BGE 97 IV 248 | |||
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48. Urteil des Kassationshofes vom 23. November 1971 i.S. Stettler gegen Generalprokurator des Kantons Bern. | |
Regeste |
1. Art. 4 und 38 LG. |
2. Art. 59 Abs. 1 StGB. |
Der aus der Kettenbriefaktion erzielte Gewinn verfällt dem Staat (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
A.- Kurt Stettler beteiligte sich im Mai 1970 an einer von einem gewissen M. Spandl in Bregenz veranstalteten Kettenbriefaktion, die jedem Teilnehmer bei Einhaltung der Spielregeln innert drei bis vier Wochen einen Gewinn von Fr. 7000.-- versprach. Zunächst erhielt Stettler mit einem gedruckten Brief, in dem die Regeln bekannt gegeben wurden, eine Liste von 6 Namen zugestellt, die mit den Nummern 1 bis 6 versehen waren. Nach dem Spielplan hatte er dem Zusteller (Teilnehmer Nr. 6) als Verkäufer des Briefes sowie dem unter Nr. 1 aufgeführten Teilnehmer je Fr. 10.- zu bezahlen und dann die Namenliste mit den Ausweisen über die erfolgten Zahlungen dem Spielunternehmer Spandl ("Money-Maker") zu übermitteln, dem er gleichzeitig ebenfalls Fr. 10.- überweisen musste. Hierauf bekam Stettler vom Unternehmer drei Briefe mit neuer Adressliste zugestellt, auf der jeder der auf der ersten Liste eingetragenen Teilnehmer, unter Weglassung von Nr. 1, um je eine Nummer vorgerückt und unter Nr. 6 der Name von Stettler aufgeführt war. Diese neuen Briefe waren von Stettler an drei neue Teilnehmer weiterzuverkaufen, die darauf ihrerseits in gleicher Weise vorzugehen hatten wie Stettler. Bei planmässiger Fortsetzung des Spiels rückte Stettler im folgenden Gang in 9 Briefen auf den 5. Platz vor, dann in 27 Briefen auf den vierten und nach weiteren drei Gängen, in denen sich jeweils die Zahl der Briefe verdreifachte, in 729 Briefen auf den 1. Platz. Auf diesem hätten ihm die 729 Käufer der Briefe je Fr. 10.- bezahlen sollen. Stettler will indessen bei der ersten Teilnahme kein Geld erhalten haben. Er beteiligte sich darauf im Juni 1970 an einer weitern gleichartigen Kettenbriefaktion, bei der mit entsprechend höheren Einsätzen ein Gewinn von Fr. 40'000.-- in Aussicht stand. Dieses Mal gingen Zahlungen im Gesamtbetrag von Fr. 2800.-- bei ihm ein.
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B.- Die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern erklärte Stettler am 16. April 1971 der Widerhandlung gegen das Lotteriegesetz schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 100.-- und zur Bezahlung des widerrechtlich erzielten Gewinnes von Fr. 2800.-- an den Staat.
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C.- Stettler führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung und Aufhebung der angeordneten Massnahme.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
1. Den Lotterien, die gemäss Art. 1 des Bundesgesetzes betreffend die Lotterien und die gewerbsmässigen Wetten vom 8. Juni 1923 (LG) grundsätzlich verboten sind, werden in Art. 43 Ziff. 1 der dazu gehörigen Vollziehungsverordnung (LV) alle Veranstaltungen gleichgestellt, bei denen das Schneeballsystem (Lawinen-, Hydra-, Gella- oder Multiplexsystem) zur Anwendung kommt (Abs. 1). Eine solche Veranstaltung liegt vor, wenn die Lieferung von Waren, die Ausrichtung von Prämien oder andere Leistungen zu Bedingungen in Aussicht gestellt werden, die für die Gegenpartei des Veranstalters nur dann einen Vorteil bedeuten, wenn es ihr gelingt, weitere Personen zum Abschluss gleicher Geschäfte zu veranlassen (Abs. 2).
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Es ist unbestritten, dass es sich bei der Kettenbriefaktion, an welcher der Beschwerdeführer teilnahm, um eine lotterieähnliche Unternehmung im Sinne des erwähnten Art. 43 Ziff. 1 LV gehandelt hat, die verboten war.
