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92. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 22. Dezember 1975 i.S. X. und Y. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden. | |
Regeste |
Art. 125 Abs. 2 StGB; Verkehrssicherungspflicht für Skipisten. |
2. Die Markierung einer gefährlichen Stelle mit an einer Schnur angehängten Fähnchen ist eine zumutbare Sicherungsmassnahme (Erw. 3a). |
3. Das Befahren einer als harmloser Buckel erscheinenden, in der natürlichen Fortsetzung der Piste liegenden, jedoch talwärts steil abfallenden Kuppe durch einen geübten Skifahrer ist kein so aussergewöhnliches Verhalten, dass damit nicht gerechnet werden müsste (Erw. 3b). | |
Sachverhalt | |
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2.- X. ist Vizedirektor und technischer Leiter der Bergbahnen Flims AG, Y. ist Pistenchef. Nach seinem Pflichtenheft ist der erste für die Instandhaltung der Skipisten und während der schneefreien Zeit für ihre Vorbereitung verantwortlich; Einsatz und Unterhalt der Pistenfahrzeuge sind seine Sache. Dem zweiten obliegt die volle Verantwortung für den Unterhalt der gesamten Skipisten. Die Markierungen der Pisten hat er in Zusammenarbeit mit dem technischen Leiter zu bestimmen und dann auszuführen: "der gesamte Pistensicherungsdienst" ist ihm unterstellt.
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B.- Der Kreisgerichtsausschuss Trins sprach X. und Y. am 12. Februar 1975 von der Anklage der fahrlässigen Körperverletzung frei.
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Auf Berufung der Staatsanwaltschaft sprach der Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden am 16. Juni 1975 X. und Y. der fahrlässigen Körperverletzung nach Art. 125 Abs. 2 StGB schuldig und büsste den ersten mit Fr. 300.--, den zweiten mit Fr. 150.--.
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Die Staatsanwaltschaft von Graubünden beantragt Abweisung der Beschwerde. Das Kantonsgericht verzichtet auf Gegenbemerkungen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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2. Die Beschwerdeführer machen geltend, die Auffassung der Vorinstanz, wonach zu der zu sichernden Piste nicht nur der eigentliche präparierte Teil, sondern auch ein gewisser Grenzbereich gehöre, sei verfehlt, soweit damit gesagt werden Wolle, auch der jenseits der fraglichen Kuppe gelegene Steilabfall gehöre noch zu diesem Bereich. Die Bestimmung des Pistenrandes sei nicht immer so einfach wie bei Strassen. Nach Meinung des einschlägigen Schrifttums werde der Pistenrand durch Absperrung, Befahrung oder die natürlichen Gegebenheiten, insbesondere durch die Geländeverhältnisse bestimmt, Im vorliegenden Fall sei für die verunglückte Skifahrerin aus den Geländeverhältnissen klar erkennbar gewesen, dass die Graubergpiste zur Brücke führe und links und rechts durch die angeschnittene Geländerippe begrenzt werde. Die Kuppe links habe den Pistenrand gebildet und die Skifahrerin auch optisch klar erkennbar in Richtung Brücke gewiesen. Der Pistenrand sei hier somit durch die Geländeverhältnisse eindeutig gegeben gewesen. Im übrigen gehöre zur ordnungsgemässen Pistensicherung nur die Vorsorge, dass ein Skifahrer auf der Piste nicht durch versteckte oder schlecht sichtbare ![]() | 8 |
a) Nach dem angefochtenen Urteil steht fest, dass im Zeitpunkt des Unglücks die Kuppe nicht mehr als eigentliche Pistenbegrenzung erschienen ist, sondern die Geländeverhältnisse durch Schneeverfrachtungen so verändert worden waren, dass die Kuppe nur noch eine kleine Erhebung, einen harmlosen Buckel darstellte, der ohne weiteres befahren und gewissermassen als Teil der Piste angesehen werden konnte. Das sind tatsächliche Annahmen, die den Kassationshof binden und mit der Nichtigkeitsbeschwerde weder bestritten noch bemängelt werden können (Art. 273 Abs. 1 lit. b und Art. 277bis Abs. 1 BStP). Die Behauptung der Beschwerdeführer, die Piste sei durch die Kuppe links optisch klar abgegrenzt worden, die Geländeverhältnisse hätten eine eindeutige Begrenzung der Piste dargestellt, widerspricht jenen Feststellungen der Vorinstanz und ist deshalb nicht zu hören.
