BGE 103 IV 23 | |||
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7. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 21. Januar 1977 i.S. B. gegen Staatsanwaltschaft Graubünden | |
Regeste |
Art. 110, Art. 251 StGB; Beweiseignung. |
2. Einer von der Kontrollstelle nicht geprüften und von der Generalversammlung nicht abgenommenen Bilanz kommt nicht von Gesetzes wegen Beweiseignung zu (Erw. 1b). |
3. Das Fehlen der Unterschriften auf der Bilanz ist für die Frage der Beweiseignung ohne Belang, sofern sich feststellen lässt, dass sie vom Unterzeichnungspflichtigen (Art. 961 OR) aufgestellt oder genehmigt wurde (Erw. 1b). | |
Aus den Erwägungen: | |
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a) Er macht geltend, die fragliche Bilanz sei keine endgültige, sondern nur eine Probebilanz gewesen. Sie sei deshalb nicht geeignet gewesen, Tatsachen von rechtlicher Bedeutung zu beweisen. Dass sie weder von der Kontrollstelle geprüft, noch von der Generalversammlung genehmigt worden sei, sei unbestritten. Auch sei sie von den zuständigen Organen nicht unterzeichnet worden.
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Ob die "Bilanz" nach der Meinung des Beschwerdeführers und der übrigen an der Fälschung Beteiligten provisorischen oder definitiven Charakter gehabt habe, ist eine Tatfrage, die bereits mit der staatsrechtlichen Beschwerde zur Entscheidung gestellt wurde und in diesem Verfahren nicht aufgeworfen werden kann. Es muss deshalb bei der als nicht willkürlich befundenen Feststellung des Kantonsgerichts sein Bewenden haben, dass die Bilanz nach Auffassung des Beschwerdeführers und der übrigen Beteiligten definitiven Charakter hatte.
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Damit, dass der Täter eine Bilanz als endgültig ansieht und ihr Beweisbestimmung gibt, ist indessen noch nicht gesagt, dass die Schrift auch zum Beweis objektiv geeignet sei. Nach neuester Rechtsprechung muss einer Schrift, auch wenn sie vom Aussteller zum Beweis hergestellt wurde, überdies nach Gesetz oder Verkehrsübung Beweiseignung zukommen (BGE 101 IV 279).
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b) Die Bilanz ist nach Art. 961 OR vom Firmainhaber und wenn es sich um eine Aktiengesellschaft handelt, von den mit der Geschäftsführung betrauten Personen zu unterzeichnen. Die Unterschrift ist jedoch nicht Gültigkeitserfordernis für die Bilanz; Art. 961 OR ist nur eine Ordnungsvorschrift (BEELER, Die Buchführung nach schweizerischem Obligationenrecht, S. 31; BLUMMER/GRAF, Kaufmännische Bilanz und Steuerbilanz, S. 80; HIS, Kommentar, N 21/22 zu Art. 961 OR). Das Fehlen der Unterschriften auf der Bilanz ist demnach für die Frage der Beweiseignung ohne Belang, sofern sich feststellen lässt, dass sie vom Unterzeichnungspflichtigen aufgestellt oder genehmigt wurde, was hier zutraf.
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Dagegen ist nach Art. 698 Abs. 2 Ziff. 3 OR bei der Aktiengesellschaft die von der Verwaltung aufgestellte und von der Kontrollstelle geprüfte Bilanz von der Generalversammlung "abzunehmen". Diese Abnahme der Bilanz ist nicht eine blosse Genehmigung. Vielmehr kann die Generalversammlung die Bilanz eingehend prüfen, Zwischenrevisionen anordnen und zur Prüfung besondere Kommissäre oder Sachverständige beiziehen (Art. 731 OR). Schliesslich wird die Bilanz von der Generalversammlung bindend festgestellt (BEELER, a.a.O. S. 93; V. STEIGER, Das Recht der Aktiengesellschaft, 4. Aufl. S. 201). BEELER bezeichnet deshalb die von der Verwaltung aufgestellte Bilanz als einen Entwurf. Angesichts dessen kann nicht gesagt werden, einer von der Kontrollstelle nicht geprüften und von der Generalversammlung nicht abgenommenen Bilanz komme von Gesetzes wegen Beweiseignung zu. Dass die Bilanz erst durch Beschluss der Generalversammlung zu dem wird, was das Gesetz in Art. 963 OR als zum Beweis geeignete Schrift versteht, ergibt sich auch aus Art. 704 OR, wonach auf Begehren eines Gesellschaftsgläubigers das Handelsregisteramt die Auflegung nicht irgendeiner Bilanz, sondern der "Bilanz in der von den Aktionären genehmigten Fassung" anzuordnen hat.
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c) Zu prüfen bleibt deshalb, ob einer Bilanz, wie sie hier in Frage steht, nach der Verkehrsübung Beweiseignung zukommt. Das lässt sich aufgrund des angefochtenen Urteils nicht zuverlässig beantworten. Die Vorinstanz stellt einzig fest, die Bilanz sei in den Besitz der Kantonalbank gelangt und habe dieser zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit der A. AG gedient. Damit ist indessen noch nicht erwiesen, dass Banken in schweizerischen Verhältnissen bei Prüfung von Kreditbegehren allgemein schon auf solche von der Kontrollstelle nicht geprüfte und von der Generalversammlung nicht abgenommene Bilanzen wie auf eine Beweisurkunde abzustellen pflegen. Der in der Vernehmlassung der Staatsanwaltschaft enthaltene Hinweis auf Kriminalistik 1975, S. 456/457 hilft diesbezüglich deswegen nicht weiter, weil es sich bei den dort erwähnten Bankbilanzen um vom Steuerberater testierte Bilanzen gehandelt hat, was hier nicht der Fall war, und der Artikel im übrigen deutsche Verhältnisse betrifft. Eine schweizerische Verkehrsübung im vorgenannten Sinn ist somit nicht dargetan. Zu einem andern Schluss führt auch die Tatsache nicht, dass die fragliche Bilanz der S. Treuhandgesellschaft AG, welche im Auftrag der T. AG die von der R. AG geführten Bücher überprüfte, übergeben und von ihr in ihrem Bericht an die T. AG verarbeitet worden war. Dass jene Bilanz dabei als Beweisurkunde Verwendung gefunden habe, ist nicht festgestellt; zudem wäre auch damit eine schweizerische Verkehrsübung nicht erwiesen.
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Die Sache ist daher an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie abkläre, ob es einer in schweizerischen Geschäftskreisen, namentlich bei Banken, herrschenden Übung entspricht, von der Verwaltung einer AG aufgestellte, von der Kontrollstelle indessen noch nicht geprüfte und von der Generalversammlung nicht abgenommene Bilanzen bei der Behandlung von Kreditbegehren massgeblich zugrunde zu legen. Sollte sich ergeben, dass dem so ist, dann wäre die Beweiseignung zu bejahen.
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