![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
54. Urteil des Kassationshofes vom 9. September 1974 i.S. Vismara gegen Staatsanwaltschaft von Graubünden. | |
Regeste |
Art. 18 Abs. 3, 117 StGB. Fahrlässige Tötung. |
2. Rechtserheblicher Kausalzusammenhang zwischen Tat und Erfolg (Erw. 3). | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
Um 20.30 Uhr, als es dunkel wurde, befestigte Vismara wiederum das Abstiegsseil an einem Felshaken, stieg ca. 40 m ab und liess Giorgio Zucchetti nachkommen. Nach 10 m Abstieg stürtzte Zucchetti 400 m tief auf den Gletscher ab, wo er anderntags nur noch als Leiche geborgen werden konnte. Der Körper des Verunfallten war durch das Brustgeschirr und die Sicherheitslinie noch mit dem Hauptseil verbunden. Im Hauptseil lag ausserdem eine unbeschädigte rote, aus einer Repschnur geknüpfte Schlinge.
| 2 |
Ein in der Folge beigezogener Fachmann kam zum Schluss, dass der Unfall auf einen Fehler bei der Befestigung des Hauptseils zurückgeführt werden müsse, indem dieses nicht durch sämtliche Schlaufen der Schlinge hindurchgezogen worden sei.
| 3 |
B.- Der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden verurteilte Vismara wegen fahrlässiger Tötung zu einer Busse von Fr. 300.--.
| 4 |
C.- Vismara führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichtsausschusses sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
| 5 |
6 | |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
7 | |
Die Rüge der Verweigerung des rechtlichen Gehörs betrifft Verfassungsrecht, dessen Verletzung mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht geltend gemacht werden kann (Art. 269 BStP).
| 8 |
9 | |
a) Dem Beschwerdeführer ist insoweit beizupflichten, dass nicht jeder Mangel an Sorgfalt eines Glieds einer Bergsteigergruppe ein strafbares Verschulden darstellt. Das Gesetz verlangt eine pflichtwidrige Unvorsichtigkeit, mit andern Worten, es muss eine Rechtspflicht bestanden haben, eine bestimmte ![]() | 10 |
b) Nach dem angefochtenen Urteil steht fest, dass der Beschwerdeführer von allen Mitgliedern der Sechsergruppe die grösste Bergerfahrung und auch die grösste Fertigkeit in der Seilbehandlung hatte. Daraus ergab sich, dass er beim Abstieg die Abseilstellen vorbereitete, indem er den andern von Felshaken zu Felshaken vorausging und jeweils das Hauptseil durch Schlaufen an diesem Haken befestigte. Auch bei dem Felshaken, aus dem sich das Seil vor dem Absturz Zucchettis löste, war Vismara so verfahren. Danach war er als erster 40 m abgestiegen und hatte unten angekommen hinaufgerufen, es solle als nächster Zucchetti absteigen, was dieser denn auch ohne weiteres tat. Nach diesen für den Kassationshof verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz kann keinem Zweifel unterliegen, dass der Beschwerdeführer jedenfalls für den Abstieg faktisch die Leitung der Gruppe übernommen hatte und die andern seine Weisungen befolgten. In der Tat ergibt sich auch aus deren Aussagen, dass sie die bergsteigerische Überlegenheit Vismaras anerkannten und es ihm überliessen, ihnen auf den schwierigsten Strecken vorauszugehen und die zum Abseilen geeignetsten Stellen auszusuchen und vorzubereiten. Dass der Beschwerdeführer eine "besondere Autorität" über die andern Teilnehmer der Tour hatte, ist nicht erforderlich. Der Umstand, dass diese seine grössere Bergerfahrung und Fertigkeit in der Seilbehandlung anerkannten und seinen Anordnungen folgten, musste ihm bewusst machen, dass sie auf ihn vertrauten und damit rechneten, er werde die zum Abstieg notwendigen Vorkehren mit der ihre Sicherheit gewährleistenden Sorgfalt durchführen. Indem er diese Rolle übernahm, nahm er auch die Pflicht zu einer solchen erhöhten Vorsicht auf sich. Es kann deshalb keine Rede davon sein, dass Vismara nur auf die eigene Sicherheit habe bedacht sein müssen. Als faktischer Leiter der Gruppe bei dem gefährlichen ![]() | 11 |
Selbst wenn der Beschwerdeführer nicht faktischer Leiter der Gruppe gewesen wäre, hätte er sich pflichtwidrig verhalten. Denn er hat das Hauptseil fehlerhaft durch die Schlingen der Repschnur gezogen. Er hat dabei gewusst oder wissen müssen, dass die nach ihm Absteigenden das gleiche Seil benützen würden, ohne nachzuprüfen, ob er es richtig befestigt habe. Durch das ihm unterlaufene Versehen hat er nicht nur sich selbst, sondern auch die andern in eine konkrete Gefahr gebracht. Das durfte er nicht; denn niemand darf durch ein Tun das Leben anderer gefährden und vernichten. Dem Vorwurf pflichtwidrigen Verhaltens entginge er nur, wenn er Zucchetti ersucht hätte, vor dem Abstieg nachzuprüfen, ob das Seil richtig befestigt sei.
| 12 |
13 | |
Dieser Auffassung kann nicht beigepflichtet werden. Der rechtserhebliche Kausalzusammhang würde nur fehlen, wenn Zucchetti ein so aussergewöhnliches Verhalten an den Tag gelegt hätte, dass damit nach allgemeiner Lebenserfahrung nicht hätte gerechnet werden müssen (statt vieler BGE 91 IV 173). Davon kann nicht die Rede sein. Nachdem der erfahrene Bergsteiger Vismara faktisch als Führer beim ![]() | 14 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
| 15 |
16 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |