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7. Urteil des Kassationshofes vom 9. März 1973 i.S. Minet gegen Statthalteramt des Bezirkes Zürich. | |
Regeste |
Art. 43 Ziff. 2 LV; lotterieähnliche Veranstaltung. |
2. Das Merkmal der Planmässigkeit kommt auch der lotterieähnlichen Veranstaltung zu (Erw. 5 b). |
Art. 1 Abs. 2 LG; Begriff der Lotterieplanmässigkeit. |
Die Lotterieplanmässigkeit beruht auf genauen Berechnungen; Wahrscheinlichkeitsrechnungen genügen nicht (Erw. 5 a). | |
Sachverhalt | |
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B.- Am 9. Juni 1972 sprach der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirkes Zürich Minet der Widerhandlung gegen Art. 1 des Bundesgesetzes betr. die Lotterien und gewerbsmässigen Wetten (LG) vom 8. Juni 1923 und des Art. 43 Ziff. 2 der Vollziehungsverordnung (LV) vom 27. Mai 1924 in Verbindung mit Art. 38 Abs. 1 LG schuldig und verurteilte ihn zu einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 150.--.
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Mit Urteil vom 23. Oktober 1972 bestätigte das Obergericht des Kantons Zürich den vorinstanzlichen Schuldspruch, erhöhte indessen die Busse auf Fr. 300.--.
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C.- Minet führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes sei aufzuheben und er sei von Schuld und Strafe freizusprechen.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
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2. Die Beschwerde ist gegenstandslos, soweit in die Rüge ![]() | 6 |
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4. Der Beschwerdeführer bestreitet, eine unter die Lotteriegesetzgebung fallende Veranstaltung durchgeführt zu haben, weil für keinen der Teilnehmer am Merkurkaffee-Roulette ein Kaufzwang bestanden habe. Ob der Interessent durch eines der Inserate oder durch die in den Ladengeschäften aufliegenden Roulettekarten auf die Verdoppelungsmöglichkeit hingewiesen worden sei, in jedem Falle sei er dahin instruiert worden, dass die Gewinnverdoppelungssymbole sowohl auf den Kaffeepackungen wie auf den Anzeigen zu finden seien. Wer kein Kaufgeschäft habe abschliessen wollen, dem sei es freigestanden, in einem der vielen Inserate ein Verdoppelungssymbol zu behändigen. Die Annahme der Vorinstanz, wonach die fraglichen Anzeigen den Interessenten nicht zur Verfügung gestanden seien, treffe nicht zu, nachdem die Inserate allein in der Region Zürich in mehr als 2,2 Millionen Exemplaren ![]() | 8 |
a) Dass ein Werbe-Gewinnspiel grundsätzlich keine lotterieähnliche Veranstaltung ist, wenn jeder Interessent die Wahl hat, zu kaufen oder nicht zu kaufen, mit anderen Worten, wenn er die Möglichkeit hat, mit oder ohne Einsatz mit gleichen Gewinnaussichten am Wettbewerb teilzunehmen, trifft zu. Indessen gilt auch dies nur, wo das Unternehmen nach seiner Ankündigung für den Interessenten ohne weiteres und unmissverständlich als Gratisveranstaltung erscheint. Denn massgebend ist nicht, ob ein vorgängiger Geschäftsabschluss objektiv gefordert wird oder nicht, sondern ob die Teilnehmer der Meinung sind, eine Leistung erbringen oder nicht erbringen zu müssen (KLEIN, Die Ausnützung des Spieltriebes durch Veranstaltung der Wirtschaftswerbung und ihre Zulässigkeit nach schweizerischem Recht, S. 101). Dabei ist von der Merkfähigkeit des durchschittlichen Publikums auszugehen, bei welchem erfahrungsgemäss nicht vorausgesetzt werden kann, dass ihm besonderer Scharfsinn eigne oder dass es bei der heutigen Flut der Reklame beim Lesen eines Werbetextes solchen an den Tag lege. Sache des Veranstalters der Werbeaktion ist es deshalb, die Bedingungen, unter denen an dieser teilgenommen werden kann, klar zu formulieren. Es würde dem Sinn des Gesetzes widersprechen, wenn ein Unternehmen, das nach der Art seiner Ankündigung dem Publikum als lotterieähnlich erscheinen ![]() | 9 |
