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33. Auszug aus dem Urteil der Anklagekammer vom 23. Juni 1977 i.S. X. gegen Generaldirektion PTT | |
Regeste |
1. Art. 28 VStrR. Zur Beschwerdeführung ist nur befugt, wer durch den angefochtenen Entscheid (noch) zumindest teilweise beschwert und demzufolge an dessen Änderung interessiert ist (Erw. 1). | |
Sachverhalt | |
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Im Mai dieses Jahres kündigte der "Piratensender 101" auf Flugblättern, die im Raume Zürich verteilt wurden, eine Piratensendung auf den 23. Mai 1976 an. Die Sendung wurde am angegebenen Datum von 19.30 bis 19.50 Uhr ausgestrahlt. Am Schluss der Sendung wurde bekanntgegeben, dass die nächste Ausstrahlung am 6. Juni 1977, um 19.30 Uhr, erfolgen werde.
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Am 6. Juni 1977 eröffnete die Sektion Funküberwachung der Generaldirektion PTT eine sich auf den "Piratensender 101" beziehende Untersuchung gemäss Art. 37 ff. VStrR gegen unbekannte Täterschaft wegen Widerhandlung im Sinne von Art. 42 des Bundesgesetzes betreffend den Telegraphen- und Telephonverkehr vom 14. Oktober 1922 (SR 784.10). Als der "Piratensender 101" am Abend desselben Tages seine Sendungen aufnahm, konnte er im Gebiet des Albishorns geortet werden. Die Sendeanlage mit Originaltonbandkassette wurde in der Nähe des Parkplatzes des Restaurants "Albishorn", in einem Rucksack im Unterholz versteckt, aufgefunden. Die Täterschaft war unbekannt. Die Polizei überwachte in der Folge das aufgefundene Versteck in der Annahme, es könnte jemand im Laufe der Nacht das verborgene Sendematerial abholen wollen. Im Zuge der Fahndung wurden alle Fahrzeuge in der Umgebung des ausgemachten Senderstandortes überprüft.
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In derselben Nacht lenkte X. in Begleitung seines Bekannten G. einen Personenwagen kurz nach 22.30 Uhr zum Parkplatz des Restaurants "Oberalbis". Bei der Wegfahrt wurde er von der Polizei angehalten und festgenommen. Die Polizeiorgane ![]() | 4 |
- 1 Plastikkoffer, enthaltend zwei Mikrofone, zwei Kabel mit Stecker und zwei Stative,
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- 1 Plastikkoffer, enthaltend ein Mikrofon und zwei Stative,
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- 1 Scanner FANON,
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- 10 Tonband-Kassetten,
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- 1 Kleintonband-Gerät mit Kassette,
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- 1 Wipic-Antenne mit Fuss,
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- 5 Stabantennen,
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- 2 Mini-Kassetten,
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- 1 Blatt A4 mit Kroki und Polizei- und PTT-Wagennummern.
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B.- Mit einer vom 10. Juni 1977 datierten, am selben Tage der Post übergebenen und an die Generaldirektion PTT gerichteten Eingabe erhob X. Beschwerde. Er beantragte die Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände sowie die Feststellung, dass die gegen ihn ausgeführten Amtshandlungen unangebracht waren und die Art. 45 ff. VStrR verletzt wurden.
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Die Generaldirektion PTT überwies die Beschwerde am 16. Juni 1977 in Anwendung von Art. 26 Abs. 3 VStrR der Anklagekammer des Bundesgerichts. Gleichzeitig beantragte sie die Beschwerde abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne.