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Art. 38 LG unterscheidet zwischen strafbarer Ausgabe und Durchführung einer Lotterie einerseits und straffreiem Einlegen anderseits. Was unter Durchführung einer Lotterie zu verstehen ist, sagt Art. 4 LG. Darnach gehören dazu die dem Lotteriezweck dienenden Handlungen, wie die Ankündigung oder Bekanntmachung einer Lotterie, die Ausgabe der Lose, die Empfehlung, das Feilbieten, die Vermittlung und der Verkauf von Losen, Coupons oder Ziehungslisten, die Losziehung, die Ausrichtung der Gewinne, die Verwendung des Ertrages. Obschon in dieser Bestimmung die verbotenen Handlungen nicht erschöpfend, sondern nur beispielsweise aufgezählt werden, wird der Kauf von Losen - im Gegensatz zum Verkauf - bewusst nicht aufgeführt. Denn wer ein Los kauft oder sonstwie ein Rechtsgeschäft eingeht, das die Beteiligung an der Lotterie zur Folge hat, ist Einleger. Als solcher unterstützt er zwar die Durchführung einer Lotterie, bleibt aber, weil er nicht für die Lotterieunternehmung handelt, von Strafe frei (StenBull StR 1921 S. 82, NR 1922 S. 863).
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Bei der Kettenbriefaktion begründet der Erwerb eines Briefes im Unterschied zum Kauf eines Loses noch keine Aussicht auf Gewinn. Zur Durchführung der Veranstaltung bedarf es vielmehr der aktiven Mitwirkung der Mitspieler, indem jedes Glied der Kette eine Reihe von Handlungen vornehmen muss, ohne die das Unternehmen zum Scheitern verurteilt ist. So hat auch der Beschwerdeführer nicht bloss einen Kettenbrief zum Preise von Fr. 10.- erworben, sondern bezahlte auch dem an erster Stelle genannten Teilnehmer Fr. 10.- und löste den Kettenbrief beim Unternehmer unter gleichzeitiger Bezahlung von Fr. 10.- gegen drei neue Briefe ein, die er nach der verbindlichen Feststellung der Vorinstanz an drei neue Teilnehmer weiterverkaufte. Setzt demnach das Gelingen der Kettenbriefaktion die Mitwirkung jedes einzelnen Mitspielers notwendig voraus und bildet die Tätigkeit des Unternehmers und jene der Teilnehmer ein zusammenhängendes Ganzes, so kennzeichnen sich die Handlungen der Spieler nicht mehr als blosses Einlegen in eine Lotterie, sondern stellen eigentliche Durchführungshandlungen im Sinne von Art. 4 LG dar, die verboten sind.
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Ob sich der Beschwerdeführer als Gehilfe oder als Mittäter des Veranstalters der Aktion strafbar gemacht habe, ist nicht zu prüfen. Wer eine nach Art. 4 LG der Durchführung einer Lotterie dienende Handlung vornimmt, begeht unabhängig vom Veranstalter eine verbotene Handlung und ist als selbständiger Täter zu bestrafen (StenBull StR 1921 S. 125, Votum Andermatt zu Art. 4 und 5).
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Die Geldbeträge, die dem Beschwerdeführer durch die Mitspieler zugewendet wurden, hatten ausserdem den Charakter einer Belohnung. Sie waren das Entgelt dafür, dass er durch die Einlösung des erworbenen Kettenbriefes gegen drei neue und durch deren Weitergabe die Aktion fortgesetzt und dadurch weitern Mitspielern die Möglichkeit verschafft hat, an der Kettenbriefaktion teilzunehmen und einen Gewinn zu erzielen. Dass die Teilnehmer bei der Zahlung nicht vorwiegend in Belohnungs- oder Schenkungsabsicht handelten, sondern die Zuwendungen in erster Linie um des eigenen Gewinnes willen machten, ändert nichts. Das Gesetz stellt nicht auf die Beweggründe des Leistenden, sondern auf die objektive Zweckbestimmung der Zuwendung ab. Diese war übrigens den Spielern bekannt, ergab sich doch aus dem Spielplan selbst, dass die Zahlungen, die sie zu leisten hatten und selber zu erlangen trachteten, der Lohn für die Teilnahme an der Aktion war. Die erhaltenen Zuwendungen waren somit ein Entgelt für die strafbare Handlung, die sie durch die Mitwirkung am verbotenen Spiel begingen.
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Der Beschwerdeführer verweist zu Unrecht auf den Fall Bührle (BGE 96 IV 155), um darzutun, dass der angeordnete Verfall der Zuwendungen der Praxis widerspreche. Er übersieht, dass der dort aus den illegalen Waffenverkäufen erzielte Erlös keine Gegenleistung für die Widerhandlungen gegen den Kriegsmaterialbeschluss war und daher Art. 59 Abs. 1 StGB nicht zur Anwendung kommen konnte. Unbegründet ist auch der Einwand, die Vorinstanz hätte von den insgesamt eingegangenen Zahlungen von Fr. 2800.-- die eigenen Leistungen des Beschwerdeführers von zusammen Fr. 30.- abziehen müssen. Nach Art. 59 Abs. 1 verfallen dem Staat die Zuwendungen zum vollen Wert, nicht bloss der nach Abzug allfälliger Aufwendungen verbleibende Nettogewinn.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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