b) Im vorliegenden Fall stellt das Obergericht bezüglich derjenigen Interessenten, die nicht durch die Zeitungsinserate, sondern durch die Werbung in den Ladengeschäften auf den Wettbewerb aufmerksam gemacht wurden, fest, sie hätten nach den gesamten Umständen kaum auf einen anderen Gedanken kommen können, als dass der Kauf eines Paketes Merkurkaffee unumgänglich sei, wenn sie von der Möglichkeit, den Gewinn zu verdoppeln, Gebrauch machen wollten. Die in den Läden aufgelegten Roulettekarten hätten im Gegensatz zu den Anzeigen die Verdoppelungssymbole nicht enthalten und es habe auf ihnen auch ein Hinweis darauf gefehlt, dass diese Symbole im Geschäft gratis bezogen werden könnten. Den Wettbewerbsbedingungen auf den Karten sei zu entnehmen gewesen, dass die Symbole auf jedem Paket Kaffee oder in den Anzeigen zu finden seien. Die Anzeigen seien jedoch den Interessenten nicht zur Verfügung gestanden, und es sei für diese auch nicht zum vorneherein klar gewesen, was mit den Anzeigen gemeint sei. Des weiteren seien die Verdoppelungssymbole in den Läden nicht so aufgelegt worden, dass der interessierte Kunde sie zwangsläufig mit der Roulettekarte habe zur Hand nehmen müssen. In fünf kontrollierten Geschäften seien die Symbole überhaupt nicht aufgelegt gewesen, und es habe sich auch sonst den Interessenten nicht aufgedrängt, sich nach einer eventuellen Gratisabgabe zu erkundigen. Es könne deshalb kein Zweifel bestehen, dass der unbefangene Leser der auf der Roulettekarte gedruckten Wettbewerbsbedingungen im allgemeinen angenommen habe, es sei notwendig, ein Paket Merkurkaffee zu kaufen, um in den Besitz der Verdoppelungssymbole zu gelangen. Dass diese Schlussfolgerung nahegelegen habe, beweise auch die Tatsache, dass nach den Feststellungen der Polizei und des Statthalteramtes im Verlaufe der Stichproben Verkäuferinnen sogar die Meinung geäussert hatten, die Verdoppelungssymbole würden nur beim Kauf eines Paketes Kaffee abgegeben.
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Soweit diese Feststellungen tatsächlicher Natur sind, binden sie den Kassationshof und können mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht bestritten oder bemängelt werden (Art. 273 Abs. 1 lit. b und 277 bis Abs. 1 BStP). Der Beschwerdeführer ![]() | 11 |
5. Der Beschwerdeführer wendet sich weiter gegen die Annahme der Vorinstanz, wonach das Tatbestandsmerkmal der Planmässigkeit erfüllt sei. Dieses Merkmal grenze die Lotterie von der Spielbank ab. Während bei der letzteren der Veranstalter "mitspiele", indem er sein eigenes Risiko nicht zum voraus beschränke, schliesse der Veranstalter der Lotterie dieses durch genaue Berechnungen aus. Das habe das Obergericht im vorliegenden Fall verkannt, wenn es feststelle, Wahrscheinlichkeitsberechnungen vermöchten die Planmässigkeit zu begründen. Durch solche Berechnungen könne das Risiko des Veranstalters nicht ausgeschlossen werden. Spielbanken operierten ebenfalls mit Wahrscheinlichkeitsrechnungen, müssten aber ![]() | 12 |
a) Wie sich aus der Entstehungsgeschichte des Art. 1 LG ergibt, wurde tatsächlich das Element der Planmässigkeit in den Begriff der Lotterie einbezogen, um diese vom Glücksspiel zu unterscheiden (Prot. Exp. Komm. 5.-7. September 1916 S. 10 Voten Blumenstein und Müller sowie Prot. vom 30. Januar - 1. Februar 1917 S. 3 Votum Müri; StenBull StR 1921, S. 37 Votum Andermatt, S. 38 Votum Häberlin). Da jedoch auch Glücksspiele eine gewisse Planmässigkeit voraussetzen, indem sie jeweils nach bestimmten Spielregeln durchgeführt werden (s. BGE 95 I 78, BGE 97 I 749), und die übrigen Merkmale der Lotterie (Ordnung des Einsatzes, der Gewinne, der Losziehung) ihrerseits einen bestimmten Plan verlangen, muss der Begriff der Planmässigkeit des Art. 1 LG ein Mehreres enthalten, um als Merkmal zur Unterscheidung der Lotterie vom Glücksspiel zu wirken und zudem neben den anderen Tatbestandselementen des Art. 1 LG selbständige Bedeutung haben zu können.
