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17. Urteil des Kassationshofes vom 24. Mai 1978 i.S. H. gegen Staatsanwaltschaft Graubünden | |
Regeste |
Art. 33, 133 StGB; Raufhandel, Notwehr. |
- wer, zwar angetrunken und sich ungebührlich benehmend, gegen ein unberechtigtes gewaltsames Abführen sich tätlich wehrt (Erw. 2a); |
- nicht, wer den abziehenden Angreifern Kies nachwirft und von diesen erneut geschlagen wird (Erw. 2b). | |
Sachverhalt | |
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Nachdem der Polizist und die Brüder Z. sich etwas entfernt hatten, eilte H. die Treppe hinunter, raffte auf dem Vorplatz Kies zusammen und warf ihn den dreien nach. Die Brüder Z. kehrten daraufhin um und schlugen erneut auf H. ein, bis er zu Boden stürzte und dort liegen blieb.
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Noch in der gleichen Nacht musste H. ins Spital eingeliefert werden. Er hatte eine Unterschenkelfraktur, eine Innenknöchelfraktur des rechten Unterschenkels, eine Verrenkung des Kleinfinger-Endglieds rechts, Quetschungen im Gesicht, an der rechten Hüfte und am Unterschenkel erlitten.
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B.- Der Kreisgerichtsausschuss Ramosch verurteilte H. wegen fortgesetzten Raufhandels zu einem Monat Gefängnis und Fr. 500.- Busse, unter Gewährung des bedingten Strafvollzugs.
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Eine hiegegen von H. eingereichte Berufung wurde vom Kantonsgerichtsausschuss von Graubünden am 1. November 1977 abgewiesen.
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C.- H. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichtsausschusses sei, soweit es ihn betrifft, aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Es sei ihm zudem gemäss Art. 278 Abs. 3 BStP eine angemessene Entschädigung zuzusprechen.
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Die Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Die Vorinstanz stellt fest, H. habe vor ihr nicht bestritten, an einem Raufhandel im Sinne von Art. 133 StGB beteiligt gewesen zu sein. Bildete aber diese Frage nicht mehr Gegenstand des kantonsgerichtlichen Verfahrens, so hat der Beschwerdeführer insoweit den kantonalen Instanzenzug nicht erschöpft, weshalb er darauf in diesem Verfahren nicht mehr ![]() | 9 |
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a) Was die erste Phase anbelangt, wendet der Beschwerdeführer mit Fug ein, das Urteil verletze Bundesrecht. In ihren das Verhalten der Brüder Z. betreffenden Erwägungen hält die Vorinstanz ausdrücklich fest, die beiden hätten, ohne dazu berechtigt zu sein, den zwar angetrunkenen und sich ungebührlich benehmenden H. festgehalten und wie einen Verhafteten gewaltsam abgeführt, obwohl er weder sie noch Dritte irgendwie angegriffen oder bedroht habe. Als der Angetrunkene dies nicht mehr ohne weiteres hingenommen, sich loszureissen versucht und begonnen habe, wild um sich zu schlagen, hätten sie von ihm ablassen und ihn seines Weges ziehen lassen sollen. Geht man aber davon aus, dann ist H. von den Brüdern Z. ohne Recht angegriffen worden. Der Angriff lag in dem gewaltsamen Abführen und richtete sich gegen das Recht auf Bewegungsfreiheit, das als Bestandteil des verfassungsmässigen Rechts auf persönliche Freiheit (BGE 100 Ia 193) wie jedes andere persönliche Rechtsgut notwehrfähig ist (SCHULTZ, Einführung in den allgemeinen Teil des Strafrechts, I S. 171; SCHWANDER, Das schweiz. StGB, N. 170 S. 83). Dass die Brüder Z. zu einem solchen Verhalten nicht berechtigt waren, stellt die Vorinstanz selber ausdrücklich fest und wird vom Beschwerdeführer zusätzlich betont. Dabei muss es sein Bewenden haben (ganz abgesehen davon, dass sich diese Frage nach kantonalem Polizei- oder Strafverfahrensrecht entscheiden würde und damit ausserhalb die Kognition des Kassationshofes fiele, Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP).
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Daran ändert auch nichts, dass der Kassationshof in Auslegung von Art. 133 StGB entschieden hat, Abwehr im Sinne dieser Bestimmung sei nur gegeben, wenn der Angegriffene sich passiv verhalte, sich bloss zu schützen suche, ohne selber tätlich zu werden (BGE 94 IV 106). Der Beschwerdeführer hat sich nicht gegen Tätlichkeiten gewehrt, wie die Annahme von Raufhandel sie voraussetzt, sondern gegen einen unberechtigten Eingriff in seine persönliche Freiheit. Seine aktive, in Tätlichkeiten bestehende Abwehr, war, soweit sie die Grenzen der Notwehr nicht überschritt, gemäss Art. 33 StGB rechtmässig, auch wenn mit ihr die Schlägerei begann.
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Die Vorinstanz hätte daher dem Beschwerdeführer bezüglich der ersten Phase des Geschehens grundsätzlich Notwehr zugute halten müssen. Da dies nicht geschehen ist, ist ihr Urteil insoweit aufzuheben und die Sache zurückzuweisen, damit der Kantonsgerichtsausschuss gemäss Art. 33 StGB verfahre. Dabei wird er allerdings noch prüfen müssen, ob die Abwehr nach den gesamten Umständen angemessen gewesen sei oder ob H. die Grenzen der Notwehr überschritten habe. Sollte letzteres zutreffen, wäre der Beschwerdeführer unter Gewährung einer Strafmilderung (Art. 66 StGB) wegen Raufhandels zu bestrafen, es sei denn, er habe bei dem Notwehrexzess in ![]() | 14 |
b) Bezüglich der zweiten Phase, der Schlägerei vor der Pension Bergsonne, ist davon auszugehen, dass nach dem angefochtenen Urteil die Brüder Z. den Beschwerdeführer vor der Haustüre abgesetzt und sich von ihm bereits etwas entfernt hatten, er aber die Treppe wieder herabstürzte und ihnen aus Empörung Kies nachwarf. Die Vorinstanz erblickt in diesem Verhalten einen tätlichen Angriff des H., der zu einem erneuten Handgemenge führte und der Annahme von Notwehr auf seiner Seite entgegenstehe. Dem ist im Ergebnis beizupflichten.
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Raufhandel ist eine tätliche, wechselseitige Auseinandersetzung zwischen mindestens drei Personen. Dabei müssen die Tätlichkeiten nicht notwendig in Schlägen bestehen. Sie können auch durch Bewerfen mit harten Gegenständen verübt werden. Das will aber nicht heissen, dass jedes im Verlaufe einer wechselseitigen Auseinandersetzung benutzte Wurfgeschoss den Gegner treffen müsse. Soweit es im Rahmen des Ganzen als Kampfhandlung erscheint, die in ihrer Wirkung geeignet ist, den Gegner zumindest der Gefahr einer Tätlichkeit auszusetzen, ist das Bewerfen mit solchen Gegenständen als Teil des Raufhandels zu erachten. Hat aber der Beschwerdeführer in dieser Phase mit dem Werfen von Kies in Richtung der Brüder Z. als erster eine neue Kampfhandlung begangen, so kann er sich nicht auf Notwehr berufen, da er in diesem Zeitpunkt keinem Angriff seiner Gegner ausgesetzt war noch unmittelbar ein solcher drohte. Insoweit muss es deshalb bei seiner Verurteilung wegen Raufhandels bleiben.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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