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21. Urteil des Kassationshofes vom 21. Januar 1972 i.S. Byland gegen Polizeirichteramt der Stadt Zürich. | |
Regeste |
Art. 14 Abs. 1 VRV. |
2. Festlegung der Randlinie bei Kreuzungen und Einmündungen von Strassen gleichbleibender Breite ohne Trottoir (Erw. 1c), mit Trottoir (Erw. 2 b) und bei trichterförmigen Strasseneinmündungen (Erw. 1c und 2 a). | |
Sachverhalt | |
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B.- Der Polizeirichter der Stadt Zürich büsste Byland wegen Nichtgewährung des Vortritts im Sinne von Art. 36 Abs. 2 SVG, 14 Abs. 1 VRV und 90 Ziff. 1 SVG mit Fr. 40.-.
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Byland erhob kantonale Nichtigkeitsbeschwerde. Sie wurde von der I. Strafkammer des Obergerichts am 15. Oktober 1971 abgewiesen, im wesentlichen mit folgender Begründung:
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Wie der Einzelrichter aufgrund des polizeilichen Situationsplans feststelle, sei der Wagen des Beschwerdeführers unmittelbar hinter der gedachten Verlängerung des bergseitigen Trottoirrandes der Chorgasse zum Stehen gekommen. Byland sei daher in die dem vortrittsberechtigten Hefti vorbehaltene Schnittfläche der beiden Strassen, wie sie sich aus der trichterförmigen Ausweitung ergebe, eingedrungen. Eine trichterförmige Ausweitung werde durch jegliche Abrundung der Randlinien, auch durch blosse Trottoirrundung gebildet.
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C.- Byland führt Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, das Urteil vom 15. Oktober 1971 aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an das Obergericht zurückzuweisen.
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Das Polizeirichteramt Zürich beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Der Kassationshofzieht in Erwägung: | |
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Das Obergericht geht davon aus, die Schnittfläche, auf der einem aus der Chorgassse einbiegenden gegenüber einem vom Seilergraben kommenden Fahrzeug das Vortrittsrecht zustehe, weite sich am Predigerplatz trichterförmig bis zu dem Punkte aus, wo die Trottoirrundung in die gerade Kante des Trottoirs am Predigerplatz übergeht (Punkt A der Skizze). Der Beschwerdeführer bezeichnet als Grenzlinie die Verlängerung der Bordkante des Trottoirs an der Chorgasse. Zu beurteilen ist somit, ob Hefti auf der in der Skizze schraffiert dargestellten Fläche ein Vortrittsrecht zustand, das von Byland durch Einfahrt in diese Fläche verletzt worden ist.
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Soweit der Verkehr bei Verzweigungen gleichwertiger Strassen nicht durch Lichtsignale oder Verkehrspolizei geregelt wird, steht der Vortritt unter gleichwertigen Fahrzeugen dem von rechts Kommenden zu (Art. 36 Abs. 2 SVG). Der Vortrittsbelastete darf den Berechtigten in der Weiterfahrt nicht behindern. Er muss rechtzeitig verlangsamen und nötigenfalls anhalten (Art. 14 Abs. 1 VRV). Das deutsche Recht spricht darum zutreffend vom Wartepflichtigen.
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b) Die Ausgestaltung des Vortrittsrechts im Einzelfall richtet sich nach dieser allgemeinen Zielsetzung. Für die Kreuzungsfläche, auf der sich das Vortrittsrecht auswirkt, ergibt sich folgendes:
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Der Vortrittsberechtigte muss seine Fahrt unbehindert fortsetzen können, gleichgültig ob er geradeaus weiterfährt oder abbiegt und ob der Wartepflichtige sich noch in Fahrt befindet ![]() | 13 |
Der Vortrittsbelastete muss dem Berechtigten die unbehinderte Weiterfahrt ermöglichen. Unter diesem Vorbehalt darf er bis hart an die Einmündung heranfahren, damit sein Fahrzeug von den übrigen Verkehrsteilnehmern gesehen wird und er selbst den Verkehr namentlich auf der vortrittsberechtigten Strasse möglichst gut überblickt; nach Durchfahrt Vortrittsberechtigter sollen der Wartepflichtige und nachfolgende Fahrzeuge ebenfalls möglichst zügig weiterfahren können. Der Wartepflichtige soll also nicht zu weit von der Einmündung entfernt anhalten.
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Daraus folgt, dass die Kreuzungsfläche durch die seitlichen Randlinien der dem korrekt fahrenden Vortrittsberechtigten zustehenden Fahrbahn begrenzt wird.
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c) Bei sich gradlinig schneidenden Strassen gleichbleibender Breite ohne Trottoir ergibt sich die Kreuzungsfläche von selbst.
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Verlaufen die Strassenränder nicht parallel, sondern weitet sich eine Strasse bei der Verzweigung trichterförmig aus, so folgt der Verkehrsfluss dieser Strassenlinie. Hier geht die massgebende Grenzlinie durch den Punkt, an dem sich die Strasse auszuweiten beginnt und damit sichtbar in das Einmündungsgebiet übergeht (BGE 85 IV 87).
