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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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69. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 11. Oktober 1974 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Landschaft gegen Cavina. | |
Regeste |
1. Art. 148 Abs. 1 StGB, Betrug. |
b) Objektive Wertgleichheit zwischen Leistung und Gegenleistung schliesst einen Vermögensschaden nicht aus; Fall, in dem jemand zufolge arglistiger Irreführung über die Verbindlichkeit eines Versicherungsantrages einen Versicherungsvertrag abschliesst, den er nicht eingehen will (Erw. 3). |
2. Art. 251 Ziff. 1 Abs. 2 StGB. mittelbare Falschbeurkundung. |
Durch die Unterzeichnung eines Vertrages beurkundet die Partei auch dann den Willen zum Vertragsschluss, wenn die Erklärung nicht der Wahrheit entspricht (Erw. 4). | |
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Das Obergericht lehnt die Anwendung des zuletzt genannten Kriteriums der Voraussehbarkeit der fehlenden Überprüfung mit der Begründung ab, dass der strafrechtliche Schutz nicht auf Opfer ausgedehnt werden dürfe, die ihre Schädigung zufolge Leichtgläubigkeit überwiegend selbst zu verantworten haben. Diese Betrachtungsweise verkennt den Sinn der Rechtsprechung. Auch das Bundesgericht vertritt die Auffassung, dass ein allzu leichtgläubiges Opfer sich nicht auf Arglist berufen kann, wenn es eine einfache Lüge bei einem Mindestmass an zumutbarer Vorsicht hätte durchschauen können (BGE 72 IV 128, BGE 99 IV 78 Erw. 4). Es ist jedoch nicht das gleiche, ob der Täter, wie es gewöhnlich geschieht, im Sinne einer blossen Hoffnung darauf vertraut, dass seine falschen Angaben geglaubt werden, oder ob er aufgrund bestimmter Umstände zum voraus erkennt, dass er es mit einem Opfer zu tun hat, das ihm infolge Unbeholfenheit, Unerfahrenheit und dergleichen besonderes Vertrauen entgegenbringt und deshalb aller Voraussicht nach von einer Überprüfung absieht. Solche Personen sind oft rasch bereit, unwahren Angaben trotz zumutbarer Überprüfung Glauben zu schenken, ohne dass ihnen Leichtsinn oder Leichtgläubigkeit vorgeworfen werden kann. Gerade weil sie ohne eigenes Verschulden leicht missbraucht werden können, bedürfen sie des besonderen Schutzes. Es ist daher entgegen den Einwänden der Vorinstanz, mit denen sich der Kassationshof schon in BGE 99 IV 77 auseinandergesetzt hat, an der bisherigen Praxis festzuhalten.
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2. Die Staatsanwaltschaft erblickt in den angefochtenen 8 Betrugsfällen ausgesprochene Musterbeispiele dafür, dass sich der Angeklagte auf die Unterlassung der Überprüfung ![]() | 3 |
Aus dem angefochtenen Urteil ergibt sich, dass Cavina in den 8 Fällen vorgeworfen wird, er habe den Unterzeichnern des Versicherungsantrages falsche Angaben über die Bedeutung des Antrages gemacht, so durch die Zusicherung, die Unterschrift verpflichte sie nicht, der Antrag diene nur der Anforderung weiterer Unterlagen, sie könnten sich noch später entscheiden usw. Die Vorinstanz hat mit Ausnahme des Falles Asmus davon abgesehen, sich mit den einzelnen Sachverhalten, insbesondere mit dem Wahrheitsgehalt der behaupteten Täuschungen, näher auseinanderzusetzen, und die 8 Freisprüche einzig auf die Annahme gestützt, dass auf jeden Fall das Tatbestandsmerkmal der Arglist fehle, weil es den Geschädigten möglich und zumutbar gewesen wäre, das Antragsformular vor der Unterzeichnung durchzulesen.
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Ist somit die Frage der Täuschung in 7 Fällen in tatsächlicher Hinsicht überhaupt nicht abgeklärt und fehlen in allen 8 Fällen auch weitere Feststellungen über die näheren Umstände, unter denen sich die Verhandlungen abgespielt haben, kann nicht überprüft werden, ob Cavina Arglist zur Last fällt oder nicht. Das Urteil ist daher gemäss Art. 277 BStP aufzuheben und die Sache zur Ergänzung der Feststellungen sowie zu neuer Beurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Dabei ist ausser der Tatsache, dass die meisten Geschädigten im jugendlichen Alter von 20 Jahren standen, auch die Möglichkeit geschäftlicher Unerfahrenheit in Betracht zu ziehen und gegebenenfalls weiter zu berücksichtigen, inwieweit sie unter Zeitdruck gehandelt haben oder als Folge anderer Tatumstände, z.B. ihrer persönlichen Verhältnisse oder vertrauenerweckender Zusicherungen des Angeklagten, Veranlassung hatten, den schriftlichen Antrag nicht zu überprüfen.
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Wie das Bundesgericht wiederholt entschieden hat, ist ein Vermögensschaden im Sinne von Art. 148 StGB auch dann ![]() | 7 |
Die gleichen Grundsätze sind auch anzuwenden, wenn jemand durch arglistige Irreführung zum Abschluss eines Vertrages bestimmt wird, den der Getäuschte in Wirklichkeit nicht eingehen wollte. In den vorliegenden Fällen ist verbindlich festgestellt, dass Kaufmann und Grichting inbezug auf das Wertverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung nicht getäuscht worden sind. Die Vorinstanz hat ferner angenommen, dass die versprochene Versicherungsleistung dem Wert der verlangten Prämienzahlungen objektiv entsprach. Nach rein objektiver Betrachtungsweise kann somit ein Vermögensschaden nur eingetreten sein, wenn der Vertragsschluss trotz der Wertgleichheit der gegenseitigen Leistungen eine Veränderung der Vermögenslage der Getäuschten zu ihren ![]() | 8 |
Die Schädigung ist mit der Unterzeichnung des Versicherungsantrages eingetreten. Dass der zustandegekommene Versicherungsvertrag wegen absichtlicher Täuschung unverbindlich war, ist nach ständiger Rechtsprechung unerheblich (BGE 74 IV 153, BGE 100 IV 170).
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Die Vorinstanz stellt sich damit auf den Standpunkt, dass eine Falschbeurkundung immer dann ausgeschlossen sei, ![]() | 11 |
In den in Frage stehenden Fällen haben sich die Versicherungsnehmer durch die Unterzeichnung eines Versicherungsantrages zum Abschluss eines Versicherungsvertrages verpflichtet, den sie in Wirklichkeit nicht eingehen wollten. Cavina hat daher, wie die Staatsanwaltschaft zu Recht einwendet, auch in jenen Fällen eine rechtlich erhebliche Tatsache unrichtig verurkunden lassen, in denen er den Versicherungsnehmern einzig die Unverbindlichkeit des Versicherungsantrages vortäuschte. Die Vorinstanz hat sich demzufolge in den von der Staatsanwaltschaft angefochtenen Fällen erneut mit der Frage der Urkundenfälschung zu befassen.
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