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13. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 25. April 1975 i.S. X. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau. | |
Regeste |
Art. 181 StGB, Nötigung. |
2. Rechtswidrigkeit der Nötigung (Erw. 2b). |
3. Begriff der Mittäterschaft (Erw. 3). |
4. Der Mittäter, der einen anderen zur gemeinsamen Tat anstiftet, ist nur wegen Mittäterschaft, nicht auch wegen Anstiftung strafbar (Erw. 4). | |
Sachverhalt | |
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B.- Mit Urteil vom 30. Oktober 1974 sprach das Bezirksgericht Arbon X. des vollendeten Versuchs der Nötigung und der Anstiftung dazu sowie weiterer Delikte schuldig und verurteilte ihn zu einer Gefängnisstrafe von 20 Monaten.
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Das Obergericht des Kantons Thurgau wies am 4. Februar 1975 die Berufung des Verurteilten ab.
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Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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X. stellt sich auf den Standpunkt, dass im vorliegenden Fall die Rechtswidrigkeit nicht gegeben sei. Art. 181 StGB, der die persönliche Freiheit schütze, müsse zurückhaltend angewendet werden. Wer sich in das Geschäft des Betäubungsmittelhandels einlasse, rechne zum vornherein mit etwas härteren Methoden und willige in diese ein.
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a) Ob die angedrohten Nachteile "ernstliche" im Sinne des Gesetzes sind, entscheidet sich nach einem objektiven Massstab. Nur Drohungen, die eine verständige Person in der Lage des Betroffenen motivieren können, fallen darunter (G. STRATENWERTH, Schweizerisches Strafrecht, BT I, S. 90 f. mit Hinweisen; ferner BGE 96 IV 62). Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers spielt die subjektive Widerstandskraft des Opfers keine Rolle. Lässt sich der Bedrohte aus irgendeinem Grunde nicht einschüchtern, so liegt ein Versuch der Nötigung vor.
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Im übrigen vermag die Auffassung des Beschwerdeführers ohnehin nicht durchzudringen, da die Vorinstanz verbindlich feststellt, B. habe grosse Angst gehabt und gefürchtet, die drei Angeklagten würden ihn zusammenschlagen, falls er die Rückzahlung nicht anerkenne. Darum versprach er, was die Täter verlangten. Erst am nächsten Tag, nach Wegfall der Drohung, habe er sich zur Polizei gewagt. Demnach kann keine Rede davon sein, dass B. auf seine Handlungsfreiheit teilweise verzichtet habe und im Drogenmilieu besonders resistent geworden sei. Infolgedessen ist die Voraussetzung der Androhung ernstlicher Nachteile im Sinne von Art. 181 StGB erfüllt.
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Aber auch die Äusserungen gegenüber B., man werde ihn wegen Handels mit 2 kg Haschisch "hochfliegen" lassen, falls er die Forderung von Fr. 1'650.-- nicht anerkenne, erfüllen den Tatbestand des Nötigungsversuchs. Zwar ist die Androhung einer Strafanzeige an sich kein unerlaubtes Mittel, und auch der verfolgte Zweck - nämlich die Anerkennung einer Forderung - verstösst an sich nicht gegen die Rechtsordnung (BGE 87 IV 14). Ein Verstoss gegen die Rechtsordnung ist aber gegeben, sobald die Verknüpfung zwischen dem zulässigen Mittel und dem erlaubten Zweck sich als rechtsmissbräuchlich oder sittenwidrig darstellt (STRATENWERTH, a.a.O., S. 92 und V. SCHWANDER, Das Schweizerische Strafgesetzbuch, 2. Auflage, N. 629a). Demzufolge hat der Kassationshof seit jeher die Drohung mit einer Strafanzeige dann als rechtswidrig betrachtet, wenn - wie im vorliegenden Fall - zwischen dem Straftatbestand, der angezeigt werden soll, und dem Gegenstand des gestellten Begehrens ein sachlicher Zusammenhang fehlt (BGE 87 IV 14 und BGE 96 IV 60 ff.).
