BGE 99 IV 1 | |||
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1. Urteil des Kassationshofes vom 19. Januar 1973 i.S. Garoni gegen Firma Maroquin. | |
Regeste |
Art. 28 und 173 ff. StGB; Antragstellung im Ehrverletzungsverfahren. | |
Sachverhalt | |
A.- a) Der einzelzeichnungsberechtigte Verwaltungsrat der Firma Maroquin Etbl., Vaduz, Guido Feger, erteilte am 14. Juni 1965 Hennecke Kardel eine Generalvollmacht, wonach dieser ermächtigt wurde, "für die Firma zu verhandeln, Verträge abzuschliessen, Beträge einzukassieren, über Bankkonten und andere Aktiven zu verfügen, gegenüber Dritten und Behörden rechtsverbindliche Erklärungen abzugeben, kurz alles zu tun, was der Verwaltungsrat der Firma selbst tun könnte". Feger erklärte in dieser Urkunde weiter, "alle Handlungen von Kardel namens und für Rechnung der Firma als rechtsgültig und rechtsverbindlich anzuerkennen, wie wenn der Verwaltungsrat der Firma selbst gehandelt hätte".
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b) In seiner Nummer vom 15. Januar 1971 prangerte der Schweizerische Beobachter unter dem Titel "Kundenfang" die angeblich unlauteren Geschäftsmethoden einer "Firma Maroquin, mit Niederlassung in Ceuta (Marokko) und einer Auslieferungsstelle in Genf" an. Der Verfasser schilderte darin das zweifelhafte Vorgehen dieser Firma als Verkäuferin antiker marokkanischer Waffen u.ä. am Beispiel eines Willy G. aus Basel.
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c) Am 24. März 1971 zeigte die Firma Maroquin, Etbl., Vaduz, den Schweizerischen Beobachter wegen Beleidigung, Verleumdung, übler Nachrede und Geschäftsschädigung an. Die Unterschrift der Anzeige stammte vom Generalbevollmächtigten der Firma, Hennecke Kardel. Im anschliessenden Ehrverletzungsprozess übernahm Peter Garoni als Redaktor des Schweizerischen Beobachters die Verantwortung für den eingeklagten Artikel.
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B.- Mit Urteil vom 24. Januar 1972 sprach das Strafgericht Basel-Stadt (Dreiergericht) Garoni unter anderem wegen Fehlens eines rechtsgültigen Strafantrages von der Anklage betreffend Ehrverletzung frei.
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Der Appellationsgerichtsausschuss des Kantons Basel-Stadt schützte am 29. August 1972 die Berufung der Klägerin und wies die Sache zur materiellen Behandlung an die Vorinstanz zurück.
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C.- Gegen dieses Urteil führt Garoni Nichtigkeitsbeschwerde an das Bundesgericht mit dem Antrag, den angefochtenen Entscheid aufzuheben und ihn in Bestätigung des erstinstanzlichen Urteils freizusprechen.
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Die Beschwerdegegnerin hat sich sinngemäss mit dem Antrag auf Abweisung der Beschwerde vernehmen lassen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe zu Unrecht eine Generalvollmacht für die Stellung eines Strafantrages als ausreichend betrachtet. Angesichts des höchstpersönlichen Charakters des Antragsrechtes wegen Ehrverletzung sei es sogar fraglich, ob eine Spezialvollmacht, welche diese Berechtigung ausdrücklich aufführt, genügen würde. Selbst wenn Kardel im vorliegenden Fall die Firma praktisch in allen Belangen vertreten habe, ermächtige das Gesetz ihn nicht zur Stellung dieses Strafantrages.
