BGE 101 IV 407 | |||
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94. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 21. November 1975 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Zug gegen X. | |
Regeste |
1. Art. 312 StGB. |
2. Art. 314 StGB. |
Diese Bestimmung kommt nur dann zur Anwendung, wenn das Behördemitglied durch das Rechtsgeschäft selber und dessen rechtliche Wirkungen öffentliche Interessen finanzieller oder ideeller Art vorsätzlich schädigt (Erw. 2). | |
Sachverhalt | |
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A.- Eine provisorische Baukostenabrechnung des Bauamtes der Stadt Zug vom 1. Oktober 1970 betreffend die Erstellung der Schulanlage Loreto wies bei einer Bausumme von Fr. 19'296'881.-- unter Berücksichtigung der Baukostenteuerung eine Kostenüberschreitung von Fr. 2'531'881.-- auf. Diese sowie Gerüchte über unkorrekte Amtsführung des Bauamtes der Stadt Zug bewogen den Stadtrat von Zug, den Präsidenten des Bezirksgerichtes Horgen mit der Durchführung einer Administrativuntersuchung zu beauftragen. Der diesbezügliche Bericht vom 10. September 1971 kommt im wesentlichen zum Ergebnis, es sei nicht auszuschliessen, dass namentlich X., Mitglied des Stadtrates und Baupräsident, strafbare Handlungen begangen haben könnte, so dass sich die Durchführung einer ordentlichen Administrativuntersuchung sowie eines Strafverfahrens aufdränge. Mit Beschluss vom 18. Januar 1972 überwies der Regierungsrat des Kantons Zug die Akten an das Verhöramt zur Einleitung einer Strafuntersuchung. Zur Überweisung gelangten drei Sachverhalte:
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a) Mit Beschluss vom 24. August 1967 vergab der Stadtrat Arbeiten für Unterlagsböden an die Firma Gebrüder X. im Betrage von Fr. 85'411.35 und an die Firma H. im Betrage von Fr. 46'770.05. Eine Offerte von R., der früher Mitarbeiter der Firma H. gewesen war und kurz zuvor ein eigenes Geschäft eröffnet hatte, wurde - obwohl sie preislich günstiger war - nicht berücksichtigt mit der Begründung, R. verfüge noch nicht über die notwendige Erfahrung und Leistungsfähigkeit, einen so grossen Auftrag frist- und ordnungsgemäss auszuführen.
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b) Die Arbeiten und Lieferungen für WC- und Garderoben-Trennwände wurden der Submission unterstellt. Bei der Offertstellung hatte die Firma Gebr. X. als einzige das von der Firma S. AG. vertriebene System in keramischem Material (System Waprotect) offeriert. Die Kalkulation der Offerte der Gebr. X. erfolgte durch die S. AG.
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X. setzte sich dann mit der Firma S. AG. in Verbindung und holte deren Bereitschaft ein, den Auftrag zu den von der Firma Gebr. X. offerierten Preisen zu übernehmen. Da das System Waprotect am besten geeignet war, wurde in die Offertstellung statt Gebr. X. die Firma S. AG. eingetragen, und diese erhielt in der Folge den Auftrag, ohne dass eine neue Submission durchgeführt wurde.
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c) Für den Bau der Schwimmhalle wurden die Plattenarbeiten zur Submission ausgeschrieben. An dieser beteiligten sich 6 Firmen, darunter die Firma Gebr. X. Mit Beschluss vom 18. Juni 1968 vergab der Stadtrat von Zug die Plattenarbeiten im Schwimmbad an die Firma Gebr. X. mit der Begründung diese habe als einzige für die notwendige Massgenauigkeit garantiert. Auch diese Beschlussfassung des Stadtrates über die Vergabe von Arbeiten, für die die Firma Gebr. X. eingegeben hatte, erfolgte in Anwesenheit von X., der den entsprechenden Beschluss auch vorbereitet hatte. Er wurde verdächtigt, die Submissionsunterlagen solange bei sich zur Umarbeitung behalten zu haben, um seine Firma gegenüber der Konkurrenz zu bevorzugen.
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B.- Am 28. Dezember 1973 sprach das Strafgericht des Kantons Zug X. im Falle der Vergebung der WC-Trennwände des Amtsmissbrauches schuldig und bestrafte ihn mit 10 Tagen Gefängnis unter Gewährung des bedingten Strafvollzuges. Im übrigen sprach es ihn frei.
