BGE 99 IV 151 | |||
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32. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 23. Oktober 1973 i.S. Faetan gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau. | |
Regeste |
Art. 187 Abs. 1, 21 Abs. 1 StGB; unvollendeter Notzuchtversuch. |
Art. 143 StGB. Begriff der Sachentziehung (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
A.- Die 1952 geborene X., die die Woche über in einer Gärtnerei in A. als Lehrtochter arbeitete, wollte am 28. Januar 1972 nach Feierabend zu ihrer Mutter nach B. heimkehren, um dort das Wochenende zu verbringen. Sie machte zu diesem Zweck Autostop und liess sich von einem Automobilisten, dem von der Insel Martinique stammenden Franzosen Clément Faetan, mitnehmen. Dieser erklärte sich im Verlaufe der Fahrt bereit, sie nicht nur bis C. mitfahren zu lassen, sondern sie gleich nach Hause zu bringen. In D. hielt er an und lud sie in einem Restaurant zu einem Kaffee ein. Er machte ihr den Vorschlag, in einer gepflegten Gaststätte gemeinsam das Nachtessen einzunehmen, was sie jedoch mit der Begründung ablehnte, dass die Mutter auf sie warte. Faetan setzte daraufhin die Fahrt fort und schwenkte plötzlich auf eine Nebenstrasse ab. Auf den Einwand des Mädchens, dass dies nicht der richtige Weg sei, ging er nicht ein. Vielmehr hielt er in der Nähe eines Wäldchens auf einem Abstellplatz den Wagen an und stellte den Motor ab. X. forderte ihn vergeblich auf, umzukehren und sie nach Hause zu bringen. Er gab ihr zu verstehen, dass er mit ihr schlafen wolle. Sie lehnte dieses Ansinnen ab und stieg aus dem Wagen, wobei sie ihre Tragtasche und Handtasche mitnehmen wolle. Faetan entriss ihr diese. Als sie, beim Auto stehend, deren Herausgabe forderte, packte er sie an der Hand und riss sie ins Auto hinein. Er drückte sie auf den Sitz, den er hinunterklappte, und legte sich mit dem Oberkörper auf sie. Das Mädchen setzte sich heftig zur Wehr. Während des Handgemenges versuchte Faetan den Reissverschluss an der Gehhose des Mädchens zu öffnen und es an den Brüsten und am Geschlechtsteil auszugreifen, was ihm jedoch wegen der Gegenwehr des Opfers nicht gelang. X. vermochte schliesslich die Wagentür zu öffnen und sich unter Faetan wegrutschend aus dem Auto fallenzulassen. Sie wurde dabei von Faetan am Mantelärmel festgehalten, doch konnte sie sich, indem sie aus dem Ärmel schlüpfte, befreien, worauf sie davonrannte. Da gerade eine Radfahrerin des Weges kam, setzte Faetan den Wagen wieder in Gang und fuhr davon. Den Mantel und die Tragtasche warf er bei der Abfahrt weg. Sie wurden unmittelbar nachher von X. gefunden. Die Handtasche warf er in A. zum Auto hinaus, wo sie zwei Tage später jemand fand und der Eigentümerin überbrachte. Es fehlten darin eine 50-Frankennote sowie ein Zierdöschen.
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B.- Die Kriminalkammer des Kantons Thurgau fand Faetan am 6. September 1972 des unvollendeten Notzuchtversuches sowie der Sachentziehung schuldig und bestrafte ihn mit 12 Monaten Gefängnis.
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C.- Faetan führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil der Kriminalkammer sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Der Kassationshof zieht in Erwägung: | |
1. Notzucht im Sinne von Art. 187 Abs. 1 StGB begeht, wer eine Frau mit Gewalt oder durch schwere Drohung zur Duldung des ausserehelichen Beischlafs zwingt. Die strafbare Handlung ist vollendet, wenn es zum Beischlaf kommt. Dabei ist nach der Rechtsprechung des Kassationshofes unter Beischlaf die naturgemässe Vereinigung der Geschlechtsteile zu verstehen. Wieweit das männliche Glied in den weiblichen Geschlechtsteil eindringt und ob der Same in die Scheide ausgestossen wird, ist unerheblich (BGE 77 IV 170; THORMANN/VON OVERBECK, N. 10 zu Art. 187; a.M. LOGOZ, Commentaire N. 2 a al. 2 zu Art. 187 und HAFTER, Schweizerisches Strafrecht, Bes. Teil I, S. 119). Demzufolge bietet die Abgrenzung zwischen der vollendeten Notzucht und dem vollendeten Notzuchtversuch keine Schwierigkeiten. Hat der Täter alles getan, was dazu notwendig ist, um gegen den Willen des Opfers den Beischlaf zu vollziehen, kommt es aber aus irgendeinem Grunde nicht zur Vereinigung der Geschlechtsteile, so ist vollendeter Versuch im Sinne von Art. 22 Abs. 1 StGB gegeben. Unvollendet ist der Versuch dagegen nach Art. 21 Abs. 1 StGB, wenn der Täter zwar mit der Ausführung des Verbrechens begonnen hat, die strafbare Handlung aber nicht zu Ende führt. Im vorliegenden Fall liegt ein nicht vollendeter Versuch vor. Die Tat war, als sich die Geschädigte dem Beschwerdeführer entziehen konnte, nicht soweit fortgeschritten, dass es nur noch der Vereinigung der Geschlechtsteile bedurft hätte, um den Beischlaf zu vollziehen. Dazu wären noch weitere Handlungen notwendig gewesen. Faetan hätte auf jeden Fall noch den Geschlechtsteil der Geschädigten und seinen eigenen entblössen müssen. Dies hat er nach den Feststellungen der Vorinstanz nicht getan. Der Beschwerdeführer glaubt nun, daraus ableiten zu können, er habe nicht einmal einen unvollendeten Notzuchtversuch begangen. Er macht geltend, bei seiner Tat nicht über das Stadium einer straflosen Vorbereitungshandlung hinausgegangen zu sein. Weil er die Geschädigte nicht entblösst habe, sei der letzte Schritt noch nicht getan worden, von dem in der Regel nicht zurückgetreten werde. Diese Auffassung ist irrig. Der unvollendete Versuch nach Art. 21 Abs. 1 StGB unterscheidet sich von der blossen Vorbereitungshandlung dadurch, dass der Täter mit der Ausführung eines Verbrechens oder Vergehens bereits begonnen hat. Dabei zählt die Rechtsprechung des Kassationshofes zur Ausführung schon jede Tätigkeit, die nach dem Plan, den sich der Täter gemacht hat, auf dem Weg zum Erfolg den letzten entscheidenden Schritt darstellt, von dem es in der Regel kein Zurück mehr gibt, es sei denn wegen äusserer Umstände, die eine Weiterverfolgung der Absicht erschweren oder verunmöglichen (BGE 87 IV 155 mit Hinweisen).