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Mittäterschaft liegt vor, wenn jemand bei der Entschliessung, Planung oder Ausführung eines Deliktes vorsätzlich und in massgebender Weise mit einem andern Täter zusammenwirkt (BGE 98 IV 259 E. 5 mit Verweisungen; ferner ![]() | 13 |
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a) Die Verurteilung wegen Anstiftung wird von der Vorinstanz ausschliesslich auf folgende Aussagen des Beschwerdeführers gestützt: "Ich schlug vor, man könnte nach Schaffhausen fahren und von B. das Geld verlangen, Z. erwähnte, er komme mit, er wisse schon wie man das Bürschli unter Druck setzen könne. Ich war einverstanden. Ich dachte mir, da kann er zeigen, was er kann." Ob diese Äusserungen für eine Bestrafung gemäss Art. 24 StGB genügen, erscheint fraglich, braucht aber nicht entschieden zu werden. Denn die Beschwerde muss in diesem Punkt schon aus anderen Gründen geschützt werden.
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b) Nach der Praxis des Bundesgerichtes geht die Teilnahme (einschliesslich Anstiftung) in der Täterschaft auf (BGE 100 IV 2 ff. E. 5). Ein Täter kann also nicht auch noch wegen ![]() | 16 |
Die Beschwerdegegnerin kritisiert diese Rechtsprechung mit der Behauptung, dass die Korruptionstheorie den schweizerischen Grundprinzipien eines Schuldstrafrechtes wesentlich besser entspreche als die vom Bundesgericht vertretene Auffassung. Dieser Einwand ist jedoch verfehlt. In BGE 100 IV 2 ff. wurde ausführlich dargelegt, dass der Strafgrund der Teilnahme - namentlich auch der Anstiftung - in der Mitwirkung an dem vom Täter begangenen Unrecht liegt. Das ergibt sich aus dem in Art. 26 StGB verankerten Grundsatz der limitierten Akzessorietät (G. STRATENWERTH, ZStR 81/1965, S. 203). Von diesem Standpunkt abzuweichen, besteht kein Anlass.
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Ferner wendet die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau gegen die bundesgerichtliche Praxis ein, dass sie bei der Strafzumessung in den Fällen bloss versuchter Straftaten zu kaum vertretbaren Ergebnissen führe. In jenen Fällen nämlich, wo ein Mittäter andere zu einem gemeinsamen Delikt anstifte und sein eigener Tatbeitrag - im Gegensatz zu demjenigen der übrigen Mittäter - im Stadium der Versuches stecken bleibe, könne der Richter die Strafe für den anstiftenden Mittäter, nicht jedoch diejenige für die angestifteten nach Art. 21 StGB mildern. Damit wird aber von der Beschwerdegegnerin der Begriff der Mittäterschaft verkannt; eine Bestrafung wegen Mittäterschaft bei einer vollendeten Tat setzt nicht voraus, dass der Tatbeitrag des betreffenden Mittäters sich als vollendetes Delikt darstellt. Es wird nicht einmal verlangt, dass ein Mittäter an der Tatausführung selbst beteiligt sei; vielmehr kann auch eine Beteiligung an der Tatplanung für die Mittäterschaft genügen (BGE 98 IV 259 E. 5). Im übrigen lässt sich ein allfälliges erhöhtes Verschulden eines Mittäters, der andere zu einem gemeinsamen Delikt anstiftet, im Rahmen der Strafzumessung nach Art. 63 StGB hinreichend berücksichtigen (PH. THORMANN/A. V. OVERBECK, Schweizerisches Strafgesetzbuch, Bd. I, N. 11 vor Art. 24 und BJM 1969, S. 30).
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Aus diesen Gründen muss die Beschwerde hinsichtlich der Bestrafung wegen Anstiftung zum Nötigungsversuch gutgeheissen werden. Der Fall ist an die Vorinstanz zurückzuweisen, ![]() | 19 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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