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Eine hiegegen eingereichte Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Strafobergericht des Kantons Zug am 3. Dezember 1974 abgewiesen, eine Anschlussberufung von X. hingegen gutgeheissen und diesen gänzlich freigesprochen.
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C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zug führt Nichtigkeitsbeschwerde. Sie beantragt Aufhebung des Obergerichtsurteils und Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zu neuer Beurteilung.
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Aus den Erwägungen: | |
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a) Die kantonalen Gerichte haben diese Sachverhalte zunächst unter dem Gesichtspunkte des Amtsmissbrauchs gewertet.
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Dieses Delikts im Sinne von Art. 312 StGB machen sich Mitglieder einer Behörde oder Beamte schuldig, die ihre Amtsgewalt missbrauchen, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen oder einem andern einen Nachteil zuzufügen. Art. 312 StGB erfasst also nicht jede Amtspflichtverletzung, auch nicht die Verletzung von Ausstandsvorschriften für sich allein genommen. Er setzt vielmehr voraus, dass der Täter seine Amtsgewalt in der gesetzlich genannten Absicht missbraucht, d.h. dass er von der ihm von Amtes wegen zustehenden hoheitlichen Gewalt Gebrauch mache, dass er kraft hoheitlicher Gewalt verfüge oder zwinge, wo es nicht geschehen dürfte (BGE 76 IV 285 E. 1; BGE 88 IV 70, BGE 99 IV 13 ff.).
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b) Die kantonalen Gerichte gehen davon aus, dass der Zuschlag von öffentlichen Arbeiten im Submissionsverfahren und die damit verbundene Ablehnung der Bewerbung anderer Konkurrenten eine Verfügung und damit Anwendung der Amtsgewalt darstelle.
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Die Beschlussfassung des Stadtrates über Zuschlag der ausgeschriebenen Arbeiten ist zwar Verwaltungstätigkeit im weitesten Sinne. Sie ist aber nicht Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt gegenüber den Bewerbern. Durch den Zuschlag wandte der Stadtrat nicht Amtsgewalt gegen die Bewerber an. Weder verfügte noch zwang er kraft staatlicher Hoheit. Vielmehr hat er durch den Zuschlag die Offerten der einen Bewerber auf Abschluss eines privatrechtlichen Geschäftes (Werkvertrag) angenommen und die Offerten anderer Bewerber abgelehnt.
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Somit liegt im Zuschlag einer öffentlichen Arbeit an einen privaten Unternehmer auf Grund vorangegangener Ausschreibung (Submission) und die Verweigerung dieses Zuschlags an einen andern Bewerber, der sich auf die Ausschreibung hin ebenfalls gemeldet hatte, keine Äusserung staatlicher Befehlsgewalt, sondern lediglich der Abschluss eines privatrechtlichen Vertrages (Werkvertrages) mit dem angenommenen Bewerber und die Ablehnung der entsprechenden Angebote der übrigen Eingabesteller. Art. 312 StGB ist daher nicht anwendbar. Schon aus diesem Grunde ist die Beschwerde abzuweisen. Ob der Freispruch von der Anklage des Amtsmissbrauchs auch aus den Gründen erfolgen kann, welche die Vorinstanz ihrem Urteil zugrunde legte, kann damit offen bleiben.
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Der ungetreuen Amtsführung macht sich schuldig, wer als Mitglied einer Behörde oder als Beamter, die bei einem Rechtsgeschäft von ihm zu wahrenden öffentlichen Interessen schädigt, um sich oder einem andern einen unrechtmässigen Vorteil zu verschaffen.
