BGE 104 IV 211 | |||
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49. Urteil des Kassationshofes vom 19. Juni 1978 i.S. Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt gegen T. | |
Regeste |
Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG. | |
Sachverhalt | |
A.- Am 31. Oktober 1977 übernahm T. in Brüssel angeblich von einem Unbekannten 84 gr Heroin mit dem Auftrag den Stoff mit der Bahn nach Italien zu schmuggeln. Für diesen Transport hätte T. nach Rückgabe des Heroins an den Unbekannten 150'000.- bis 200'000.- Lire (ca. Fr. 600 bis 800.-) erhalten sollen.
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B.- Das Strafgericht Basel-Stadt verurteilte T. am 26. Januar 1978 wegen qualifizierter Widerhandlung gegen das Betäubungsmittelgesetz (Art. 19 Ziff. 2 lit. a) zu 3 3/4 Jahren Zuchthaus, abzüglich die erstandene Sicherheitshaft, und zu 15 Jahren Landesverweisung.
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Das Appellationsgericht des Kantons Basel-Stadt änderte den erstinstanzlichen Entscheid am 19. April 1978 dahin ab, dass es T. bloss der einfachen Widerhandlung gegen das BetmG schuldig erklärte und zu zwei Jahren Gefängnis, abzüglich die erstandene Sicherheitshaft, verurteilte. Im übrigen bestätigte es das Urteil des Strafgerichts.
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C.- Die Staatsanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Appellationsgerichtes sei aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung gemäss Art. 19 Ziff. 2 BetmG an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Hiegegen richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft. Sie macht geltend, es könne die für die rechtliche Qualifikation und das Strafmass wichtige Frage, welche konkrete Menge eines Betäubungsmittels bereits eine Gefahr für viele Menschen darstelle, nicht einfach der subjektiven Beurteilung des jeweiligen Täters überlassen werden, sondern müsse für die Praxis einheitlich entschieden werden; auch ein Täter, der sich in Drogen auskenne, könne den Handel mit einer objektiv geringen Menge eines Betäubungsmittels persönlich als für viele Menschen gefährlich empfinden, werde deswegen aber nicht der qualifizierten Widerhandlung schuldig gesprochen. Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG verlange denn auch, dass sich die Tat auf eine objektiv bedeutende Menge von Drogen beziehe und dass sich der Täter subjektiv der damit zusammenhängenden möglichen Gefahr für eine Mehrzahl von Menschen grundsätzlich bewusst sei. Im vorliegenden Fall habe der Beschwerdegegner, der sich selber als Transporteur einer "heissen" Ware verstanden habe, 84 gr Heroin, also eine objektiv bedeutende Menge an Betäubungsmitteln zum Schmuggel übernommen; er habe dabei in Kauf genommen, dass es sich um Drogen handeln könnte, deren allgemeine Gefährlichkeit ihm von den Massenmedien her bekannt gewesen sei. Aufgrund der ansehnlichen Belohnung, die ihm in Aussicht gestellt worden sei, habe er zugegebenermassen auch angenommen, eine "teure" Ware zu transportieren. Würde allgemein die Annahme eines schweren Falles davon abhängig gemacht, ob dem Täter konkrete Erfahrungen mit Betäubungsmitteln nachzuweisen seien, so hätte das zur Folge, dass bei gleicher Menge eines Betäubungsmittels ein drogenabhängiger Importeur als Kenner der Materie unverhältnismässig viel schwerer bestraft werden müsste als der reine Dealer, der aus finanziellem Gewinnstreben handle und Drogenkenntnisse bestreite.
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Objektiv setzt diese Bestimmung voraus, dass die Widerhandlung mit einer Menge eines bestimmten Betäubungsmittels begangen wird, die geeignet ist, eine gesundheitliche Gefahr für viele herbeizuführen. Da je nach Art der Droge die Intensität ihrer Wirkung verschieden ist, genügt objektiv im einen Fall eine geringere Menge als in einem andern.
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In subjektiver Beziehung verlangt das Gesetz, dass der Täter um diese objektiven Umstände weiss oder darauf schliessen muss. Dabei ist mit dem Ausdruck des Annehmenmüssens nicht bloss Fahrlässigkeit gemeint; hiegegen spricht schon der hohe Strafrahmen. Diese Formel stellt nur eine gegen naheliegende Ausreden gerichtete Beweisregel für den Richter dar: Er soll auch dann den Vorsatz des Täters annehmen dürfen, wenn er Umstände feststellt, die diesem die Überzeugung von der Gemeingefährlichkeit seines Tuns aufdrängen mussten (s. HAFTER, Besonderer Teil, S. 510; STRATENWERTH, I, S. 267, II, S. 420).
