![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
4. Urteil des Kassationshofes vom 19. April 1974 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich gegen Mayer | |
Regeste |
Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1, Ziff., 2 Abs. 2 StGB. | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
B.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag auf Aufhebung des Urteils hinsichtlich der psychotherapeutischen Behandlung.
| 2 |
Der Verurteilte beantragt Abweisung der Beschwerde und stellt das Begehren um unentgeltliche Verbeiständung.
| 3 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
4 | |
5 | |
Die Behandlung in der Strafanstalt entspricht dem Geist des Gesetzes und den Grundsätzen des modernen Strafvollzugs (vgl. zum letztern die Resolution des Ersten UNO-Kongresses vom 30. August 1955 über die Verhütung von Verbrechen und die Behandlung der Straffälligen, Art. 22 und 62, und die Resolution des Ministerkomitees des Europarates vom 19. Januar 1973, Art. 82 f.). Zu den Massnahmen und Einrichtungen für das seelische, geistige und körperliche Wohl der in Anstalten Eingewiesenen (Art. 46 Ziff. 2 StGB) gehört auch psychiatrische Beobachtung und Behandlung. Psychotherapeutische Betreuung in der Strafanstalt kann die Erziehung unterstützen und die Resozialisierung fördern (Art. 37 Ziff. 1 Abs. 1 StGB). Auch die Berichterstattung der Anstaltsleitung an die Entlassungsbehörde (Art. 38 Ziff. 1 Abs. 3 StGB) kann vielfach nervenärztlichen Rat nicht entbehren. Es wird den Anstalten, die lange Freiheitsstrafen zu vollziehen haben, nicht zuviel zugemutet mit der Forderung, dass sie in gewissem Masse psychiatrische Hilfe ermöglichen. Allenfalls kann der Beizug eines auswärtigen Psychiaters oder die Zuführung des Gefangenen zur auswärtigen Behandlung genügen.
| 6 |
7 | |
a) Gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 1 StGB kann der Richter die ambulante Behandlung anordnen, sofern der Täter für Dritte nicht gefährlich ist. Damit wollte der Gesetzgeber lediglich verhindern, dass gefährliche Abnorme in Freiheit bleiben. Die ambulante Behandlung im Strafvollzug gemäss Art. 43 Ziff. 2 Abs. 2 wurde damit nicht verneint. Während des Strafvollzugs ist der Gefährdung Dritter in gleicher Weise vorgebeugt, wie wenn der Täter in eine der in Art. 43 StGB vorgesehenen Anstalten eingewiesen worden wäre.
| 8 |
b) Erweist sich die ambulante Behandlung zum vornherein als ungenügend, muss der Richter den abnormen Täter schon durch Haupturteil in eine Heil- oder Pflegeanstalt einweisen. Die Möglichkeit, die ambulante Behandlung mit dem Vollzug ![]() | 9 |
c) Auch die Befürchtung, die ambulante Behandlung im Strafvollzug hindere deren Fortsetzung nach der Entlassung, ist unbegründet. Wie die andern Massnahmen wird die ambulante Behandlung auf unbestimmte Zeit angeordnet, ohne Rücksicht auf Art und Dauer der ausgesprochenen Strafe. Massgebend ist einzig der Zustand des Täters und die Möglichkeit seiner Auswirkung in der Begehung strafbarer Handlungen. Deshalb wird die Massnahme gemäss Art. 43 Ziff. 4 Abs. 1 StGB erst dann völlig auf gehoben, "wenn ihr Grund weggefallen ist" (SCHULTZ, Allg. Teil II S. 117). Die ambulante Behandlung ist daher, wenn der Zustand des Täters es erfordert, nach der Entlassung fortzusetzen. Gefährdet der Täter, in Freiheit gesetzt, Dritte, ist seine Verwahrung anzuordnen (Ziff. 1 Abs. 2 und Ziff. 3 Abs. 2 des Art. 43 StGB).
| 10 |
Das Urteil der Vorinstanz schliesst diese Möglichkeit nicht aus. Ziff. 2 des Dispositivs verfügt lediglich, dass die Behandlung "während des Strafverhaftes" erfolgen solle, womit der Aufschub der Strafe ausgeschlossen wurde. Dass sie nach dem Vollzug nicht fortgesetzt werden könne, steht weder im Urteilsspruch noch in der Begründung. Im Zweifel ist aber ein Urteil gesetzeskonform auszulegen.
| 11 |
3. a) Der Beschwerdegegner hat nach Feststellung der ![]() | 12 |
b) Welche der in Art. 43 vorgesehenen Massnahmen anzuordnen ist und ob eine ambulante Behandlung im Strafvollzug durchgeführt werden soll, ist Ermessensfrage, die der Sachrichter entscheidet. Der Kassationshof kann nur eingreifen, wenn der kantonale Richter sein Ermessen überschreitet, von rechtlich unzulässigen Erwägungen ausgeht oder es unterlässt, sich gemäss Art. 43 Ziff. 1 Abs. 3 gutachtlich beraten zu lassen.
| 13 |
Im vorliegenden Fall hat das gerichtliche Gutachten zur Frage der Behandlung Stellung genommen. Dass es ohne ausdrückliche Expertenfrage geschah, ist unerheblich, sofern das Gutachten die Behandlungsbedürftigkeit hinreichend erörtert und der Richter es in Erwägung zieht.
| 14 |
Das Gutachten findet, in Regensdorf, wo der Beschwerdegegner die Strafe verbüsst, könne die Behandlung nur beschränkt durchgeführt werden. Zudem sei Mayers psychischer Zustand derart, dass er die Hafterstehungsfähigkeit immer wieder in Frage stelle. Von der Einweisung in eine psychiatrische Klinik sei vorerst abgesehen worden, weil der Beschwerdegegner sie eher ablehne. Der Strafanstalt könne die Betreuung des Beschwerdegegners auf die Dauer nicht zugemutet werden. Von einer Verwahrung im Sinne von Art. 43 Ziff. 1 Abs. 2 StGB sei aber abzusehen.
| 15 |
Zu diesen Bedenken äussert sich die Vorinstanz nicht. Zwar beurteilt sie den Geisteszustand des Beschwerdegegners weit günstiger als der Sachverständige. Sie sagt aber nicht, weshalb sie die ambulante Behandlung im Strafvollzug anderen Massnahmen vorzieht.
| 16 |
Trotz dieses Mangels kann die Nichtigkeitsbeschwerde nicht geschützt werden. Die Staatsanwaltschaft beantragt einzig, die Anordnung der ambulanten Behandlung aufzuheben. Der Kassationshof würde im Widerspruch zu Art. 277bis BStP über die Anträge der Beschwerdeführerin hinausgehen, wenn er die Vorinstanz prüfen hiesse, ob statt der ambulanten ![]() | 17 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
| 18 |
19 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |