BGE 98 IV 52 | |||
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9. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Februar 1972 i.S. Strebel gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | |
Regeste |
Art. 285 Ziff. 2 Abs. 1 StGB. Aufruhr. |
2. Sonderstellung für den Parlamentarier hinsichtlich der Teilnahme an der Zusammenrottung nur, wenn er sich als neutraler Beobachter verhält. | |
Sachverhalt | |
A.- Werner Strebel schloss sich am frühen Abend des 29. Juni 1968 der Demonstration vor dem Globus-Provisorium bei der Bahnhofbrücke in Zürich an und verweilte darin, als ein Teil der Anwesenden sich auf die Fahrbahn der Bahnhofbrücke begab, auf die Tramschienen setzte und den Verkehr schliesslich vollständig zum Stillstand brachte. Er verblieb im Zentrum des Haufens auch als die Polizei wiederholt die Demonstranten zur Freigabe der Strasse aufforderte und der Polizeiinspektor ein Ultimatum stellte, den Platz innerhalb einer bestimmten Zeit zu räumen, ansonsten die Ordnungskräfte Wasser einsetzen würden, wobei auf blosse Zuschauer keine Rücksicht genommen werden könnte. Schon vor dem Wassereinsatz beschimpfte Strebel die Polizeibeamten mit Ausdrücken wie "Nazi", "Sauhunde", "Schweine", "Nazibrüder" und "Dreckbande". In einer späteren Phase der Demonstration befand er sich auf der Bahnhofbrücke und richtete hier nach eigenen Aussagen Rufe der Missbilligung gegen die Polizei. Als er daraufhin beim Central das Mitglied des "Aktionskomitees Autonomes Jugendzentrum" Roland Gretler traf, welches eben versuchte, Manifestanten vom Behändigen von Blumentöpfen und deren Verwendung als Wurfgeschosse abzuhalten, äusserte er sich zu diesem: "Mit etwas müssen sich die Jungen schliesslich wehren." Etwa um dieselbe Zeit rief er auch laut in die Menge, jetzt müsse man "drauf gehen". Später kehrte er zum Globus- Provisorium zurück und wiederholte seine Beschimpfungen gegenüber der Polizei mit Ausdrücken wie "Sauhunde", "Nazimethoden" usw., worauf ein Polizist ihn verhaften wollte. Als dieser aber von einem zweiten Polizeibeamten erfuhr, dass es sich dabei um Gemeinderat Strebel handle, liess er von seinem Vorhaben ab.
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B.- Am 18. Dezember 1970 verurteilte das Geschworenengericht des Kantons Zürich Werner Strebel gestützt auf Art. 285 Ziff. 2 Abs. 1 StGB wegen Gewalt und Drohung gegen Behörden und Beamte zu einer bedingt aufgeschobenen Gefängnisstrafe von einem Monat.
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Eine vom Verurteilten gegen dieses Urteil eingereichte kantonale Kassationsbeschwerde wurde am 10. November 1971 abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.
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C.- Strebel führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Geschworenengerichtes sei wegen Verletzung der Art. 285, 20 und 64 StGB aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Der Kassationshof wies die Beschwerde ab.
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Aus den Erwägungen: | |
Die in der Beschwerde vertretene Auffassung, wonach der Teilnahmevorsatz eine besondere Zielsetzung in dem Sinne verlange, dass mittels der vom zusammengerotteten Haufen begangenen oder zu begehenden Gewalttätigkeiten die Staatsgewalt als solche getroffen oder gar gestürzt werden solle, geht fehl; sie verkennt den Unterschied zwischen Art. 285 einerseits und Art. 265 anderseits. Bloss im letzteren Falle muss der Vorsatz des Täters darauf gerichtet sein, mit Gewalt die verfassungsmässigen Behörden abzusetzen oder ihnen die Ausübung ihrer Gewalt zu verunmöglichen. Im ersteren reicht es aus, wenn der Täter Behörden, Behördenmitglieder oder Beamte an einzelnen Amtshandlungen hindern, dabei stören oder angreifen will (Art. 285 Ziff. 1), bzw. der Teilnehmer die vom zusammengerotteten Haufen darauf gerichteten Handlungen billigt (Art. 285 Ziff. 2 Abs. 1; s. HAFTER, Bes. Teil S. 637; LOGOZ, N. 8 zu Art. 285 und N. 2 b zu Art. 265; THORMANN/VON OVERBECK, N. 6 zu Art. 265). Hierbei ist - wie bereits ausgeführt - nicht einmal erforderlich, dass die Person, welche sich in Kenntnis dieser Handlungen willentlich dem Haufen anschliesst oder in ihm verbleibt, durch ihre Anwesenheit die Ziele der aufrührerischen Menge fördern wolle (BGE 70 IV 220). Die Billigung des gewaltsamen Verhaltens genügt, unbekümmert um ihre objektive Wirkung.
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Sodann vermag auch der Einwand des Beschwerdeführers nicht durchzudringen, er habe sich als Parlamentarier der Gemeinde Zürich, dessen Recht und Pflicht es sei, Exekutive und Verwaltung zu überwachen, befugterweise ins Zentrum der Auseinandersetzung begeben, und es könnten deshalb seine daselbst in der Erregung über die Brutalitäten der Polizei von sich gegebenen Laute nicht als Indiz dafür gewertet werden, dass er die verübten Gewalttätigkeiten unterstützt habe. Zwar wird man es einem Parlamentsmitglied, das es für seine Pflicht erachtet, die Polizei zu überwachen, zugestehen müssen, bei einer Demonstration, die den Einsatz der Polizei erfordert, anwesend zu sein. Da Strebel bei den Demonstranten als der Polizei gegenüber kritischer Parlamentarier bekannt war und seine Anwesenheit deshalb leicht als Unterstützung der Demonstration verstanden werden konnte, hätte er sich indessen besondere Zurückhaltung auferlegen und strikte auf die Rolle des neutralen Beobachters beschränken müssen, wenn er sich schon für berechtigt hielt, mitten im Haufen zu sein. Das aber hat er offensichtlich nicht getan. Die Rechtfertigungsthese des Parlamentariers geht deshalb fehl, zumal Strebel erwiesenermassen nicht erst dann die Polizei zu beschimpfen anfing, als diese zur Räumung des Platzes vorging, sondern bereits in jenem Zeitpunkte, als die Ordnungskräfte bloss zur Räumung der Fahrbahn aufforderten, sich sonst aber hinter den Abschrankungen aufhielten.
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