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95. Urteil des Kassationshofes vom 2. Dezember 1975 i.S. X. gegen Generalprokurator des Kantons Bern. | |
Regeste |
Art. 15 Abs. 3 VRV. | |
Sachverhalt | |
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B.- Am 4. März 1975 sprach der Gerichtspräsident II von Thun X. von der Anschuldigung der Verletzung von Verkehrsregeln durch Missachtung des Vortrittsrechtes frei.
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Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte X. am 11. September 1975 wegen Missachtung des Vortrittsrechtes zu Fr. 100.-- Busse.
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C.- X. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichtes sei aufzuheben und die Sache zu seiner Freisprechung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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D.- Der Generalprokurator des Kantons Bern beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Der Beschwerdeführer rügt diese Betrachtungsweise als gesetzwidrig. Er anerkennt zwar, dass die Qualifikation der Bäumbergstrasse als einer blossen Quartierstrasse das Richtige trifft, stellt sich jedoch auf den Standpunkt, der nur um 40 cm weniger breite Bäumbergweg sei seinerseits eine dem öffentlichen Verkehr uneingeschränkt geöffnete Strasse, auch wenn an ihm nur vier Häuser stünden und er deshalb gegenüber der Bäumbergstrasse einen zahlenmässig geringeren Verkehr aufweise.
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Die erste Voraussetzung ist hier nicht erfüllt. Zu prüfen bleibt deshalb die Anwendung der letztgenannten Bestimmung auf den vorliegenden Fall.
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a) Nach Art. 15 Abs. 3 VRV ist, wer aus Fabrik-, Hof- oder Garageausfahrten, aus Feldwegen, Parkplätzen oder Tankstellen und dergleichen auf eine Haupt- oder Nebenstrasse fährt, zur Gewährung des Vortritts verpflichtet. Der Bäumbergweg stellt weder eine Fabrik- noch eine Hof- oder Garageausfahrt dar, noch ist er ein Feldweg oder eine Ausfahrt aus einem Parkplatz oder einer Tankstelle. Dass es sich um eine Sackgasse handelt, ist unerheblich; eine Sackgasse ist nicht stets ein Feldweg oder eine Ausfahrt (BGE 96 IV 37 unten; SCHULTZ, Die strafrechtliche Rechtsprechung zum neuen Strassenverkehrsrecht 1968-1972, S. 127 unten). Es kann sich deshalb aufgrund des Wortlauts der genannten Bestimmung ("und dergleichen") nur fragen, ob der genannte Weg aus andern Gründen so beschaffen ist, dass er den im Gesetz aufgeführten Beispielen gleichgestellt werden muss.
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b) Die Rechtsprechung hat schon unter der Herrschaft des MFG entschieden, dass Seitensträsschen und Gassen beim Zusammentreffen mit Durchgangsstrassen keine Verzweigung bilden, wenn sie nach Anlage und Grössenordnung offensichtlich nicht für den durchgehenden Verkehr bestimmt und im Verhältnis zur Durchgangsstrasse praktisch ohne Verkehrsbedeutung sind (BGE 84 IV 35, BGE 86 IV 188 Erw. 1). Diese Praxis wurde seit dem Inkrafttreten des SVG weitergeführt (BGE 92 IV 27, BGE 96 IV 37, BGE 99 IV 223). Der Akzent wurde dabei einerseits ![]() | 12 |
c) Für den vorliegenden Fall stellt die Vorinstanz fest, dass die Bäumbergstrasse nur eine Quartierstrasse ist. Sie dient somit nicht dem Durchgangsverkehr und weist demnach auch erkennbar nicht ein entsprechend grosses Verkehrsvolumen auf. Anderseits ist freilich der Bäumbergweg nur eine etwas mehr als 60 m lange Sackgasse, an welcher vier Wohnhäuser liegen; sie wird deshalb vorwiegend bloss von den Anwohnern benutzt und dient überdies dem Zubringerdienst. Ihre Verkehrsbedeutung ist für sich allein betrachtet unzweifelhaft klein. Indessen ist das Verkehrsgefälle zwischen den beiden Verkehrswegen keineswegs so erheblich, wie es nach der bisherigen Praxis gegeben sein müsste, um eine Verzweigung zu verneinen und von der elementaren Regel des Rechtsvortritts abzuweichen. Dazu kommt, dass die beiden Strassen beinahe gleich breit und beide asphaltiert sind, so dass sie sich auch nach Anlage und Grösse nicht offenkundig unterscheiden (s. BGE 96 IV 37 Erw. 1). Dass der Bäumbergweg in der Einmündungszone über ein mit der Strasse niveaugleiches Trottoir führt, könnte höchstens zusammen mit andern äusserlich in Erscheinung tretenden Unterscheidungsfaktoren als Indiz für einen gegenüber der Strasse völlig unbedeutenden Verkehrsweg wirken. Für sich allein aber vermag dieser Umstand die Vortrittsordnung nicht zu beeinflussen (BGE 81 IV 294). Schliesslich verhält es sich hier auch nicht wie in dem in BGE 84 IV 35 beurteilten Falle, wo die Einmündung in einem blossen ![]() | 13 |
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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