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28. Urteil des Kassationshofes vom 26. Mai 1978 i.S. N. gegen Gemeinde V. | |
Regeste |
Art. 1 und 5 SVG; Art. 1 Abs. 1 und 2 VRV. |
2. Keine Anwendung einer kommunalen Polizeiverordnung neben dem SVG, soweit die verkehrsmässige Benützung einer öffentlichen Verkehrsfläche in Frage steht (E. 4). | |
Sachverhalt | |
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B.- Am 8. September 1976 büsste die Gemeinde V. Frau N. deswegen in Anwendung von Art. 90 Ziff. 1 SVG in Verbindung mit Ziff. 112 der Verordnung über Ordnungsbussen im Strassenverkehr (OBV; SR 741.031), sowie Art. 48 der Polizeiverordnung der Gemeinde V. mit Fr. 20.-.
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Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirks H. sprach Frau N. dagegen am 1. Juni 1977 frei.
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Auf kantonale Nichtigkeitsbeschwerde der Gemeinde V. hob die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich am 16. Februar 1978 den Entscheid des Einzelrichters auf und büsste die Verzeigte wegen Übertretung von Art. 23 der Polizeiverordnung der genannten Gemeinde mit Fr. 20.-.
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C.- Frau N. führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Obergerichts sei aufzuheben und die Sache sei zur Freisprechung der Beschwerdeführerin an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Die Gemeinde V. beantragt Abweisung der Beschwerde, soweit auf sie einzutreten sei.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Die Vorinstanz qualifizierte den von Frau N. zum Parken benützten Platz nicht als öffentlichen im Sinne der VRV. Sie führt aus, der Platz könne allenfalls während der Betriebszeit der Fabrik A. als öffentlicher angesehen werden, da dann mit einer Vielzahl befugter Benützer des Areals zu rechnen sei. Am Sonntag dagegen diene er ausschliesslich privatem Gebrauch, deshalb finde das SVG auf das Frau N. zur Last gelegte Verhalten keine Anwendung. Anzuwenden sei dagegen Art. 23 der kommunalen Polizeiverordnung, der das unberechtigte Gehen, Fahren oder Reiten über fremdes Grundeigentum verbiete. Diese Bestimmung schütze das Eigentum gegen fremde Angriffe, und gemäss Art. 335 Ziff. 1 StGB seien die Kantone befugt, gegen Angriffe auf das Vermögen zusätzlich ![]() | 7 |
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Die Beschwerdeführerin macht geltend, der fragliche Vorplatz der Firma A. sei entgegen der Auffassung der Vorinstanz eine öffentliche Strasse im Sinne der eidgenössischen Strassenverkehrsordnung, weshalb diese und nicht kantonales Übertretungsstrafrecht hätte angewendet werden sollen. Eventuell sei die Anwendung von Art. 23 der kommunalen Polizeiverordnung deswegen bundesrechtswidrig, weil diese Vorschrift denselben Tatbestand wie Art. 186 StGB ordne und danach das Betreten oder Befahren eines nicht mit einer privatrechtlichen Verbotstafel versehenen oder abgeschrankten Vorplatzes nicht unter Strafe habe gestellt werden wollen. Dass es sich aber um einen Werkplatz gehandelt habe, sei von der Vorinstanz selber nicht angenommen worden.
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Die Vorinstanz nimmt an, dass der Vorplatz während der Betriebszeit der Firma A. einem unbestimmbaren Personenkreis zur Benützung offen steht. Insoweit ist die genannte Fläche zweifelsfrei eine öffentliche Strasse und fällt der Verkehr auf ihr gemäss Art. 1 SVG unter die Bestimmungen dieses Gesetzes. Dasselbe gilt entgegen der Meinung des Obergerichtes weiter auch für die Nichtbetriebszeiten der genannten Firma, insbesondere für den Sonntag. Zwar ist es durchaus denkbar und rechtlich auch möglich, die Benützung eines beispielsweise während den Arbeitszeiten dem öffentlichen Verkehr offenstehenden Areals am Sonntag oder an Feiertagen oder auch nachts auf einen ausschliesslich privaten Gebrauch einzuschränken. Dieser Wille des Verfügungsberechtigten muss aber für Dritte durch ein signalisiertes Verbot oder durch eine Abschrankung kenntlich gemacht sein (s. BGE 101 IV 176). Gebricht es daran, dann bleibt die besagte Verkehrsfläche weiterhin eine öffentliche im Sinne von Art. 1 Abs. 2 VRV.
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Im vorliegenden Fall war das während den Arbeitszeiten der Firma A. einem unbestimmbaren Personenkreis geöffnete Areal am Sonntag, an welchem die Beschwerdeführerin den Platz befuhr und auf ihm parkierte, weder in für sie erkennbarer Weise abgeschrankt noch mit einer Verbotstafel versehen. Der fragliche Vorplatz war daher auch an diesem Tag eine öffentliche Strasse mit der Folge, dass sich das Verhalten der Beschwerdeführerin als Motorfahrzeugführerin gemäss Art. 1 SVG nach den Vorschriften dieses Gesetzes beurteilt. Die eidgenössische Verkehrsordnung schreibt nämlich vor, ![]() | 13 |
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Was Art. 23 der Polizeiverordnung der Gemeinde V. anbelangt, so stellt die Vorinstanz verbindlich fest, dass diese Bestimmung das Grundeigentum gegen unbefugtes Betreten und Befahren durch Dritte schützen will. Das geschützte Rechtsgut ist somit ein anderes als dasjenige der eidgenössischen Strassenverkehrsordnung. Das allein berechtigt jedoch nicht zur Annahme, es bleibe neben dem SVG noch Raum für eine solche kantonale bzw. kommunale Regelung. Aus der Tatsache, dass privates Grundeigentum öffentlicher Verkehrsraum sein kann, ergibt sich, dass in dem Umfang und für so lange, als der Grundeigentümer gegen die verkehrsmässige Benützung seines Grund und Bodens durch einen unbestimmbaren Personenkreis nichts Erkennbares vorkehrt, sich vielmehr ausdrücklich oder stillschweigend mit einem solchen Gebrauch einverstanden erklärt, er auf die aus seinem Eigentum folgende Befugnis verzichtet, allein über eine Benützung der genannten Art zu ![]() | 15 |
Ist er aber schon aus dem genannten Grunde aufzuheben, kann dahingestellt bleiben, ob die Anwendung von Art. 23 der genannten Polizeiverordnung nicht auch durch Art. 186 StGB ausgeschlossen werde.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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