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In BGE 85 I 177 hat das Bundesgericht das Wesen des Plans darin gesehen, dass er zum voraus genau die Gewinne bestimme, die zuerkannt werden. Es hat dabei zusätzlich hervorgehoben, dass sich die Lotterie insoweit vom Glücksspiel unterscheide, als bei diesem die Leistungen des Veranstalters nicht zum vorneherein feststünden. Entsprechend war auch in den parlamentarischen Beratungen von seiten des Bundesrates darauf hingewiesen worden, dass der Veranstalter einer Lotterie ![]() | 14 |
b) Damit ist indessen nicht gesagt, dass das angefochtene Urteil aufzuheben sei. Wie sich nämlich aus dessen Dispositiv ergibt, wurde der Beschwerdeführer wegen Widerhandlung gegen Art. 1 LG und Art. 43 Ziff. 2 LV, d.h. wegen Veranstaltung eines lotterieähnlichen Unternehmens bestraft. Im Unterschied zu Art. 1 LG erwähnt nun aber die Bestimmung des Art. 43 Ziff. 2 LV das Merkmal der Planmässigkeit nicht. Es fragt sich daher, ob aus dem Wortlaut dieser Bestimmung geschlossen ![]() | 15 |
In BGE 85 I 177 hat das Bundesgericht bezüglich lotterieähnlicher Apparate im Sinne von Art. 43 Ziff. 3 LV festgestellt, dass sie der Lotterie analog seien und infolgedessen die hauptsächlichen Unterscheidungsmerkmale einer solchen Veranstaltung aufweisen müssten. Es hat diesem Grundsatz die Bemerkung angefügt, dass es indessen der Sinn des Art. 56 Abs. 2 LG sei, dem Bundesrat zu erlauben, den Anwendungsbereich des Gesetzes auf Veranstaltungen auszudehnen, die jene Merkmale nicht in vollem Umfang aufwiesen. Die Frage, ob die Planmässigkeit eine notwendige Voraussetzung für die Anwendung von Art. 43 Ziff. 3 LV sei, wurde dabei offen gelassen. Sie ist im vorliegenden Fall bezüglich der Vorschrift des Art. 43 Ziff. 2 LV zu entscheiden.
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Aus den parlamentarischen Beratungen ergibt sich, dass Bedenken, welche gegenüber der Erwähnung der Planmässigkeit in Art. 1 LG geäussert wurden (StenBull StR 1921 S. 38 Votum Böhi), vom Berichterstatter der ständerätlichen Kommission entgegengehalten wurde, der Bundesrat habe es nach Art. 61 des Gesetzes (= jetziger Art. 56 LG) in der Hand, Unternehmungen, die den gefährlichen Charakter einer Lotterie hätten, aber nicht planmässig veranstaltet würden, als lotterieähnliche Veranstaltungen den Bestimmungen des Gesetzes zu unterstellen (StenBull StR 1921 S. 124 Votum Andermatt). Danach wäre die Planmässigkeit nicht als ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zu verstehen, das wie bei der Lotterie so auch bei der lotterieähnlichen Veranstaltung gegeben sein müsste. Dieser Auffassung ist jedoch im Schrifttum mit gewichtigen Argumenten entgegengetreten worden. Zwar wird auch in der einschlägigen Literatur anerkannt, dass Veranstaltungen ohne Planmässigkeit ähnlichen Schaden wie die Lotterie zur Folge haben können. Es wird jedoch darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber durch den Erlass des Lotteriegesetzes einerseits und denjenigen des Spielbankengesetzes anderseits die Veranstaltungen mit Planmässigkeit und diejenigen ohne Planmässigkeit grundsätzlich auseinandergehalten habe. Die Spielbanken und Glücksspiele, welche dieses Merkmal nicht aufwiesen, seien einer Regelung unterworfen worden, die sich prinzipiell von derjenigen der Lotterien unterscheide. Es sei deshalb nicht ![]() | 17 |
Dieser Auffassung ist beizupflichten. Sie geht zutreffend davon aus, dass die Planmässigkeit das entscheidende Kriterium ist, um die Lotterie vom Glücksspiel zu unterscheiden. Auch weist sie einleuchtend nach, dass das für die Lotterie wesentliche Merkmal auch die lotterieähnlichen Veranstaltungen kennzeichnen muss, soll nicht eine gesetzgeberische Doppelspurigkeit entstehen, die nicht gewollt sein kann. Freilich ist nicht zu verkennen, dass bei solcher Auslegung Veranstaltungen wie die vorliegende trotz ihrer Gefährlichkeit unter Umständen einer strafrechtlichen Sanktion entgehen, weil nicht sicher ist, dass sie ohne weiteres dem Spielbankengesetz unterstellt werden können. Auch bleibt der Widerspruch zu den angeführten Äusserungen in der parlamentarischen Beratung bestehen. Indessen dürfte in der Praxis trotz allfälliger Straflosigkeit das erhebliche Risiko des Veranstalters als Bremse wirken und häufig Unternehmungen der vorliegenden Art verunmöglichen. Was die in der parlamentarischen Beratung geäusserte Meinung angeht, so ist sie überholt. Denn mit dem nachträglichen Erlass des Spielbankengesetzes hat der Gesetzgeber selber glücksspielähnliche Unternehmungen, denen das Merkmal der Planmässigkeit fehlt, von den lotterieähnlichen Veranstaltungen mit dieser Eigenschaft geschieden und damit seine früher vertretene Auffassung aufgegeben.
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Ist demnach die Planmässigkeit entscheidendes Merkmal auch der lotterieähnlichen Veranstaltung, und hat die Vorinstanz nach dem Gesagten dieses Merkmal verkannt, so ist ihr Urteil aufzuheben und die Sache an sie zurückzuweisen, damit sie ![]() | 19 |
Demnach erkennt der Kassationshof:
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