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48. Urteil des Kassationshofes vom 23. November 1971 i.S. Stettler gegen Generalprokurator des Kantons Bern. | |
Regeste |
1. Art. 4 und 38 LG. |
2. Art. 59 Abs. 1 StGB. |
Der aus der Kettenbriefaktion erzielte Gewinn verfällt dem Staat (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
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B.- Die II. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Bern erklärte Stettler am 16. April 1971 der Widerhandlung gegen das Lotteriegesetz schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 100.-- und zur Bezahlung des widerrechtlich erzielten Gewinnes von Fr. 2800.-- an den Staat.
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C.- Stettler führt gegen dieses Urteil Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Freisprechung und Aufhebung der angeordneten Massnahme.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
1. Den Lotterien, die gemäss Art. 1 des Bundesgesetzes betreffend die Lotterien und die gewerbsmässigen Wetten vom 8. Juni 1923 (LG) grundsätzlich verboten sind, werden in Art. 43 Ziff. 1 der dazu gehörigen Vollziehungsverordnung (LV) alle Veranstaltungen gleichgestellt, bei denen das Schneeballsystem (Lawinen-, Hydra-, Gella- oder Multiplexsystem) zur Anwendung kommt (Abs. 1). Eine solche Veranstaltung liegt vor, wenn die Lieferung von Waren, die Ausrichtung von ![]() | 4 |
Es ist unbestritten, dass es sich bei der Kettenbriefaktion, an welcher der Beschwerdeführer teilnahm, um eine lotterieähnliche Unternehmung im Sinne des erwähnten Art. 43 Ziff. 1 LV gehandelt hat, die verboten war.
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Art. 38 LG unterscheidet zwischen strafbarer Ausgabe und Durchführung einer Lotterie einerseits und straffreiem Einlegen anderseits. Was unter Durchführung einer Lotterie zu verstehen ist, sagt Art. 4 LG. Darnach gehören dazu die dem Lotteriezweck dienenden Handlungen, wie die Ankündigung oder Bekanntmachung einer Lotterie, die Ausgabe der Lose, die Empfehlung, das Feilbieten, die Vermittlung und der Verkauf von Losen, Coupons oder Ziehungslisten, die Losziehung, die Ausrichtung der Gewinne, die Verwendung des Ertrages. Obschon in dieser Bestimmung die verbotenen Handlungen nicht erschöpfend, sondern nur beispielsweise aufgezählt werden, wird der Kauf von Losen - im Gegensatz zum Verkauf - bewusst nicht aufgeführt. Denn wer ein Los kauft oder sonstwie ein Rechtsgeschäft eingeht, das die Beteiligung an der Lotterie zur Folge hat, ist Einleger. Als solcher unterstützt er zwar die Durchführung einer Lotterie, bleibt aber, weil er nicht für die Lotterieunternehmung handelt, von Strafe frei (StenBull StR 1921 S. 82, NR 1922 S. 863).
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Bei der Kettenbriefaktion begründet der Erwerb eines Briefes im Unterschied zum Kauf eines Loses noch keine Aussicht auf Gewinn. Zur Durchführung der Veranstaltung bedarf es vielmehr der aktiven Mitwirkung der Mitspieler, indem jedes Glied der Kette eine Reihe von Handlungen vornehmen muss, ohne die das Unternehmen zum Scheitern verurteilt ist. So hat ![]() | 8 |
Ob sich der Beschwerdeführer als Gehilfe oder als Mittäter des Veranstalters der Aktion strafbar gemacht habe, ist nicht zu prüfen. Wer eine nach Art. 4 LG der Durchführung einer Lotterie dienende Handlung vornimmt, begeht unabhängig vom Veranstalter eine verbotene Handlung und ist als selbständiger Täter zu bestrafen (StenBull StR 1921 S. 125, Votum Andermatt zu Art. 4 und 5).
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Die Geldbeträge, die dem Beschwerdeführer durch die Mitspieler zugewendet wurden, hatten ausserdem den Charakter einer Belohnung. Sie waren das Entgelt dafür, dass er durch die Einlösung des erworbenen Kettenbriefes gegen drei neue und durch deren Weitergabe die Aktion fortgesetzt und dadurch weitern Mitspielern die Möglichkeit verschafft hat, an der ![]() | 11 |
Der Beschwerdeführer verweist zu Unrecht auf den Fall Bührle (BGE 96 IV 155), um darzutun, dass der angeordnete Verfall der Zuwendungen der Praxis widerspreche. Er übersieht, dass der dort aus den illegalen Waffenverkäufen erzielte Erlös keine Gegenleistung für die Widerhandlungen gegen den Kriegsmaterialbeschluss war und daher Art. 59 Abs. 1 StGB nicht zur Anwendung kommen konnte. Unbegründet ist auch der Einwand, die Vorinstanz hätte von den insgesamt eingegangenen Zahlungen von Fr. 2800.-- die eigenen Leistungen des Beschwerdeführers von zusammen Fr. 30.- abziehen müssen. Nach Art. 59 Abs. 1 verfallen dem Staat die Zuwendungen zum vollen Wert, nicht bloss der nach Abzug allfälliger Aufwendungen verbleibende Nettogewinn.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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