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Danach genügt nicht, dass das Behördemitglied oder der Beamte anlässlich von Verhandlungen und des Abschlusses des Rechtsgeschäftes sich ungebührlich verhält und so das Ansehen des Gemeinwesens schädigt, indem beispielsweise Ausstandsvorschriften nicht eingehalten werden. Vielmehr müssen gerade durch das Rechtsgeschäft selber und dessen rechtliche Wirkungen öffentliche Interessen geschädigt werden, wie sich aus der sinngemässen Auslegung der Vorschrift und dem französischen und italienischen Text des Gesetzes ergibt ("dans un acte juridique"; "in un negozio giuridico"). Nur dann handeln Behördemitglieder oder Beamte "ungetreu". Das öffentliche Interesse kann finanzieller oder ideeller Art sein. Dem Ermessen der zuständigen Behördemitglieder und Beamten ist in Ausübung ihrer Tätigkeit, im Rahmen der für sie bestehenden Vorschriften, ein angemessener Spielraum zu lassen. Sie können vor der Wahl verschiedener Möglichkeiten stehen, bei denen Vorteile und Nachteile gegeneinander abzuwägen sind. Bei der Vergebung von öffentlichen Arbeiten sind beispielsweise nicht nur der von den Bewerbern veranschlagte Preis zu berücksichtigen, sondern auch die Gewähr, welche die Bewerber für eine gute und fristgerechte Ausführung bieten. Nur wenn das den Behördemitgliedern und Beamten zustehende Ermessen offensichtlich überschritten ist, wird der Strafrichter wegen Schädigung der öffentlichen Interessen einschreiten. Die Schädigung privater Interessen genügt nach Art. 314 StGB nicht.
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Erforderlich ist sodann, dass die öffentlichen Interessen vorsätzlich verletzt werden.
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a) Eine Bestrafung wegen ungetreuer Amtsführung (Art. 314 StGB) würde nach den genannten Grundsätzen voraussetzen, dass Behördemitglieder oder Beamte im Verlaufe des Submissionsverfahrens die von ihnen zu wahrenden öffentlichen Interessen geschädigt haben. Private Interessen werden dabei nicht berührt. Die Schädigung der Interessen von Mitbewerbern scheiden also aus, einerseits weil sie nicht öffentliche sind, anderseits weil der Beschwerdegegner sie nicht zu wahren hatte. Als Stadtrat hatte der Beschwerdegegner die öffentlichen und ideellen Interessen der Stadt Zug zu wahren, die ihm als Stadtrat anvertraut waren. In erster Linie ging es hier um finanzielle Interessen der öffentlichen Hand, da gerade die Überschreitung des Voranschlages der Bauarbeiten Anlass zur administrativen Untersuchung und zum Strafverfahren gab. Eine Verletzung öffentlicher ideeller Interessen durch Vertragsabschluss wird nicht namhaft gemacht.
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b) Was die finanziellen Interessen anbelangt, hält die Vorinstanz den Nachweis einer Schädigung des Gemeinwesens durch Ablehnung der Offerte R. als nicht erbracht. Die Beschwerdeführerin selbst führt aus, es habe sich gezeigt, dass die Arbeiten abweichend von der ursprünglichen Planung und Offertstellung ausgeführt werden mussten, wofür im Verlaufe der Bauarbeiten neue vertragliche Abmachungen nötig gewesen seien, bei denen der Unternehmer naturgemäss die günstigere Stellung habe. Es sei nicht auszuschliessen, dass hiefür R. höhere Einheitspreise eingehandelt hätte und dass dessen Rechnung schliesslich höher ausgefallen wäre als jene der Firmen H. und Gebr. X. Damit entfällt der Schadensnachweis.
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c) Die Offerte der Firma R. wurde abgelehnt, weil der Beschwerdegegner angab, R. verfüge noch über zu wenig Erfahrung und er sei infolge geringen Personalbestandes nicht in der Lage, rechtzeitige und ordnungsgemässe Erfüllung eines grösseren Auftrages zu gewährleisten. Diese Auskunft war nach Feststellung der Vorinstanz zwar unrichtig und wurde fahrlässig abgegeben. Doch handelte der Beschwerdegegner nicht vorsätzlich; denn er vertraute auf unzureichende Information. Geht man aber nach Art. 19 StGB von der Wahrheit dieser falschen Information aus, ist auch der Vorwurf vorsätzlicher Schädigung unbegründet. Denn in diesem Falle hätte der Beschwerdegegner dem Stadtrat mit Recht beantragt, die Arbeiten nicht an R. zu vergeben. Die Risiken einer nicht rechtzeitigen und nicht ordnungsgemässen Ausführung hätten die Annahme einer etwas kostspieligeren Offerte vollauf gerechtfertigt. Damit scheidet aber auch die Möglichkeit aus, der Beschwerdegegner hätte in Kauf nehmen können, dass durch die Ausschaltung des Konkurrenten R. der Stadt ein finanzieller Schaden hätte erwachsen können. Dieser Annahme standen die genannten Risiken gegenüber, welche nicht eingegangen werden mussten.
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