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10. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 1. März 1972 i.S. Politzer gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich. | |
Regeste |
1. Falscher Führerausweis |
b) Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG betrifft nur echte Ausweise; die Verwendung falscher oder gefälschter Ausweise fällt unter Art. 252 Ziff. 1 StGB (Erw. 1 b, 2). |
c) Art. 95 Ziff. 1 Abs. 1 SVG setzt voraus, dass der Führer den Ausweis überhaupt nicht besitzt (Erw. 2). |
d) Verhältnis von Art. 99 Ziff. 3 SVG zu Art. 252 Ziff. 1 StGB (Erw. 2). |
2. Art. 227 Abs. 2, 268ff., 277 ter BStP. Verbot der reformatio in peius (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
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B.- Das Bezirksgericht Zürich sprach Politzer am 26. Juli 1971 deswegen des fortgesetzten Fahrens ohne Führerausweis im Sinne von Art. 95 Ziff. 1 Abs. 1 SVG schuldig und verurteilte ihn wegen dieser und anderer strafbaren Handlungen zu zwei Monaten Gefängnis, abzüglich 28 Tage Untersuchungshaft, und zu Fr. 100.-- Busse.
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Auf Berufung hin änderte das Obergericht des Kantons Zürich den erstinstanzlichen Schuldspruch dahin ab, dass es Politzer nicht wegen fortgesetzten Fahrens ohne Führerausweis, sondern wegen fortgesetzten Missbrauchs von Ausweisen gemäss Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG verurteilte und ihm an die Gefängnisstrafe 30 statt 28 Tage Untersuchungshaft anrechnete. Im übrigen bestätigte es den Urteilsspruch des Bezirksgerichtes, indem es Politzer namentlich den bedingten Strafvollzug und die vorzeitige Löschbarkeit der Busse im Strafregister verweigerte.
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C.- Politzer führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, er sei nur wegen Nichtmitführens von Ausweisen im Sinne des Art. 10 Abs. 4 SVG schuldig zu erklären, und es sei ihm der bedingte Strafvollzug, eventuell die vorzeitige Löschung der Busse im Strafregister zu bewilligen.
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Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich hat auf eine Vernehmlassung verzichtet.
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D.- Eine von Politzer gegen das obergerichtliche Urteil eingereichte kantonale Kassationsbeschwerde ist vom Kassationsgericht des Kantons Zürich am 24. Januar 1972 abgewiesen worden.
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a) Die Bestimmung des Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG, der zufolge sich strafbar macht, wer Ausweise verwendet, die nicht für ihn bestimmt sind, ist im Zusammenhang mit der allgemeinen Vorschrift des Art. 10 Abs. 4 SVG zu sehen, die den Führer verpflichtet, einerseits die Ausweise mitzuführen und anderseits diese auf Verlangen der Kontrollorgane vorzuweisen. Da das eine wie das andere Gebot der Kontrolle des Motorfahrzeugverkehrs dient (BGE 87 IV 162), das Nichtmitführen des Ausweises aber den Fahrzeuglenker überhaupt ausserstande setzt, der Kontrollpflicht zu genügen, liegt der Akzent offensichtlich auf der ersteren Verpflichtung. Dem ist nun aber auch bei der Auslegung von Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG Rechnung zu tragen. Da diese Strafsanktion die Verwendung nicht für den Führer bestimmter Ausweise treffen will, um die Kontrolle des Motorfahrzeugverkehrs zu gewährleisten, muss sie folgerichtig schon das missbräuchliche Mitführen und nicht erst das Vorweisen der fraglichen Ausweise zum Gegenstand haben. Ein Verwenden im Sinne des Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG ist deshalb bereits gegeben, wenn der Fahrzeuglenker einen nicht für ihn bestimmten Ausweis auf einer Fahrt im öffentlichen Verkehr mit einem Fahrzeug, dessen Führung ausweispflichtig ist, mitführt (SCHULTZ, Strafbestimmungen des SVG, S. 294 oben), in der Absicht, sie auf Verlangen eines Kontrollorgans vorzuweisen. Dass der Ausweis zu einer Kontrolle auch tatsächlich vorgewiesen wurde, ist somit entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht erforderlich. Insoweit hat die Vorinstanz Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG zutreffend ausgelegt.
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c) Schliesslich hätte die Vorinstanz jene Bestimmung aber auch deswegen nicht heranziehen dürfen, weil darunter nach klarem Gesetzeswortlaut nur die Verwendung von Ausweisen fällt, die nicht für den Führer bestimmt sind. Der falsche deutsche Führerschein jedoch, den Politzer mitgeführt hat, war für ihn ausgestellt worden und lautete auch auf seinen Namen.
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2. Hat demnach die Vorinstanz den Beschwerdeführer zu Unrecht des Missbrauchs von Ausweisen im Sinne des Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG schuldig gesprochen, so ist damit noch nicht gesagt, dass Politzer bloss wegen Nichtmitführens von Ausweisen nach Art. 99 Ziff. 3 SVG zu bestrafen sei. Zwar ist dann, wenn der Führer einen gültigen Ausweis besitzt, ihn aber nicht mitführt, nicht Art. 95 Ziff. 1 Abs. 1 SVG, sondern Art. 99 Ziff. 3 SVG anwendbar; die erstere Bestimmung setzt nämlich voraus, dass der Führer den erforderlichen Ausweis überhaupt nicht besitzt (BADERTSCHER/SCHLEGEL, Strassenverkehrsgesetz, S. 204; SCHULTZ, op.cit. S. 257 und 322). Im vorliegenden Fall hat jedoch die Vorinstanz verbindlich festgestellt, es sei zugunsten des Beschwerdeführers anzunehmen, dass er im Besitz eines ![]() | 11 |
Ist dem aber so, muss die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen werden, damit sie den Beschwerdeführer statt nach Art. 97 Ziff. 1 Abs. 1 SVG nach Art. 252 Ziff. 1 Abs. 3 StGB schuldig spreche (BGE 96 IV 66), sofern das kantonale Prozessrecht dies zulässt. Von Bundesrechts wegen steht jedenfalls diesem Vorgehen nichts entgegen. Die tatsächlichen Grundlagen der abweichenden rechtlichen Unterstellung des Sachverhaltes durch den Kassationshof sind diejenigen des angefochtenen Entscheides, zu denen der Beschwerdeführer im kantonalen Verfahren hatte Stellung nehmen können (BGE 74 I 10), und was die Strafdrohung des Art. 252 Ziff. 1 StGB anbelangt, so deckt sie sich mit derjenigen des Art. 97 Ziff. 1 SVG, von welcher die Vorinstanz ausgegangen ist. Schliesslich bleibt auch das Verschulden des Beschwerdeführers dasselbe, so dass die Änderung im Schuldspruch nicht zu einer Verschärfung der Strafe führen muss (BGE 70 IV 224). Zwar kann sich fragen, ob nicht Idealkonkurrenz zwischen Art. 252 StGB und Art. 99 ![]() | 12 |
Sollte jedoch eine Schuldigsprechung nach Art. 252 StGB aus Gründen des kantonalen Verfahrensrechtes nicht möglich sein, so wäre entsprechend dem Antrag des Beschwerdeführers in diesem Punkte nur wegen Nichtmitführens von Ausweisen gemäss Art. 99 Ziff. 3 SVG zu verurteilen.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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