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Informationen zum Dokument  BGE 102 IV 70  Materielle Begründung
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Regeste
Sachverhalt
Aus den Erwägungen:
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18. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 14. August 1976 i.S. X. gegen Generalprokurator des Kantons Bern.
 
 
Regeste
 
Art. 42 Ziff. 1 Abs. 1 StGB.  
 
Sachverhalt
 
BGE 102 IV, 70 (70)A.- X. ist bereits dreimal verwahrt worden, letztmals durch das Amtsgericht Aarwangen am 4. Februar 1969. Am 5. Februar 1973 wurde er bedingt entlassen, unter Ansetzung einer dreijährigen Probezeit. In diesem Zeitabschnitt wechselte X. oft die Stelle, hielt sich wegen Alkoholismus in der psychiatrischen Universitätsklinik Bern auf und wurde in die Trinkerheilanstalt Tannenhof versetzt. Neue Plazierungsversuche blieben wegen des übermässigen Alkoholgenusses erfolglos. Die letzte Stelle trat X. am 11. März 1975 bei den Gebrüdern I. in Auswil an. Am 28. April 1975 lief er davon, nachdem er im Zimmer von I. nach Geld gesucht und solches auch an sich genommen hatte.
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Am 30. April 1975 stahl er einem Bauern in Auswil Bargeld im Betrage von Fr. 2'500.--.
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B.- Wegen dieses letztern Diebstahls verurteilte das Amtsgericht von Aarwangen X. am 20. Oktober 1975 zu acht Monaten Gefängnis, abzüglich 36 Tage Untersuchungshaft. Anstelle des Vollzuges der Gefängnisstrafe ordnete es die Verwahrung an.
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Das Obergericht des Kantons Bern bestätigte am 29. Januar 1976 das erstinstanzliche Urteil.
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C.- X. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde. Er beantragt, von der Anordnung der Verwahrung abzusehen.
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BGE 102 IV, 70 (71)Aus den Erwägungen:
 