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Tatbestandsmerkmal der Notzucht ist die Gewaltanwendung. Der Täter, der weiss, dass die Frau sich ihm nicht freiwillig zum Beischlaf hingeben will, und entschlossen ist, den Beischlaf gewaltsam zu erzwingen, setzt den letzten entscheidenden Schritt zur Tat damit, dass er Gewalt anwendet. Mit der Gewaltanwendung wird die strafbare Handlung begonnen (LOGOZ, Commentaire, N. 2 b al. 4 zu Art. 21). Blosse Vorbereitungshandlung war das, was der Beschwerdeführer vor Beginn der Gewaltanwendung getan hat, um zu seinem Ziel zu kommen, indem er mit dem Opfer gegen dessen Willen abseits fuhr. Die Gewaltanwendung begann damit, dass er, als das Mädchen mit Intimitäten nicht einverstanden und aus dem Auto gestiegen war, es in den Wagen zurückriss, auf den Autositz niederdrückte und sich darauf legte. Bei dieser Sachlage hat die Vorinstanz den Tatbestand des unvollendeten Notzuchtversuches zu Recht als erfüllt angesehen und somit eidgenössisches Recht nicht verletzt.
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Der Beschwerdeführer macht demgegenüber geltend, Entziehung einer Sache sei zwar objektiv nicht nur in einer Wegnahmehandlung zu erblicken, sondern liege auch dann vor, wenn sich der Gegenstand bereits im Gewahrsam des Täters befindet. Eine vorsätzliche Entziehung stehe indessen nicht fest, denn im angefochtenen Urteil werde nicht festgestellt, dass der Angeklagte bei der Wegfahrt sich bewusst gewesen sei, die Handtasche mitzuführen. Die Vorinstanz vertrete die Auffassung, dass sich die strafbare Handlung erst beim Wegwerfen der Handtasche verwirklicht habe, also nachdem sie bereits nicht vorsätzlich entzogen gewesen sei. In dieser nachträglichen Dereliktion könne aber nur dolus subsequens erblickt werden. Abgesehen davon würden dann die Tatbestände des Wegwerfens und des Entziehens zusammenfallen, was ein begrifflicher.
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Die Vorinstanz hat zwar nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer bei der Wegfahrt nach der Tat sich bewusst war, dass die Handtasche des Mädchens im Auto zurückgeblieben war. Allein darauf kommt es nicht an. Art. 143 StGB setzt nicht voraus, dass die Sache aus fremdem Gewahrsam in den eigenen gebracht wird, sondern umfasst, was der Beschwerdeführer in der Beschwerde anerkennt, nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts auch Fälle, in denen die Sache bereits im Gewahrsam des Täters war (BGE 77 IV 162mit Hinweis). Auch eine anvertraute oder durch Naturgewalt, Irrtum, Zufall oder sonstwie ohne seinen Willen zugekommene Sache kann dem Berechtigten entzogen werden (BGE 72 IV 61). Spielt es aber keine Rolle, wie der Beschwerdeführer in den Gewahrsam der Sache gelangt ist, ob mit oder ohne Wissen und Willen, so geht sein Einwand fehl, es sei dies "ohne seinen Vorsatz" geschehen. Der Beschwerdeführer entzog der Geschädigten die von ihr im Auto zurückgelassene Handtasche, indem er sie wegwarf. Dadurch entledigte er sich des Gewahrsams an der Sache und begab sich der Möglichkeit, sie der Berechtigten zurückzugeben. Die Möglichkeit der Eigentümerin, wieder in den Besitz der Sache zu gelangen, wurde erheblich verschlechtert; sie hing von blossen Zufälligkeiten ab. Wie die Vorinstanz feststellte, nahm der Beschwerdeführer eine Schädigung der Berechtigten zum mindesten in Kauf. Diese Feststellung ist tatsächlicher Natur und daher für den Kassationshof verbindlich (Art. 277bis Abs. 1 BStP). Es erübrigt sich somit, auf die Behauptung des Beschwerdeführers einzutreten, wonach er die Tasche bloss unüberlegt weggeworfen und deshalb nur fahrlässig gehandelt habe. Die Vorinstanz hat ihn demnach zu Recht wegen Sachentziehung nach Art. 143 StGB verurteilt.
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Demnach erkennt der Kassationshof:
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