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a) Wie die Vorinstanz und der Beschwerdeführer zutreffend erklären, ist nach Lehre und Rechtsprechung das Recht, Strafantrag zu stellen, grundsätzlich höchstpersönlich und unübertragbar (BGE 92 IV 2 a, BGE 87 IV 106, BGE 86 IV 82, BGE 80 IV 213, BGE 73 IV 71; HAFTER, Allgemeiner Teil, S. BGE 137 IV 1; SCHWANDER, Strafgesetzbuch, 2. A. S. 225 Mitte; WALTER HUBER, Die allgemeinen Regeln über den Strafantrag, Diss. S. 15 ff. und dort angeführtes Schrifttum). Wurde eine juristische Person verletzt (BGE 96 IV 148), so richtet sich die Zuständigkeit, Antrag zu stellen, nach deren Organisation. Befugt ist dasjenige Organ, das die durch das Delikt verletzten Interessen wahrt.
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b) Nach dem angefochtenen Urteil war Kardel im Handelsregister nicht als unterschriftsberechtigt eingetragen und galt somit nicht als Organ der juristischen Person. Unter Verweisung auf die Generalvollmacht aus dem Jahre 1965 hält der Appellationsgerichtsausschuss Kardel dennoch für antragsberechtigt, weil dieser offensichtlich für den ganzen Geschäftsgang und alles, was damit zusammenhing, allein besorgt und verantwortlich war. In solchen Fällen, in denen die Firma in sämtlichen Belangen durch einen generalbevollmächtigten Geschäftsführer als praktisch einzigen Vertreter repräsentiert werde, müsse das Recht zur Stellung des Strafantrages als in der Generalvollmacht mitenthalten betrachtet werden. Diese Auffassung der Vorinstanz hält einer näheren Prüfung nicht stand.
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c) Aufgrund der Generalvollmacht vom 14. Juni 1965 kamen Kardel nur die in Art. 462 Abs. 1 OR erwähnten Befugnisse zu; namentlich war er bloss ermächtigt, diejenigen Rechtshandlungen vorzunehmen, die der Betrieb eines Handels-, Fabrikations- oder eines andern nach kaufmännischer Art geführten Gewerbes oder die Ausführung derartiger Geschäfte gewöhnlich mit sich bringen (BECKER, Kommentar zu Art. 462 N. III auf S. 719/20; GUHL/MERZ/KUMMER, OR, 6. A. S. 160 III). Die Handlungsvollmacht berechtigte Kardel also nicht zu allen Rechtshandlungen, die in seinem Gewerbebetrieb je anfallen konnten. Ferner war er nach Art. 462 Abs. 2 OR zu gewissen Handlungen nur ermächtigt, wenn ihm diese Befugnisse ausdrücklich erteilt worden waren. Diese Regel der ausdrücklichen Vollmachterteilung erfährt wegen des Vertrauensprinzipes dort eine Ausnahme, wo der Geschäftsherr dem Prokuristen auch die Prokura nur stillschweigend eingeräumt hatte (BGE 94 II 118). Im vorliegenden Fall findet diese Ausnahme jedoch keine Anwendung, weil die generell ausgestellte Handlungsvollmacht gerade nicht stillschweigend, sondern ausdrücklich erteilt worden war. Dass Feger seinem Geschäftsführer Befugnisse eingeräumt habe, die über den Inhalt von Art. 462 Abs. 1 OR hinausreichten, ergibt sich entgegen der Auffassung der Vorinstanz weder aufgrund der Generalvollmacht noch aus seinem nachträglichen Verhalten. Nach der Lehre hätte eine erweiterte Vollmachtserteilung zwar ausdrücklich, aber nicht unbedingt schriftlich erfolgen müssen. Hingegen genügt es keineswegs, dass der Geschäftsherr seinen Geschäftsführer einfach walten lässt (BECKER, a.a.O. S. 720/1). Gerade das trifft aber im vorliegenden Fall zu. Feger hat sich weder vor noch während des Verfahrens je in diesem Sinne geäussert, geschweige denn die Handlung Kardels ausdrücklich gebilligt.
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d) Eine ausdrückliche Ermächtigung benötigt der Handlungsbevollmächtigte gemäss Art. 462 Abs. 2 OR zur Prozessführung. Diese umfasst im Gegensatz zu Art. 396 Abs. 3 OR sowohl die Anhebung eines Prozesses als auch dessen Abwehr (SCHÖNENBERGER, Kommentar zu Art. 462 OR N. 17 auf S. 1690).
