie mit der fachkundigen EFUK zum Schluss gelangt, dass dieses zusätzliche Gefahrenmoment für den Beschwerdeführer erst recht Anlass zu einer unverzüglichen Landung hätte sein müssen. Eine Brandgefahr konnte ja in der Tat auch schon während des Fluges bestehen. Dass sie sich bei Verlangsamung der Geschwindigkeit im Falle einer Landung möglicherweise vergrössert hätte, mag zutreffen, würde jedoch am Ergebnis nichts ändern. Denn als erfahrener Pilot musste sich der Beschwerdeführer sagen, dass ein Leckfluss in dem von ihm anhand der Benzinuhr festgestellten Ausmass ohne rechtzeitige Notlandung unweigerlich zum Absturz des Flugzeuges führen werde, während anderseits eine Verwirklichung der Brandgefahr im Falle einer Landung bloss möglich, aber keineswegs sicher war. Bei einiger Überlegung, zu welcher Müller nach dem bereits Ausgeführten Zeit gehabt hat, hätte sich ihm deshalb eine unverzügliche Zwischenlandung trotz der Möglichkeit eines Brandausbruchs aufdrängen müssen.
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Hiezu ist vorerst festzustellen, dass die Vorinstanz mit dem genannten Vorwurf bloss ein erschwerendes Moment in ihre Begründung eingeführt hat, durch das jedoch der grundsätzlichen Feststellung, dass Müller sich pflichtwidrig unvorsichtig über die alarmierenden Anzeigen der Benzinuhr hinweggesetzt habe und deswegen nicht rechtzeitig gelandet sei, nichts wesentliches beigefügt wurde. Mit dem Hinweis auf die Autorotation erwog das Obergericht nur zusätzlich eine der möglichen Formen einer Notlandung, die im Zusammenhang mit der vom Beschwerdeführer selber geltend gemachten Brandgefahr in Betracht zu ziehen gewesen wäre. Dass Autorotationslandungen aber Bestandteil der Prüfung zur Erlangung des Brevets für Helikopter bilden, wird von Müller unzulässigerweise bestritten (s. Art. 97 Abs. 2 lit. a des Reglementes über die Ausweise für Flugpersonal vom 20.10.1950, AS 1950 II 1419). Und soweit er behauptet, solche Landungen hätten nach den Vorschriften der Heliswiss schlechthin nicht geübt werden dürfen, setzt er sich in klaren Widerspruch zu den von ihm selber ins Recht gelegten Akten. Nach einer Weisung des Eidgenössischen Luftamtes vom 25. April 1967 betreffend Training auf den Hubschraubern der Heliswiss AG wurde den Hubschrauberpiloten mitgeteilt, dass die Direktion dieser Firma gezwungen sei, allen Piloten des genannten Amtes, welche weniger als 500 Stunden Flugerfahrung auf Hubschraubern besitzen, für das Fliegen "ohne Fluglehrer" Autorotationen zu untersagen. In Begleitung von Fluglehrern war somit das Üben solcher Landungen zulässig. Was sodann die Behauptung anbelangt, der Unfallhelikopter habe sich für eine Autorotation nicht geeignet, weil die Rotorblätter ![]() | 32 |
k) Erfolglos bestreitet schliesslich der Beschwerdeführer eine Fahrlässigkeit mit der Begründung, er habe mit einer vollständigen Luftuntüchtigkeit des Helikopters nicht rechnen müssen und es sei, gleich wie beim Flugunfall in Würenlingen, so auch in seinem Fall der effektive Gefährlichkeitsgrad für den Piloten nicht erkennbar gewesen. Zwar trifft zu, dass Müller sich nicht zum vorneherein auf einen Benzinverlust des Flugzeuges gefasst machen musste. Als er aber anhand der Benzinuhr die abnorm rasche Abnahme des Treibstoffvorrates erkannte und ihm nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz die daraus folgende Gefahr bewusst wurde, musste er als erfahrener Pilot sein Flugverhalten auf die Möglichkeit eines Lecks einrichten und namentlich mit Rücksicht auf seinen Passagier in einem Zeitpunkt zu einer Zwischenlandung ansetzen, als ihm diese noch möglich war. Das hat er nicht getan, was ihm von der Vorinstanz mit Recht als Fahrlässigkeit angelastet wurde.