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Die Anklagekammer zieht in Erwägung: | |
1. a) Nach Art. 28 VStrR ist zur Beschwerde berechtigt, wer durch die angefochtene Amtshandlung berührt ist und ein schutzwürdiges Interesse an deren Aufhebung oder Änderung hat. Die Beschwerde an die Anklagekammer des Bundesgerichts im Verwaltungsstrafverfahren setzt demnach ein aktuelles Rechtsschutzbedürfnis voraus. Zur Beschwerdeführung ist nur befugt, wer durch den angefochtenen Entscheid (noch) zumindest teilweise beschwert und demzufolge an dessen Änderung interessiert ist. Ein Rechtsschutzbedürfnis fehlt, ![]() | 16 |
b) Der Beschwerdeführer macht im vorliegenden Fall vor allem geltend, die Untersuchungsbeamten hätten
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- sich ihm gegenüber, trotz wiederholten Aufforderungen und entgegen der Vorschrift des Art. 49 VStrR, nicht ausgewiesen;
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- alle in seiner Handtasche und im Auto vorgefundenen Papiere durchsucht, ein bis zwei an ihn adressierte, noch verschlossene Briefe geöffnet und gelesen, sich dabei in spöttischer Weise über den Inhalt unterhalten und dadurch gegen Art. 50 VStrR verstossen;
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- ihn wie einen Verbrecher in ein Polizeiauto verbracht, einer Leibesvisitation unterzogen und dadurch den Grundsatz der Verhältnismässigkeit verletzt;
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- ihn während der Untersuchung in unzulässiger Weise unter Druck gesetzt.
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Durch alle diese Vorkommnisse ist der Beschwerdeführer heute nicht mehr beschwert. Auf seine Beschwerde ist deshalb insoweit nicht einzutreten. Sollte er der Ansicht sein, die fraglichen Beamten hätten die ihnen zustehenden Kompetenzen überschritten, stünde es ihm frei, gegen jene eine Aufsichtsbeschwerde zu erheben oder allenfalls eine Verantwortlichkeitsklage einzuleiten. Die Anklagekammer des Bundesgerichts kann im Verwaltungsstrafverfahren gegenüber Kompetenzüberschreitungen der behaupteten Art nicht als Disziplinarbehörde angerufen werden.
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b) Der beschlagnahmte Scanner, die Mini-Kassetten, das Kleintonband-Gerät und das beschlagnahmte Blatt A4 mit Kroki und Polizei- und PTT-Wagennummern waren geeignet, den Beweis dafür zu erbringen, dass der Beschwerdeführer in verbotener Weise den Polizeifunk abgehört und aufgezeichnet hatte. Die Beschlagnahme der genannten Gegenstände war demnach gerechtfertigt. Dass der Scanner und die beiden Mini-Kassetten als Beweismittel von Bedeutung sein können, wird übrigens vom Beschwerdeführer selber anerkannt.
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Die beschlagnahmten weiteren Kassetten konnten möglicherweise Aufzeichnungen für die Piratensendungen "Atlantis", "Atlantis I" oder "Atlantis II" enthalten. Diese Gegenstände konnten an Ort und Stelle nicht überprüft werden, so dass deren Beschlagnahme zur Beweissicherung ebenfalls gerechtfertigt war.
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Die beschlagnahmten Stabantennen sind je nach ihrer Beschaffenheit für den UKW- oder KW-Sende- und Empfangsbetrieb verwendbar. In der Untersuchung wird durch Messungen und Vergleichungen abzuklären sein, ob sie sowie die beschlagnahmten Mikrofone und das beschlagnahmte weitere Material allenfalls für den Betrieb des Piratensenders "Atlantis", "Atlantis I" oder "Atlantis II" verwendet wurden. Insoweit können diese Gegenstände als Beweismittel ebenfalls von Bedeutung sein, so dass ihre Beschlagnahme zu Recht erfolgte.
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Der Umstand, dass der Beschwerdeführer sich im Zeitpunkt der vom "Piratensender 101" ausgestrahlten Sendung in Zürich aufhielt, beweist entgegen der in der Beschwerde vertretenen Meinung noch nicht, dass der Beschwerdeführer mit dieser oder anderen Piratensendungen nichts zu tun gehabt habe. Einerseits konnte der "Piratensender 101" automatisch oder möglicherweise durch eine vom Beschwerdeführer angestellte Hilfsperson in Betrieb gesetzt worden sein und anderseits wird in der Untersuchung abgeklärt werden müssen, ob das beschlagnahmte Material allenfalls für die Sendungen von "Atlantis", "Atlantis I" oder "Atlantis II" verwendet wurde.
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c) Die Beschlagnahme der fraglichen Gegenstände hält ![]() | 28 |
Demnach erkennt die Anklagekammer:
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