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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
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16. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 12. Mai 1978 i.S. B. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden | |
Regeste |
Art. 18 Abs. 3, 125 Abs. 2 StGB. | |
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Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer weder vor dem Hinflug nach Zürich noch vor dem Rückflug nach Samedan in die Flugwetterprognosen für die Schweiz vom 20. Februar ![]() | 2 |
Die Berufung des Beschwerdeführers auf seine eigenen Wetterbeobachtungen und die erhaltenen Auskünfte vermag ihn nicht zu entlasten. Beim Abflug in Zürich verfügte er weder über besondere eigene noch fremde Kenntnisse über die Wetterverhältnisse auf der Julierroute. Die ihm bekannten Beobachtungen anderer Piloten betrafen ausnahmslos das Gebiet des Unterengadins, wo er auf dem Hinflug selber festgestellt hatte, dass die Verhältnisse einen Sichtflug über den Albulapass ![]() | 3 |
Ausserdem lagen seine Wahrnehmungen rund 1 1/2 Stunden zurück. Auf sie war daher angesichts der Tatsache, dass sich das Wetter bei Südstaulagen kurzfristig verschlechtern konnte, kein Verlass. Aus den gleichen Gründen konnten auch aus den Auskünften des Flugplatzes Samedan und des Wetterberatungsdienstes Zürich, die Wetterlage habe sich im Raum Samedan-St. Moritz nicht verändert bzw. sie werde voraussichtlich gleich bleiben, keine verbindlichen Schlüsse auf die Verhältnisse im Gebiet des Julierpasses gezogen werden. Unter diesen Umständen wäre es unerlässlich gewesen, sich über das Wetter und die Sicht im gesamten Bereich der zu befliegenden Strecke Klarheit zu verschaffen. Der Beschwerdeführer ist dieser Pflicht zur Erkundung aber nicht nachgekommen und hatte deshalb beim Rückflug keine Gewissheit, ob die gegenwärtigen Wetterverhältnisse auf der Julierstrecke einen Flug nach Sichtflugregeln gestatteten. Der Vorwurf der Vorinstanz, er habe den Rückflug ohne genügende Unterlagen und ohne sorgfältige Abklärung der Wetterlage angetreten, ist somit begründet.
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Die Vorinstanz ist entgegen der Meinung des Beschwerdeführers nicht davon ausgegangen, er hätte wegen der Möglichkeit einer kurzfristigen Wetterverschlechterung den Rückflug nicht antreten dürfen. Eine Pflicht zur Absage des Fluges nahm sie nur für den Fall an, dass er um die Sperrung des Julier gewusst hätte, was sie jedoch verneinte. Lediglich im Rahmen des Vorwurfes, der Beschwerdeführer habe den Flug nach ungenügender Vorbereitung ausgeführt, hielt sie ihm vor, er hätte als mit den Wetterbedingungen im Gebirge vertrauter Pilot bedenken müssen, dass sich bei Südstaulagen die Wetterverhältnisse rasch verschlechtern können. Dieser Vorhalt ist nicht zu beanstanden, hat der Beschwerdeführer doch einen Sichtflug über den Julier einzig aufgrund seiner unvollständigen und unzuverlässigen Wahrnehmungen auf dem Hinflug für möglich gehalten. Seine Behauptung, selbst rasch eintretende Wetterverschlechterungen liessen bei Südstaulagen regelmässig noch eine Durchflugmöglichkeit in der Talmitte offen, ist demgegenüber ![]() | 5 |
Zutreffend hat die Vorinstanz auch angenommen, der ortskundige Beschwerdeführer hätte den Flug im Raum Rona-Marmorera, wo er die Maschine noch ohne Gefahr hätte wenden können, abbrechen müssen. Von dort aus musste eine geschlossene Wolkendecke unterflogen werden, deren Untergrenze bei 2700 bis 3000 Meter über Meer lag und aus der einzelne Hangwolken bis auf 2000 m hinunterreichten. Damit war erkennbar, dass der Anflug zum 2284 m hohen Julierpass eine zunehmende Verminderung der Flughöhe über Grund zur Folge hatte und zu einer stets grösseren Einengung des möglichen Flugbereiches führen musste, was beim abgewinkelten Talverlauf zusätzliche Schwierigkeiten und eine erhöhte Gefahrenlage voraussehen liess. Wird ferner berücksichtigt, dass der Beschwerdeführer über die Wetterlage im Gebiet des Julier und südlich davon keine verlässlichen Kenntnisse besass und unter den gegebenen Wetterverhältnissen mit der Möglichkeit eines Absinkens der Mindestsichtwerte unter das zulässige Mass rechnen musste, so war eine gefahrlose Fortsetzung und Beendigung des Fluges nicht mehr gewährleistet. Der Entschluss, den Flug trotz den zu erwartenden und nicht abschätzbaren Gefahren fortzuführen, widersprach daher der objektiv und subjektiv gebotenen Vorsicht und war pflichtwidrig. Dass die Gefahr eines Absturzes sich nicht schon während des Fluges über die Passhöhe, sondern erst über dem Silvaplanersee verwirklicht hat, ändert am pflichtwidrigen Verhalten nichts.
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