BGE 99 IV 45 | |||
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10. Auszug aus dem Entscheid der Anklagekammer vom 25. Januar 1973 i.S. X. und Y. gegen Staatsanwaltschaft und Direktion der Justiz des Kantons Zürich. | |
Regeste |
Art. 264 BStP und 351 StGB. Bestimmung des Gerichtsstandes. |
2. Bei strafbaren Handlungen, die der Bundesgerichtsbarkeit unterstehen, ist ein interkantonaler Konflikt über den Gerichtsstand zum vorneherein ausgeschlossen (Erw. 3). |
3. Die Anklagekammer kann nicht angerufen werden, wenn ein Kanton die Strafverfolgung aus Gründen ablehnt, die ausserhalb der Bestimmungen über den interkantonalen Gerichtsstand liegen (Erw. 4 und 5). | |
Sachverhalt | |
A.- Am 26. Februar 1972 beantragten X. und Y. sowie vier weitere Personen der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich die Durchführung einer Strafuntersuchung gegen Georges Habbash und unbekannte Teilnehmer wegen Freiheitsberaubung, Drohung, Nötigung, Raubes (eventuell Diebstahls), Sachbeschädigung und Aussetzung. Sie beriefen sich auf eine Strafanzeige, die ihr Vertreter im November 1970 im Namen eines Journalisten gegen die gleichen Beschuldigten eingereicht hatte und auf die hin die erwähnte Behörde die Strafuntersuchung, "soweit sie zuständigkeitshalber anhandgenommen werden konnte, einstweilen eingestellt hatte". Sie machten im wesentlichen geltend, sie hätten sich im Swissair-Flugzeug befunden, das am 6. September 1970 von Helfern des Habbash nach dem jordanischen Flugplatz Zerka entführt wurde. Nach der Entführung habe die Organisation des Habbash den eidgenössischen Behörden gedroht, das Flugzeug samt Insassen zu sprengen, wenn die vom Geschworenengericht des Kantons Zürich wegen Attentates gegen eine El Al-Maschine verurteilten drei Angehörigen der "Volksfront zur Befreiung Palästinas" nicht sofort freigelassen würden. Die gleiche Organisation habe aus dem Flugzeug unter Drohungen drei Millionen Schweizerfranken geraubt. Jordanische Truppen hätten die Geiseln befreit. Das entführte Flugzeug sei dagegen von den Beschuldigten samt der Ladung durch Sprengstoff zerstört worden.
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Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich wies am 23. März 1972 "die in der Eingabe vom 26. Februar 1972 gestellten Begehren ab". Sie führte aus, die noch über schweizerischem Gebiet begangene Nötigung und Bedrohung der Besatzung zum Flug nach Zerka unterständen gemäss Art. 98 Abs. 1 des Luftfahrtgesetzes der Bundesgerichtsbarkeit. Eine Delegation im Sinne von Art. 18 BStP zur Verfolgung dieser Delikte an den Kanton Zürich sei nicht erfolgt. Die zürcherischen Behörden seien daher nicht zuständig, diese strafbaren Handlungen zu verfolgen. Zur Verfolgung der Festnahme, Gefangenhaltung und grausamen Behandlung wäre gemäss Art. 5 Abs. 1 StGB schweizerische Gerichtsbarkeit insoweit gegeben, als die Geschädigten Schweizer waren, und zuständig wären nach Art. 348 Abs. 1 StGB die Behörden des Ortes, "wo der Täter betreten wurde". Da noch keiner der Täter im Kanton Zürich "betreten" wurde, fehle es an der Zuständigkeit dieses Kantons zur Verfolgung der Freiheitsberaubung und der weiteren den Beschuldigten zur Last gelegten Handlungen. Die Annahme, Funktionäre oder Angestellte der Swissair könnten eventualvorsätzlich als Gehilfen Habbashs tätig gewesen sein, sei so absurd, dass sich weitere Untersuchungshandlungen in dieser Richtung erübrigten.
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Am 1. April 1972 beantragten die Anzeiger der Bundesanwaltschaft, gegen die Beschuldigten ein gerichtspolizeiliches Ermittlungsverfahren einzuleiten. Die Bundesanwaltschaft teilte ihrem Vertreter am 30. November 1972 mit, ein solches Verfahren sei eröffnet worden, habe aber noch nicht abgeschlossen werden können. Eine Delegation des Falles an die Strafverfolgungsbehörden des Kantons Zürich komme zur Zeit nicht in Frage, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass ein Bundesstrafverfahren durchzuführen sei.
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B.- Die sechs Anzeiger fochten die Verfügung der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich vom 23. März 1972 bei der Direktion der Justiz an. Hinsichtlich jener Handlungen, die der Bundesgerichtsbarkeit unterständen, beantragten sie Anhandnahme und Sistierung einer kantonalen Strafuntersuchung, bis über die Eingabe an die Bundesanwaltschaft vom 1. April entschieden sei. Hinsichtlich der übrigen Handlungen stellten sie den Antrag auf Anhandnahme einer Strafuntersuchung, "soweit Täter oder Gehilfe mit Begehungsort im Kanton Zürich in Frage stehen".
