BGE 101 IV 247 | |||
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55. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 4. Juli 1975 i.S. J. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Luzern | |
Regeste |
1. Art. 269 BStP. Die Vereinigung von Nichtigkeitsbeschwerde und staatsrechtlicher Beschwerde in einer gemeinsamen Eingabe ist nur zulässig, wenn die beiden Rechtsmittel auseinandergehalten und getrennt behandelt werden (Erw. 1). |
3. Art. 13 StGB. Von einer weitern psychiatrischen Begutachtung darf abgesehen werden, wenn voraussichtlich keine wesentlich neuen Tatsachen mehr festgestellt werden können (Erw. 2). | |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Nichtigkeits- und staatsrechtliche Beschwerde sind zwei selbständige Rechtsmittel, die - sowohl was die Form der Einreichung als die gerichtliche Behandlung betrifft - auch unterschiedlichen Verfahrensregeln unterworfen sind. Grundsätzlich dürfen daher die beiden Beschwerden nicht in ein und derselben Eingabe vereinigt werden, sondern ist jede getrennt zu erheben und in einer besondern Eingabe zu begründen (BGE 63 II 38, BGE 68 IV 10, BGE 82 II 398, BGE 82 IV 54, BGE 85 I 196, BGE 89 IV 27).
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Eine Ausnahme vom Erfordernis getrennter Eingaben wird nur dann gemacht, wenn die verschiedenen Rechtsmittel in der Rechtsschrift äusserlich klar auseinandergehalten werden (Entscheid der staatsrechtlichen Abteilung vom 7. Dezember 1955 i.S. Commune de Neuchâtel c. Schneeberger, Beschluss des Kassationshofes vom 24. Oktober 1957 und Urteil der I. Zivilabteilung von 13. Februar 1958 i.S. Sprenger c. Büeler). Die Verbindung von Nichtigkeits- und staatsrechtlicher Beschwerde in einer gemeinsamen Eingabe ist somit nur zulässig, wenn die beiden Rechtsmittel nicht vermengt werden, sondern für jede Beschwerde gesondert und abschliessend dargelegt wird, was mit ihr vorgebracht werden will.
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Im vorliegenden Fall bezeichnet der Beschwerdeführer in der Beschwerdeanmeldung und in der Beschwerdebegründung die Beschwerde ausdrücklich als Nichtigkeitsbeschwerde, beruft sich jedoch in beiden Eingaben sowohl auf die Verletzung von Strafbestimmungen (Art. 397, 11, 13 StGB) als auch auf die Verletzung von Art. 4 BV (willkürliche Beweiswürdigung, Beeinträchtigung der Parteirechte usw.), ohne die beiden Beschwerden auseinanderzuhalten und getrennt zu behandeln. Auf die staatsrechtliche Beschwerde, die im Verhältnis zur Nichtigkeitsbeschwerde subsidiären Charakter hat (BGE 89 IV 27), ist somit nicht einzutreten.
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Ob die neue Tatsache auch erheblich im Sinne des Art. 397 StGB sei, hängt in erster Linie davon ab, ob die behauptete Verminderung der Zurechnungsfähigkeit in einem Grad dargetan wird, dass es gerechtfertigt erscheint, eine gegenüber dem früheren Urteil wesentlich mildere Strafe auszufällen. Das Obergericht hat diese Frage verneint, indem es aufgrund des Gutachters Dr. F. annimmt, die Beeinträchtigung der geistigen Gesundheit sei so geringfügig gewesen, dass sie keinen Einfluss auf die Fähigkeit des Beschwerdeführers hatte, das Unrecht seiner Taten einzusehen und dementsprechend zu handeln. Das sind tatsächliche, auf Beweiswürdigung beruhende Feststellungen, die mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden können (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Hat aber die Vorinstanz der neuen Tatsache die Erheblichkeit aus Gründen des Beweises, nicht aus rechtlich unzutreffenden Überlegungen abgesprochen, liegt in der Ablehnung des Revisionsgesuches weder eine Verletzung des Art. 397 noch eine solche von Art. 11 StGB.
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Auch Art. 13 StGB ist nicht verletzt. Der Beschwerdeführer wurde bereits zweimal psychiatrisch begutachtet. Zwar bezogen sich die Gutachten Dr. M. und Dr. F. unmittelbar auf die seit 1965 begangenen Delikte, während die im Kanton Luzern beurteilen Straftaten früher verübt worden sind. Beide Gutachter berücksichtigten jedoch die gesamte Lebensentwicklung des Beschwerdeführers und befassten sich mit der Frage, von welchem Zeitpunkt an die von ihnen festgestellten psychischen Besonderheiten aufgetreten sind. Damit haben sie sich, wenn auch nicht übereinstimmend, zugleich zur Frage geäussert, wie es mit der Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers zur Zeit der im Kanton Luzern begangenen Taten bestellt war. Auf Grund der beiden Arztberichte durfte die Vorinstanz davon ausgehen, dass sie über den Geisteszustand des Beschwerdeführers hinreichend unterrichtet sei und dass von einer weitern Begutachtung keine wesentlich neuen Erkenntnisse zu erwarten wären.
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