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46. Urteil des Kassationshofes vom 10. Mai 1977 i.S. A. gegen B. | |
Regeste |
Art. 173 ff. StGB, Ehrverletzung. | |
Sachverhalt | |
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Am 18. Mai 1973 erschien in den Zeitungen "Luzerner Neueste Nachrichten", "Luzerner Tagblatt" und "Vaterland" ein Inserat, in dem B. hinsichtlich dreier verschiedener Vorkommnisse in Frageform kritisiert wurde. Der heute noch zu beurteilende Teil des Inserates lautet:
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"B. - Ritter ohne Fehl und Tadel? Herr B. gefällt sich in der Rolle des mutigen Streiters gegen Unsauberkeit und Spekulation. Wer, wie er, ständig angreift, muss sich gefallen lassen, dass auch seine Handlungsweisen kritisch betrachtet werden. Urteilen Sie selbst!
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Fall 2: Herr B. bot der Baudirektion der Stadt Luzern Aushubmaterial zum Kubikmeterpreis von Fr. 14.35 an. Der übliche Marktwert betrug in jener Zeit 2-5 Franken! Die Baudirektion verzichtete auf dieses Geschäft.
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Frage: Wer wollte hier auf dem Buckel der Öffentlichkeit ein Geschäft machen?
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Fall 3: ...
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Diese drei Fälle sind jederzeit hieb- und stichfest beweisbar. Geben Sie Ihre Antwort am Wahltag vom 19./20. Mai 1973!
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Keine Stimme für B.!
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Komitee für Offenheit auf beiden Seiten."
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A., der damals Präsident des Wahlausschusses der Liberalen Partei der Stadt Luzern war, übernahm die Verantwortung für das Inserat.
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Auf Privatstrafklage des B. fand das Amtsgericht Luzern Stadt A. am 15. April 1976 im Fall 2 der üblen Nachrede gemäss Art. 173 StGB schuldig und auferlegte ihm eine Busse von Fr. 100.--. Das Obergericht bestätigte das Urteil der ersten Instanz am 18. Oktober 1976.
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Mit Nichtigkeitsbeschwerde verlangt A. Aufhebung des obergerichtlichen Urteils, eventuell Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur Neubeurteilung. B. beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Nach ständiger Rechtsprechung schützt Art. 173 StGB nur den Ruf, ein ehrbarer Mensch zu sein, d.h. sich so zu benehmen, wie nach allgemeinen Anschauungen ein charakterlich anständiger Mensch sich zu verhalten pflegt. Äusserungen, die sich lediglich eignen, jemanden in anderer Hinsicht, z.B. als Geschäfts- oder Berufsmann, als Politiker oder Künstler in der gesellschaftlichen Geltung herabzusetzen, gelten nicht als ehrverletzend. Voraussetzung ist aber immer, dass die Kritik an den strafrechtlich nicht geschützten Seiten des Ansehens nicht zugleich seine Geltung als ehrbarer Mensch treffe (BGE 80 IV 164 E 2; BGE 92 IV 96, 101; BGE 98 IV 92).
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Der Vorwurf, man habe dem Gemeinwesen Waren oder Leistungen zu einem stark übersetzten Preise angeboten, ist an sich nicht ehrverletzend, sowenig wie dies zutrifft, wenn ein solches Angebot einem Privaten oder einer Gesellschaft gegenüber gemacht wird. Soweit der Markt frei ist, kann jeder den Preis seines Angebotes frei bestimmen. Ist sein Angebot zu hoch, ist es nicht konkurrenzfähig und wird daher in der Regel abgelehnt werden. Nur besondere Umstände wie Ausbeutung einer Notlage oder der Unerfahrenheit, Täuschung des andern, Bestechung, Missbrauch amtlicher Stellung usw. könnten ein solches Angebot als unehrenhaft erscheinen lassen. Der Umstand, dass das Angebot an das Gemeinwesen gerichtet wurde, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Die Baudirektion, welcher die Offerte gestellt wurde, war sachverständig und selbständig genug, das Angebot zu beurteilen und es, wenn es nach den Umständen unangemessen war, abzulehnen.
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Ob die eingeklagte Äusserung der Wahrheit entsprach, braucht daher nicht geprüft zu werden.
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Unwahre Äusserungen, die dem politischen Ansehen eines andern abträglich sind, sind zu verwerfen. Dies besonders dann, wenn sie kurz vor Abschluss eines Wahlkampfes öffentlich erfolgen und so das Wahlergebnis beeinflussen können. Entsprechendes gilt auch für unwahre Angaben über Gesetzes- und andere Abstimmungsvorlagen. Solche Äusserungen können der fehlerfreien demokratischen Willensbildung schaden und verstossen gegen die politische Fairness. Aber weder Art. 173 ff. StGB noch die Tatbestände des 14. Titels des Strafgesetzbuches betreffend Vergehen gegen den Volkswillen erfassen solche Handlungen.
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Fehlt es nach dem Gesagten schon an einer strafbaren Ehrverletzung, stellt sich die Frage, ob die Entlastungsbeweise zuzulassen seien und ob sie erbracht wurden, überhaupt nicht.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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