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Die Direktion der Justiz des Kantons Zürich wies am 13. November 1972 den Rekurs der sechs Anzeiger ab, soweit sie darauf eintrat.
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C.- X. und Y. wenden sich mit einer Eingabe vom 2./4. Januar 1973 an die Anklagekammer des Bundesgerichtes. Sie beantragen ihr, den Kanton Zürich "für die in der Begründung beschriebenen Straftaten berechtigt und verpflichtet zu erklären, eine Strafuntersuchung und Beurteilung durchzuführen".
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Die Anklagekammer zieht in Erwägung: | |
1. Wenn eine Tat nur auf Antrag strafbar ist, kann der Antragsteller die Anklagekammer nicht nur in Fällen negativer oder positiver Gerichtsstandskonflikte anrufen, sondern auch dann, wenn ein Konflikt nur virtuell besteht (BGE 92 IV 157 Erw. 1).
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Die Gesuchsteller legen den Beschuldigten keine Antragsdelikte zur Last. Sie behaupten gegenteils, alle strafbaren Handlungen seien von Amtes wegen zu verfolgen. Als Antragsdelikt käme allenfalls das von den Gesuchstellern als Sachbeschädigung bezeichnete in Frage, nämlich wenn es unter Art. 145 Abs. 1 StGB fiele, was aber offensichtlich nicht zutrifft, da die Zerstörung des Flugzeuges mit Sprengstoffen Art. 224 oder 225 StGB untersteht und sich übrigens auch die Frage der Verursachung grossen Schadens aus gemeiner Gesinnung im Sinne des Art. 145 Abs. 2 StGB stellen würde. Die Gesuchsteller vermögen daher die Legitimation zur Anrufung der Anklagekammer nicht aus dem erwähnten Präjudiz abzuleiten und stützen sich übrigens auch nicht auf dasselbe.
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3. Für die an Bord des Luftfahrzeuges begangenen strafbaren Handlungen verneint die Direktion der Justiz die Verpflichtung der zürcherischen Behörden zur Strafverfolgung mit der Begründung, die Delikte unterständen der Bundesstrafgerichtsbarkeit und diese sei dem Kanton nicht übertragen worden. Diese Begründung hält stand (Art. 98 Luftfahrtgesetz, AS 1950 S. 491). Sie trifft auch für die Sprengstoffdelikte der Art. 224-226 StGB zu, selbst soweit sie nicht an Bord des Luftfahrzeuges verübt wurden (Art. 340 Ziff. 1 Abs. 2 StGB). Insoweit liegt ein interkantonaler Gerichtsstandskonflikt, selbst ein bloss virtueller, nicht vor. Er wird auch nicht vorliegen, wenn das Eidgenössische Justiz- und Polizeidepartement die Bundesstrafgerichtsbarkeit einem Kanton übertragen sollte, denn der Delegationsbeschluss würde den zuständigen Kanton verbindlich bezeichnen (BGE 69 IV 33,BGE 71 IV 153Erw. 1, BGE 97 IV 257; Geschäftsbericht des Bundesrates, 1943 S. 213/14, 1945 S. 243, 1948 S. 192).
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Die Gesuchsteller machen denn auch nicht geltend, die Direktion der Justiz habe den Begriff des "Betretens eines Täters im Kanton Zürich" unrichtig ausgelegt. Sie bringen vor, unter dem Gesichtspunkt des Art. 5 StGB sei der Strafanspruch der Schweiz entstanden und wenn für die Verfolgung ein schweizerischer Kanton zuständig sei, könne es nur der Kanton Zürich sein, weil hier die Verbrechensserie begonnen habe usw. Sie wollen den Kanton Zürich zur Aufnahme einer Strafverfolgung verhalten, die dieser vorläufig aus Gründen ablehnt, die ausserhalb der Bestimmungen über den interkantonalen Gerichtsstand liegen. Sie berufen sich auf die in BGE 82 IV 69 Erw. 3 ausgedrückte Auffassung des Kassationshofes. Doch kann diesem Urteil nur entnommen werden, dass man für Handlungen, die materiell dem schweizerischen Recht unterstehen, in der Schweiz auch die Strafverfolgung muss einleiten können. Dass die Anklagekammer diese anzuordnen habe, wenn die kantonalen Behörden sie ablehnen, ist damit nicht entschieden. Den Gesuchstellern hilft auch nicht die Behauptung, verschiedene von den Tätern erzielte Erfolge (Raub von drei Millionen Schweizerfranken und Sachbeschädigung, beides zum Nachteil in der Schweiz niedergelassener Firmen; Nötigung des Regierungsrates des Kantons Zürich zur Freilassung von Attentätern) seien in der Schweiz eingetreten. Damit gehen sie nur daraufaus, die Anwendbarkeit schweizerischen Strafrechts und die Verpflichtung schweizerischer Behörden zur Aufnahme der Strafverfolgung aus Art. 3 Ziff. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 7 StGB abzuleiten. Der Streit wird dadurch nicht zu einem solchen über den interkantonalen Gerichtsstand.
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Demnach erkennt die Anklagekammer:
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