Die frühere Rechtsprechung hatte Art. 42 Ziff. 1 Abs. 1 StGB dahin ausgelegt, dass ein neues vorsätzliches Verbrechen oder Vergehen nur dann Anlass zur Verwahrung geben könne, wenn die neue Tat nach Ablauf der Bewährungszeit für frühere Taten verübt wurde. Werde die neue Tat in der Anstalt, auf der Flucht aus der Anstalt oder während der Probezeit verübt, könne sie nicht zu neuer Verwahrung Anlass geben. Für diese Auslegung spreche der Wortlaut des Gesetzes ("innert fünf Jahren seit der endgültigen Entlassung") und die Überlegung, dass der noch nicht endgültig Entlassene nicht die volle Wirkung der vorangehenden Strafe oder Massnahme an sich erfahren habe, sodass der Rückfall noch nicht ohne weiteres als Beweis der Erfolglosigkeit der frühern Sanktion angesehen werden könne (BGE 98 IV 3 E. 3).
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Diese Praxis hat das Bundesgericht geändert mit der Begründung, der Entstehungsgeschichte könne entnommen werden, dass das Gesetz mit der Wendung "innert fünf Jahren seit der endgültigen Entlassung" nur den Endtermin, nicht den Anfang der Zeit bestimmen wollte, innert welcher die neue Tat begangen sein muss, um zu einer Verwahrung führen zu können (BGE 100 IV 138 ff.). Es wurde hervorgehoben, eine solche Änderung sei angezeigt, weil sonst die Verwahrung nach Art. 42 StGB selbst in Fällen nicht verhängt werden könnte, in denen sie sich aufdränge, der Täter aber seinen verbrecherischen Hang jeweils schon vor einer endgültigen Entlassung aus dem Vollzug einer Freiheitsstrafe kundgetan habe. Dass der Praxisänderung in jenen Fällen in der Regel keine grosse Bedeutung zukommt, in denen der Täter aus der Verwahrung bedingt entlassen wurde und daher eine Rückversetzung nach Art. 45 Ziff. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 42 Ziff. 4 Abs. 3 StGB erfolgt, wurde nicht verkannt. Aber auch für diesen Fall sieht der erwähnte Entscheid die Möglichkeit vor, dass der Richter eine neue Verwahrung verhängt, wird doch ausgeführt: "Das gleiche würde gelten, wenn er (der Täter) die neue Tat beginge, nachdem er bedingt aus einer Verwahrung oder Arbeitserziehung entlassen worden wäre. Dem Umstand, dass der noch nicht endgültig Entlassene noch nicht die volle Wirkung des Vollzugs erfahren hat, kann beim Entscheid Rechnung getragen werden, ob für die neue Tat von BGE 102 IV, 70 (72)einer Verwahrung abgesehen werden kann, weil begründete Erwartung besteht, auch der Vollzug der Freiheitsstrafe werde den Täter bessern" (BGE 100 IV 141, vor Erw. 4).
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An dieser Praxis, dass selbst eine Rückversetzung in die Verwahrung durch die Vollzugsbehörde den Richter nicht hindert, auch seinerseits eine neue Verwahrung anzuordnen, ist festzuhalten. Dafür spricht einmal der Umstand, dass das Gesetz selber keinen Unterschied zwischen jenen Fällen macht, in denen die Vollzugsbehörde bereits eine Rückversetzung in die Verwahrung angeordnet hat oder noch anordnen wird, und jenen, in denen dies nicht zutrifft. Sodann sind die Voraussetzungen für eine Rückversetzung in die Verwahrungsanstalt und die Anordnung einer neuen Verwahrung nicht identisch. So kann eine Rückversetzung nur angeordnet werden, wenn der Täter bedingt entlassen wurde. Hat er hingegen die neue Tat während der Phase des Anstaltsvollzugs verübt, ist eine Rückversetzung ausgeschlossen. Die vom Richter allenfalls neu angeordnete Verwahrung setzt alsdann der frühesten bedingten Entlassung aus der Verwahrung einen neuen, spätern Termin. Eine Rückversetzung in die Verwahrung muss die Vollzugsbehörde sodann nur anordnen, wenn der Entlassene während der Probezeit ein Verbrechen oder Vergehen verübt hat, für das er zu einer drei Monate übersteigenden und unbedingt zu vollziehenden Freiheitsstrafe verurteilt wurde. Ist der Entlassene zu einer mildern oder zu einer bedingt zu vollziehenden Strafe verurteilt worden, so liegt die Rückversetzung im Ermessen der Vollzugsbehörde. Der Richter, der die neue Tat zu beurteilen hat, ist an diese Beschränkung nicht gebunden. Fällt somit der Richter, welcher die neue Tat zu beurteilen hat, eine Strafe unter drei Monaten aus, so kann er es doch für angezeigt finden, selber eine neue Verwahrung anzuordnen, wenn er glaubt, diese Massnahme sei wegen der Gefährlichkeit des Täters notwendig. Denn wie die Vollzugsbehörden, welche den richterlichen Entscheid abwarten, urteilen werden, kann er nicht immer voraussehen. Umgekehrt können in solchen Fällen Erwägungen, welche den Richter von einer neuen Verwahrung absehen lassen, der Vollzugsbehörde den Ermessensentscheid nach Art. 45 Ziff. 3 Abs. 2 StGB und den Entlassungsentscheid erleichtern. Auch sonst kann eine neue richterliche Überprüfung der Notwendigkeit des Massnahmeregimes nützlich sein. So kann sie z.B.
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BGE 102 IV, 70 (73)Anlass sein, eine Verwahrung nach Art. 43 StGB anzuordnen, die dann in der Regel dem Vollzug der Verwahrung nach Art. 42 StGB vorgehen wird (Art. 2 Abs. 8 VStGB 1).
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Es kann auch nicht gesagt werden, die Kumulierung der Rückversetzung durch die Vollzugsbehörde in die Verwahrung wegen Nichtbewährung und die Anordnung einer erneuten Verwahrung wegen neuer Delikte durch den Richter widerspreche der Rechtslogik und der Systematik der Rechtsordnung. Die frühere Verwahrung wurde angeordnet, weil der damals urteilende Richter fand, sie sei nötig, um die Gesellschaft vor dem Täter wegen seines Hangs zu Verbrechen zu schützen. Die gleiche Überlegung müssen im Hinblick auf einen späteren Zeitpunkt oft jene Richter machen, welche die neuen Taten zu beurteilen haben. Dass deshalb beide Richter die gleiche sichernde Massnahme anordnen, entspricht in einem solchen Fall der Logik der Dinge und widerspricht ihr keineswegs, wie der Beschwerdeführer meint. Es verbleibt alsdann das Problem der Überschneidung, wenn die erste Verwahrung noch nicht endgültig dahingefallen ist, bevor die zweite Verwahrung angeordnet wurde. Dass aber Richter und Verwaltungsbehörden, zu denen auch die Strafvollzugsbehörden zählen, je unter verschiedenen Gesichtspunkten und bei ungleichen Voraussetzungen auf demselben Gebiete Entscheidungen zu treffen haben, ist eine häufige Erscheinung. Es sei nur an die Nebenstrafen, die sichernden, die andern Massnahmen und die Massnahmen des Jugendstrafrechts erinnert, welchen ähnliche Eingriffe des öffentlichen und des privaten Rechts entsprechen. Es widerspricht daher weder dem Prinzip der Gewaltentrennung noch der Systematik des schweizerischen Rechts, wenn Urteile des Richters und Verfügungen der Vollzugsbehörden nebeneinander bestehen. Daraus kann der Beschwerdeführer umso weniger etwas ableiten, als das Zusammentreffen mehrerer Verwahrungen eine Erscheinung ist, welche schon seit Inkrafttreten des Strafgesetzbuches bekannt ist. Sie belastet den Täter nicht mehr, als es das Gesetz im Interesse gerechter Sühne und der Sicherheit der Gesellschaft verlangt (vgl. Art. 2 Abs. 7 VStGB 1). Der Gesetzgeber fand daher trotz verschiedener Gesetzesrevisionen keinen Anlass, daran etwas zu ändern.
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