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Nach der Rechtsprechung bedeutet die Stellung eines Strafantrages allerdings nicht immer eine Prozesseinleitung, für die der Handlungsbevollmächtigte gemäss Art. 462 Abs. 2 OR einer besonderen Ermächtigung bedarf. Wie der Kassationshof in BGE 73 IV 68 ff. erklärte, fällt die Stellung des Strafantrages dann nicht unter den Begriff der "Prozessführung", wenn der Strafantrag lediglich darauf abzielt, den öffentlichen Ankläger in die Lage zu versetzen, das Strafverfahren einzuleiten. Nach dieser Rechtsprechung ist der Generalbevollmächtigte ohne vorherigen Beschluss des Verwaltungsrates dort zur Stellung des Antrages befugt, wo es um den Schutz des Geschäftsvermögens geht und der Strafantrag nicht gegen den Willen der Gesellschaftsorgane gestellt wird (GAUTSCHI, Berner Kommentar zu Art. 462 OR, N. B 11 d auf S. 452). So verhielt es sich aber im vorliegenden Fall nicht; denn Kardel hat eine Ehrverletzungsklage erhoben. Dass er aufgrund seines Strafantrages auch eine Kreditschädigung im Sinne von Art. 160 StGB geltend gemacht habe, wurde vorfrageweise schon von der Staatsanwaltschaft verneint und ist von ihm im kantonalen Verfahren nie behauptet worden. Er war zum Strafantrag wegen Ehrverletzung nicht berechtigt:
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aa) Wie Garoni und die Vorinstanz mit Fug ausführen, trifft die Ehrverletzung die höchstpersönliche Rechtssphäre des Geschädigten. Auch bei einer juristischen Person ist diese mit den materiellen Rechtsgütern nicht identisch, mit deren Wahrung oder Verwaltung der Generalbevollmächtigte betraut ist.
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Deshalb wird von der Lehre für diesen Fall zur Stellung des Strafantrages eine Sondervollmacht verlangt (REHBERG, Der Strafantrag, in ZStR 85/1969 S. 258; WAIBLINGER in ZbJV 85/1949 S. 424 oben). Dieser Auffassung ist zuzustimmen, weil dort, wo es um die Strafverfolgung wegen Verletzung höchstpersönlicher Rechtsgüter geht, der Verletzte selber entscheiden soll, ob er eine Strafverfolgung einleiten will oder nicht.
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bb) Noch aus einem weiteren Grund kommt dem Generalbevollmächtigten Kardel die Befugnis zur Stellung des Strafantrages nicht zu. Nach § 6 lit. a der Strafprozessordnung des Kantons Basel-Stadt beurteilt der Richter Ehrverletzungen auf Privatklage hin. Mit der Stellung eines Strafantrages wegen Ehrverletzung wird somit der Prozess angehoben und ohne Zutun des öffentlichen Anklägers fortgesetzt. Hier fallen Antragstellung, Klageerhebung und Parteinahme im Prozess zusammen. Die schwerwiegende Entscheidung, ob in einem solchen Fall ein Verfahren eingeleitet werden soll, setzt eine erweitertere Zuständigkeit des Geschäftsführers voraus als dort, wo mit dem Strafantrag lediglich die Anhandnahme des Prozesses durch die staatlichen Organe bezweckt wird (BGE 73 IV 68 ff). Diese Befugnis muss wegen der oft nicht geringen Folgen eines Ehrverletzungsprozesses dem Geschäftsherrn vorbehalten sein und kann daher nur durch ausdrückliche Ermächtigung einem Generalbevollmächtigten überlassen werden. In der Strafantragstellung wegen Ehrverletzung kann somit ohne weiteres die eigentliche "Prozessführung" im Sinne des Art. 462 Abs. 2 OR erblickt werden. Dazu war Kardel, wie bereits erwähnt (vgl. oben lit. c), nicht ermächtigt.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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