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b) Wieweit der räumliche Bereich der Verkehrssicherungspflicht für Skipisten geht, hängt von den tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalles ab. Ohne zur kontroversen Frage endgültig Stellung nehmen zu müssen, wann letztlich noch eine Skispur anzunehmen bzw. wie dieser Begriff in seinen äussersten, rechtlich noch vertretbaren Grenzen zu umschreiben sei, kann im vorliegenden Fall davon ausgegangen werden, dass jedenfalls die von einer Bergbahn ihrem Publikum für Skiabfahrten zur Verfügung gestellten markierten, präparierten und kontrollierten Verkehrsflächen nach der Meinung des Schrifttums Skipisten sind (DALLČVES, La responsabilité civile du skieur et des personnes chargées de l'entretien des pistes de ski, JdT 1967 S. 331/2; DANNEGGER, Haftungsfragen im Recht des Skifahrens, Festgabe Wilhelm Schönenberger, S. 232; HASLER, Strafrechtliche Haftung für mangelhafte Sportanlagen, insbesondere Skipisten, Diss. Zürich 1971, S. 17; PADRUTT, Verkehrssicherungspflicht für Skipisten, ZStrR 1971, S. 69 f.; PADRUTT, Sport und Recht, S. 110; WANNER, La responsabilité civile à raison des pistes de ski, Diss.
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c) Nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz ist die fragliche Kuppe als eine solche Stelle anzusehen. Nicht nur lag sie im unmittelbaren Grenzbereich der ursprünglich präparierten Bahn, sondern auch in ihrer natürlichen Fortsetzung, indem diese vor ihr eine Rechtsbiegung beschrieb. Zum anderen hörte die Markierung mit an einer Schnur aufgehängten Fähnchen einige Meter vor jener Stelle auf und war die ursprünglich als natürliche Schranke wirkende Vertiefung zwischen der Kuppe und der Piste durch Schneeverfrachtungen derart aufgefüllt worden, dass die Kuppe nurmehr als eine kleine, leicht befahrbare Erhebung erschien. Da sie jedoch talwärts steil abfiel, was der von oben kommende Skifahrer nicht erkennen konnte und womit er nach dem äusseren Erscheinungsbild der Kuppe als eines harmlosen Buckels auch nicht rechnen musste, wurde sie von der Vorinstanz mit Recht ![]() | 12 |
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a) Gegenüber einer vorbehaltlosen Übertragung der für Strassen gültigen Überlegungen auf Skipisten wurde im Schrifttum (PICHLER, Besteht eine Rechtspflicht zur Sicherung von Skipisten? in SJZ 1968, S. 281 ff.) bereits überzeugend festgehalten, dass Bewegungsart und Bewegungstechnik beim Skilauf und beim Motorfahrzeugverkehr voneinander verschieden sind und deshalb von der fehlenden Notwendigkeit einer bestimmten Sicherungsvorkehr im Strassenverkehr nicht auf die fehlende Notwendigkeit einer Sicherungsvorkehr im Pistenskilauf geschlossen werden dürfe (insbes. S. 284). Wenn deshalb die Beschwerdeführer einerseits geltend machen, Strassenbau und Strassenunterhalt seien sehr kostspielig und kleinste Änderungen erforderten, sofern sie durchgehend ausgeführt würden, sehr hohe Aufwendungen, und anderseits daraus den Schluss ziehen, dass eine durchgehende Einzäunung der Pisten links und rechts höchst aufwendig und dem Sicherungspflichtigen nicht zumutbar sei, so gehen sie an der Sache vorbei. Im vorliegenden Fall hätte es vollauf ausgereicht, die ohnehin schon bis unmittelbar vor die Kuppe gezogene Schnur mit daran angehängten Fähnchen einige Meter weiterzuziehen und damit die Piste in einer für jeden Skifahrer erkennbaren Weise auch im Bereich der Kuppe abzugrenzen. Das hätte ohne grossen finanziellen und arbeitsmässigen Aufwand geschehen können und wäre zumutbar gewesen.
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b) Was aber den Hinweis auf die den Strassenbenützer wie den Skifahrer treffende Pflicht zu vernünftiger und vorsichtiger Fahrweise anbelangt, derzufolge der eine wie der andere diese seinem Können sowie den Witterungs- und Geländeverhältnissen anzupassen hat, so ist schlechterdings nicht ersichtlich, inwiefern die Beschwerdeführer hieraus etwas zur Stütze ihrer Behauptung ableiten könnten, wonach es am rechtserheblichen Kausalzusammenhang zwischen ihrer Unterlassung und dem Unfall fehle. B. M. ist nicht in einer ihrem Können ![]() | 15 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
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