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Im Einzelfall hat deshalb der Richter zu prüfen, ob der Täter tatsächlich gewusst hat oder nach den Umständen wissen musste, dass die in Frage stehende Drogenmenge nach der Art des Betäubungsmittels geeignet ist, eine gesundheitliche Gefahr für eine Vielheit von Menschen zu schaffen. Das ist allerdings nur möglich, wenn dem Täter zumindest bekannt ist, ob die Droge eine harte oder eine weiche ist, denn nur dann kann er sich Rechenschaft geben, ob eine verhältnismässig geringe Menge genügt oder eine grössere Menge nötig ist, um eine Gemeingefahr zu begründen.
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4. Im vorliegenden Fall liegt nichts vor, was für die Annahme spräche, das Appellationsgericht sei von unzutreffenden rechtlichen Begriffen ausgegangen. Wenn es als erwiesen annahm, der Beschwerdegegner habe noch nie mit Drogen zu tun gehabt, weshalb er die Beschaffenheit der verschiedenen Drogen nicht gekannt und infolgedessen auch nicht habe abschätzen können, ob das mitgeführte Päcklein eine Menge von Betäubungsmitteln enthalte, welche die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen könne, so stellte es damit sinngemäss zugleich fest, T. habe um die Gefährlichkeit nicht gewusst und auch die Möglichkeit einer Gefährdung nicht erkannt. Was der Täter aber wusste und aufgrund seiner persönlichen Verhältnisse erkannte, ist Tatfrage (BGE 100 IV 221 E. 2, 237 E. 4, BGE 101 IV 50 E. 3, BGE 102 IV 105 E. 1). Die tatsächliche Feststellung der Vorinstanz, der Beschwerdegegner sei sich nicht bewusst gewesen, dass die Droge möglicherweise die Gesundheit vieler Menschen in Gefahr bringen könnte, bindet daher den Kassationshof und kann mit der Nichtigkeitsbeschwerde nicht angefochten werden (Art. 277bis Abs. 1, 273 Abs. 1 lit. b BStP). Wird der verbindlich festgestellte Sachverhalt zugrunde gelegt, so kann von einer Verletzung von Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG keine Rede sein.
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Zu Unrecht wendet die Staatsanwaltschaft ein, dass auch ein Täter, der sich in Drogen auskenne und eine objektiv geringe Menge persönlich als eine Gefährdung vieler Menschen empfinde, nicht nach seiner subjektiven Schätzung beurteilt und wegen qualifizierter Widerhandlung bestraft werde. Der Einwand übersieht, dass in einem solchen Fall die Bestrafung nach Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG bereits aus objektiven Gründen, nämlich wegen Fehlens der ausreichenden Menge einer gefährlichen Droge entfällt. Überdies ist die Berücksichtigung des weitergehenden Vorsatzes nach Art. 23 Abs. 1 StGB zu erwägen. Sodann trifft es nicht zu, dass dem Täter in jedem Fall konkrete Erfahrungen mit Betäubungsmitteln nachgewiesen werden müssen, um Art. 19 Ziff. 2 lit. a BetmG anwenden zu können. Auch der Ersttäter, der noch keine Erfahrungen mit Drogen gemacht hat, kann sich einer qualifizierten Widerhandlung schuldig machen, wenn er sonstwie über die Art und Wirkung von Drogen unterrichtet ist. Dies dürfte in schweizerischen Verhältnissen im Hinblick auf die laufende Aufklärung der Bevölkerung über Drogenmissbrauch in der Regel zutreffen, kann aber nicht ohne weiteres auch für Ausländer gelten, die wie der Beschwerdegegner sich ständig im Ausland aufgehalten haben. Was schliesslich die Befürchtung der Beschwerdeführerin anbelangt, drogenabhängige Importeure könnten als Kenner der Betäubungsmittel unverhältnismässig viel schwerer bestraft werden als nicht drogensüchtige Händler, wenn sie Drogenkenntnisse bestreiten, so ist dem entgegenzuhalten, dass eigentliche Händler, mögen sie drogenabhängig sein oder nicht, über die Art und Preise der gehandelten Drogen regelmässig im Bilde sind und angesichts der ihnen bekannten Drogensucht, aus der sie bewusst Nutzen ziehen, auch hinreichende Kenntnisse über die Gefährlichkeit ihrer Waren besitzen, um abschätzen zu können, ob eine verkaufte Menge für nur wenige oder für viele Menschen zur Gefahr werden kann.
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