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a) Dem damals beurteilten Fall lag folgende Situation zugrunde:
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Dieses unter der Herrschaft des MFG gefällte Urteil entspricht auch der heutigen Ordnung. Der Wartepflichtige durfte bis zur gestrichelt eingezeichneten Linie vorfahren ohne dadurch das Vortrittsrecht des von Emmen Kommenden zu verletzen. Das Vortrittsrecht erstreckte sich bis zum bezeichneten Grenzpunkt und nicht etwa nur bis zur gedachten Verlängerung des vor der Ausweitung bestehenden Randes der Inwilerstrasse. Der normale Verkehrsstrom folgte der Abrundung, das Einmündungsgebiet erstreckte sich über die ganze Länge der durch die gestrichelte Linie begrenzten Fläche. Indem der Wartepflichtige bei der Kollisionsstelle ohne Rücksicht auf das von Emmen kommende Fahrzeug in die Hauptstrasse einbog, behinderte er den Vortrittsberechtigten.
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b) Anders liegen die Dinge im Bereich geradliniger Kreuzungen und Einmündungen von Strassen mit parallelen Rändern und Trottoirs, deren Ecken sozusagen immer leicht abgerundet sind, um das Abbiegen nach rechts ohne vorheriges Ausschwenken gegen die Strassenmitte zu ermöglichen. Hier breiten sich die Verkehrsströme nicht aus; sie folgen den Bordkanten und deren Verlängerungen.
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Das gilt auch für den Unfallort, wo der Predigerplatz vom Seilergraben her als Strasse mit parallelen Seitenlinien verläuft und sich nach Einmündung der Chorgasse gleichmässig fortsetzt. Die Chorgasse ihrerseits verengt sich gegen die Verzweigung ![]() | 23 |
c) Nichts spricht für eine Verpflichtung des Vortrittsbelasteten schon vor der gedachten Verlängerung der Bordkante der vortrittsberechtigten Strasse zu warten, z.B. gemäss Auffassung des Obergerichts auf der Höhe der beginnenden Trottoirrundung (von Punkt A in Skizze 1 ausgehende Linie). Fährt der Vortrittsberechtigte geradeaus oder nach rechts, so bewegt sich sein Fahrzeug ohnhin rechts der Verlängerung der linken Bordkante. Biegt er nach links ab, so hat er die Kurve weit zu nehmen (Art. 13 Abs. 4 VRV). Ein korrekt rechts fahrender und auf der Höhe der Trottoirkante anhaltender Vortrittsbelasteter behindert ihn dabei nicht in der freien Fahrt.
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Hält der Wartepflichtige schon bei Beginn der Trottoirabrundung, so kann je nach dem Standort des Fahrers und den örtlichen Verhältnissen die Sicht auf die Hauptstrasse erheblich schlechter sein, als wenn er bis zur gedachten Verlängerung des Trottoirrandes vorfährt. Die Verkehrssicherheit wird durch zu frühes Anhalten nicht gefördert, sondern beeinträchtigt.
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d) Bei unübersichtlichen Einmündungen bietet die Vortrittsregelung nach Art. 36 Abs. 2 SVG oftmals keinen genügenden Schutz. Der Belastete wird dann durch ein Stopsignal verpflichtet, nicht nur den Vortritt zu gewähren, sondern einen Sicherheitshalt einzulegen (Art. 21 SSV; BGE 97 IV 44 /45). Für die Frage bis zu welcher Linie der Haltepflichtige vorfahren darf, gelten die gleichen Überlegungen wie für den Wartepflichtigen. Dementsprechend sieht die Verordnung über die Strassensignalisationen (Anhang 2; 4. Markierungen Nr. 413/414) vor, dass die Haltelinie als Verlängerung der strassenseitigen Trottoirkante der Hauptstrasse anzubringen ist. Der Haltepflichtige darf bis zu dieser Linie vorfahren. Auch hier wird der korrekt in weiter Linkskurve abbiegende Vortrittsberechtigte durch das anhaltende Fahrzeug nicht behindert.
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Es würde den Anforderungen des Strassenverkehrs und der Logik der Verkehrsregeln widersprechen, wollte man das Vortrittsrecht gegenüber einer Stopstrasse flächenmässig enger umgrenzen als gegenüber einer bloss vortrittsbelasteten Strasse. Nichts würde es rechtfertigen, vom bloss Wartepflichtigen zu ![]() | 27 |
e) Aus dem Gesamten ergibt sich, dass der Wagen des Beschwerdeführers ausserhalb der Vortrittsfläche zum Stehen gekommen ist. Indem die Begründung des angefochtenen Urteils die in der Skizze schraffiert bezeichnete Fläche als Teil der Kreuzungsfläche bezeichnet, verletzt sie Art. 36 Abs. 2 SVG.
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Ganzer Vorderteil (hauptsächlich rechts) bis zur Frontscheibe eingedrückt. Radaufhängung beschädigt. Fahrzeug Hefti:
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Linker vorderer Kotflügel eingedrückt. Stossstange und linkes Vorderrad beschädigt.
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Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer beim Aufprall noch mit erheblicher Geschwindigkeit gefahren ist und seinen Wagen nicht etwa durch Vollbremsung noch vor der Wartelinie selbst angehalten hat. Vielmehr wurde er durch den wuchtigen Aufprall auf ein Hindernis, nämlich den Volvo des Hefti, zum Stehen gebracht. Ohne dieses Hindernis wäre er noch erheblich in die Schnittfläche der beiden Strassen hinausgeraten. Der ![]() | 32 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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