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Damit nimmt die Beschwerde offenbar Bezug auf den schon von Müller gerügten Satz im obergerichtlichen Urteil, wonach jener aufgrund seines beruflichen Wissens um Missstände in der Heliswiss Anlass zu besonderer Vorsicht "beim Steuern" des Fahrzeugs gehabt habe. In Ergänzung der schon in Erwägung I, 3 lit. a oben gemachten Ausführungen ist darauf hinzuweisen, dass das von der Vorinstanz festgestellte Wissen unter dem Gesichtspunkt des Art. 18 Abs. 3 StGB ebenso zu den persönlichen Verhältnissen des Täters zählt wie seine fachlichen Kenntnisse, seine flugtechnische Erfahrung usw. Zum andern ist darauf hinzuweisen, dass auch das Obergericht im gleichen Zusammenhang den Anspruch Müllers auf ein flugtüchtiges Fahrzeug anerkannt hat, um daran freilich den Satz anzuschliessen, er habe (wegen seines Wissens um die Missstände in der genannten Firma) keinen besonderen Grund zur Annahme gehabt, es werde ihm ein einwandfrei gewartetes Flugzeug, bei dem das Eintreten einer Panne ausserhalb jeder Erwartung liege, übergeben. Es hat damit nicht allgemein eine besondere Vorsichtspflicht des Piloten wegen allfälliger Mängel in der Wartung angenommen, sondern seine Aussage auf den konkreten Fall und das besondere Wissen Müllers zugeschnitten, was streng erscheinen mag, mit Art. 18 Abs. 3 StGB aber nicht unvereinbar ist. Das will freilich nicht heissen und wurde vom Obergericht auch in seiner weiteren Begründung nicht so verstanden, dass Müller zum vorneherein mit einem Leck hätte rechnen müssen. Als aber dieses bzw. dessen naheliegende Möglichkeit im Verlaufe des Fluges durch den abnorm raschen Rückgang des Benzinstandsgerätes angezeigt wurde, dann wurde unbekümmert um allfällige der Heliswiss zur Last fallende Mängel in der Wartung die eigene Vorsichtspflicht des Piloten als Führer des Luftfahrzeuges aktuell und er hatte alles vorzukehren, um die eingetretene Gefahr abzuwenden (s. Erw. 1). Dass in diesem Zeitpunkt das Wissen Müllers um die Missstände in der Heliswiss zu einer besonderen Vorsicht Anlass geben mussten, wurde vom Obergericht mit Fug bejaht, ohne jene von der genannten Firma zu vertretenden Mängel "ohne weiteres dem Piloten anzulasten". Im übrigen wird ein Pilot selbst bei technisch einwandfreier Wartung seines Fahrzeugs nicht einfach davon ausgehen ![]() | 37 |
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Soweit damit behauptet werden will, Müller habe vor dem Flug seiner Sorgfaltspflicht genügt, ist das Vorbringen gegenstandslos, weil auch die Vorinstanz eine Pflichtverletzung des Piloten in diesem Stadium nicht angenommen hat (s. Erw. I, 3 lit. a). Namentlich hat das Obergericht Müller auch nicht zum Vorwurf gemacht, dass er der anfänglichen Minderanzeige bei gefüllten Tanks keine besondere Bedeutung beigemessen hatte. Soweit das angefochtene Urteil jenen Umstand überhaupt erwähnt, tut es dies einzig in der Wiedergabe des Sachverhalts, während in den rechtlichen Erwägungen darauf überhaupt nicht Bezug genommen wird. Die Tatsache aber, dass der Benzinvorrat unter normalen Umständen für den vorgesehenen Flug bei weitem ausgereicht hätte, vermag nicht darüber hinwegzuhelfen, dass eben im vorliegenden Fall nach den verbindlichen Annahmen der Vorinstanz von einem gewissen Zeitpunkt an die Umstände in für den Piloten erkennbarer Weise nicht mehr normale gewesen sind und Müller nach den schon im Raume Worb alarmierenden Anzeichen eines Lecks sich auf den anfänglichen Benzinvorrat nicht mehr verlassen durfte. Dafür aber, dass die anfängliche Minderanzeige im obersten Bereich (etwas über 3/4 statt Full) Müller zur Annahme verleitet hätte, die Benzinuhr zeige auch im unteren Skalenbereich (1/4 und darunter) weniger als die tatsächlich vorhandene Benzinmenge an, liegt nichts vor. Müller hat vielmehr vor Bundesgericht noch geltend gemacht, es seien ihm Ungenauigkeiten im unteren Skalenbereich nicht bewusst gewesen, weil das Anzeigesystem im Eichungsbereich genau funktionieren müsse. Da ein Nullpunktfehler ![]() | 39 |
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Die Auffassung der Beschwerdeführerin, wonach der Entschluss Müllers weiterzufliegen, bei dem zuletzt abgelesenen Benzinstand nicht zu beanstanden sei, wäre nur zutreffend, wenn Müller in diesem Zeitpunkt die Gewissheit gehabt hätte und hätte haben dürfen, dass der angezeigte Restbestand an ausfliegbarem Treibstoff nicht schon vor Vollendung der letzten Flugstrecke verloren gehen werde. Diese Gewähr konnte Müller indessen nicht haben. Abgesehen davon, dass er mit der von der Vorinstanz verbindlich festgestellten und in Fachkreisen allgemein bekannten Ungenauigkeit des kleinen Messgerätes rechnen musste (s. Erw. I, 3 lit. b), hätte ihm der auffallend grosse Benzinverlust im Raum zwischen Burgdorf und Worb, wo während bloss fünf Flugminuten ca. 1/4 der gesamten Treibstoffmenge ausfiel (ca. 551 =40-45 Minuten Flugdauer), die Möglichkeit eines vorzeitigen Verlustes auch des restlichen ![]() | 41 |
Es erweist sich damit auch die Beschwerde der Bundesanwaltschaft als unbegründet.
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Dieser Auffassung kann nicht beigestimmt werden. Schon das Wort "spätestens" lässt erkennen, dass nach der Meinung der Vorinstanz Müller bei pflichtgemässer Vorsicht bereits dann eine Zwischenlandung hätte vornehmen sollen, als er über Boll bei Worb feststellte, dass innert bloss fünf Flugminuten der Zeiger für beide Behälter von 1/2 auf 1/4 zurückgegangen war, und er deshalb "endgültig mit einer Benzinpanne rechnen" musste. Tatsächlich hatte der Pilot, auch wenn man von der in der Beschwerde angestellten Berechnung ausgeht, wonach die Strecke von Boll bis zum Flugplatz im Belpmoos in ungefähr 21/2-31/2 Minuten zurückgelegt werden konnte, schon damals allen Grund gehabt, unverzüglich zu landen; denn hatte der ![]() | 44 |
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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1.- Die Nichtigkeitsbeschwerde des Müller wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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