
Demgegenüber hat der Kassationshof mehrmals entschieden, dass eine aus den seinerzeit vorliegenden Akten zwar ersichtliche, aber vom urteilenden Gericht übersehene massgebliche Tatsache als nicht bekannt im Sinne von Art. 397 StGB zu gelten habe und demzufolge die Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des Verurteilten gestatte (nicht veröffentlichte Urteile i.S. Schindler vom 2. Februar 1954, i.S. Binz vom 30. September 1954 und i.S. Campeanu vom 13. Juli 1956). Für die letztere Auslegung spricht auch der Wortlaut von Art. 397 StGB. Diese Bestimmung sagt nicht, die Wiederaufnahme des Verfahrens sei aufgrund von erheblichen Tatsachen oder Beweismitteln möglich, von denen das Gericht zur Zeit des früheren Verfahrens keine Kenntnis haben konnte (weil sie aus den Akten nicht ersichtlich bzw. aus den Verhandlungen nicht erkannbar waren); vielmehr erwähnt sie Tatsachen oder Beweismittel, von denen das urteilende Gericht keine Kenntnis hatte, ohne dass der Grund dieser Unkenntnis näher bezeichnet würde. Indessen hat der Richter von Tatsachen oder Beweismitteln, die er übersehen hat, keine Kenntnis. In gewissen Fällen ist es freilich unmöglich festzustellen, aus welchen Gründen der Richter eine bestimmte Tatsache oder ein Beweismittel übergangen hat; es stellt sich dann die Frage, ob er den fraglichen Punkt übersehen, für unerheblich gehalten oder als unbewiesen erachtet hat. Ergeben sich derart ungewisse Verhältnisse, läuft die Revisionsinstanz Gefahr, die Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des Verurteilten zu gestatten, bevor dieser andere Rechtsmittel (kantonale Kassationsbeschwerde, Nichtigkeitsbeschwerde, staatsrechtliche Beschwerde) ausgeschöpft hat. Voraussetzung der Wiederaufnahme des Verfahrens ist jedoch unter allen Umständen, dass die fragliche Entscheidung mit keinem anderen Rechtsmittel mehr angegriffen werden kann. Das liegt im Wesen der Revision als eines ausserordentlichen, aussergewöhnlichen Behelfes (ZStR 1947, S. 111/112).