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60. Urteil des Kassationshofes vom 20. November 1975 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau gegen V. | |
Regeste |
Art. 42 StGB; Verwahrung. |
2. Bedeutung der Schwere der früheren Straftaten (Erw. 3a). |
3. Wann sind im Ausland begangene Straftaten bzw. daselbst verbüsste Strafen oder durchgeführte Massnahmen zu berücksichtigen? (Erw. 3b.) | |
Sachverhalt | |
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Am 2. Oktober 1974 wurde V. in Österreich aus dem Vollzug der 18monatigen Kerkerstrafe mit einem Barbetrag von 1'370 Schilling und der Aussicht, in Dornbirn eine Stelle antreten zu können, entlassen. Statt diese anzunehmen, überschritt er am gleichen Tag illegal die Grenze und verübte innert wenigen Tagen in der Schweiz eine Reihe von Einbrüchen.
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B.- Am 12. September 1975 verurteilte die Kriminalkammer des Kantons Thurgau V. wegen qualifizierten Diebstahls, fortgesetzter Sachbeschädigung, fortgesetzten Hausfriedensbruchs, Verweisungsbruchs und fortgesetzten Führens eines Motorfahrzeugs trotz Entzug des Führerausweises, alles begangen im Rückfall, zu 18 Monaten Zuchthaus.
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C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Thurgau führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil der Kriminalkammer sei aufzuheben und die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie die Verwahrung des V. gemäss Art. 42 StGB anordne.
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V. beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Diese Argumentation hält nicht. Sind die Voraussetzungen des Art. 42 StGB gegeben, dann kann die Anordnung der Verwahrung nicht aus Überlegungen umgangen werden, wie sie die Kriminalkammer anführt. Art. 42 Ziff. 1 StGB schreibt zwar nicht vor, der Richter müsse die Verwahrung anordnen, wenn die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind, sondern stellt sie in sein Ermessen. Indessen bedeutet ![]() | 7 |
a) Die Vorinstanz behauptet selber nicht, dass die von ihr ausgefällte Strafe eine solche Wirkung entfalten würde. Vielmehr bezeichnet sie V. als unverbesserlichen Gewohnheitsdelinquenten. Dann aber durfte sie von einer Verwahrung nur absehen, wenn sonstwie eine ebenso zuverlässige Sicherung der Öffentlichkeit gewährleistet war, wie sie eine Verwahrung nach Art. 42 StGB hätte bewirken können. Auch diese Voraussetzung ist nicht erfüllt.
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b) Der Umstand, dass der Beschwerdegegner in Österreich ebenfalls ein Strafverfahren zu gewärtigen hat und zu diesem Zweck an die österreichischen Strafbehörden auszuliefern sein wird, bietet keine Gewähr für eine der schweizerischen Verwahrung entsprechende, auf lange Dauer angelegte Sicherung der schweizerischen Öffentlichkeit vor neuen Straftaten V.s; denn was für Sanktionen die österreichischen Strafbehörden ergreifen werden, ist ungewiss. Es besteht daher die Möglichkeit, dass V. nach Verbüssung einer Strafe in Österreich, die ungleich viel kürzer sein kann, als es eine in der Schweiz angeordnete Verwahrung wäre, wiederum in der Schweiz auftaucht und hier straffällig wird. Wie die Staatsanwaltschaft überzeugend dargetan hat, befand sich das Zentrum der Aktivitäten des Beschwerdegegners seit 1959 in Vorarlberg und insbesondere im Raum Dornbirn, also nahe der Schweizer Grenze. Diese hat er seit 1973 trotz lebenslänglicher Landesverweisung schon zum dritten Mal illegal überschritten, um in der Schweiz straffällig zu werden. Ein wirksamer Schutz der schweizerischen Öffentlichkeit, wie sie durch die Verwahrung V.s gegeben wäre, ist demnach von einer Auslieferung an die österreichischen Strafbehörden nicht mit Sicherheit zu erwarten.
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a) Wie gesagt, ist Grund der Verwahrung die Unverbesserlichkeit des Täters. Die Massnahme wird deshalb nicht so sehr durch die Schwere der früher begangenen Delikte, als vielmehr durch ihre Zahl und die Dauer der bereits erstandenen Strafen oder Massnahmen und den neuerlich bekundeten Hang zu Verbrechen und Vergehen gerechtfertigt. Die Schwere der früheren Straftaten ist nach Art. 42 StGB nur in dem Sinne von Belang, als diese als Verbrechen oder Vergehen in Erscheinung treten und eine Bestrafung mit Gefängnis oder Zuchthaus von insgesamt mindestens zwei Jahren oder die Anordnung von sichernden Massnahmen zur Folge haben mussten.
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b) Die Tatsache schliesslich, dass V. vor den letztbeurteilten Straftaten nur zweimal in der Schweiz straffällig geworden ist, hilft ebenfalls nicht. Die Unverbesserlichkeit des Rechtsbrechers und die Notwendigkeit seiner Verwahrung beurteilen sich nicht bloss nach den in der Schweiz verübten Delikten; vielmehr sind auch die im Ausland begangenen Straftaten mit zu berücksichtigen, soweit sie nach schweizerischem Recht als vorsätzliche Verbrechen oder Vergehen strafbar gewesen wären. Ebenso sind die im Ausland verbüssten Strafen und vollzogenen Massnahmen nach Art. 42 StGB von Belang, soweit sie mit den schweizerischen Zuchthaus- oder Gefängnisstrafen bzw. den schweizerischen Massnahmen vergleichbar sind und in Urteilen ausgefällt wurden, die den Grundsätzen des schweizerischen Rechts nicht widersprechen (s. Art. 67 Ziff. 2 StGB). So hat der Kassationshof in BGE 99 IV 72 die ![]() | 13 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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