BGE 105 IV 1 | |||
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1. Urteil des Kassationshofes vom 19. März 1979 i.S. F. und S. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
1. Art. 2 Abs. 2 StGB. Ein Zeitgesetz ist auf die unter seiner Herrschaft begangenen Verfehlungen auch dann anzuwenden, wenn es ausser Kraft getreten ist. Späteres milderes Recht wirkt nicht auf die Beurteilung der während der Geltungsdauer des Zeitgesetzes begangenen Handlungen zurück (E. 1). | |
Sachverhalt | |
A.- Die Firma X. mit Sitz in der Schweiz vertreibt durch eine Anzahl Filialen verbilligte elektrische Haushaltapparate wie Waschmaschinen, Geschirrwaschautomaten, Kochherde, Kühlschränke und Kleinapparate (Toaster, Dampfbügeleisen, Kaffeemaschinen, usw.) der Marken Bauknecht, Braun, Miele, Turmix, usw. Von November 1976 bis Frühjahr 1977 stellte sie in verschiedenen aargauischen Zeitungsinseraten für einzelne Gegenstände sogenannte Stattpreise, Rabatte oder ziffernmässig umschriebene Preisabschläge im Vergleich zu Katalogpreisen in Aussicht.
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B.- Das Bezirksamt Baden büsste am 20. Mai 1977 F. und S. als verantwortliche Organe der genannten Firma mit Fr. 600.-- bzw. Fr. 300.-- gemäss Art. 8 des Bundesbeschlusses über die Preisüberwachung vom 19. Dezember 1975 (BB; SR 942.20) in Verbindung mit Art. 7, 11 und 17 der bundesrätlichen Verordnung über die Bekanntgabe von Detailpreisen vom 31. März 1976 (VADP; SR 942.211.3).
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Das Bezirksgericht Baden sprach die Gebüssten am 22. Dezember 1977 von Schuld und Strafe frei.
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Am 16. November 1978 verurteilte das Obergericht des Kantons Aargau F. und S. in Anwendung von Art. 2 Abs. 1 VADP und verfällte sie gemäss Art. 8 des erwähnten Bundesbeschlusses in bedingt vorzeitig löschbare Bussen von Fr. 600.-- bzw. Fr. 400.--.
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C.- F. und S. führen eidg. Nichtigkeitsbeschwerde. Sie beantragen Freisprechung von Schuld und Strafe.
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Die Staatsanwaltschaft des Kantons Aargau beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Dieser Umstand ist jedoch für die Beurteilung der während der Geltung dieser Erlasse begangenen Verfehlungen ohne Belang; denn der Bundesbeschluss und die bundesrätliche Verordnung waren sogenannte Zeitgesetze, d.h. Erlasse mit von vornherein zeitlich beschränkter Geltungsdauer. Ein Zeitgesetz ist auf die unter seiner Herrschaft begangenen Verfehlungen auch dann anzuwenden, wenn es ausser Kraft getreten ist. Späteres milderes Recht wirkt nicht auf die Beurteilung der während der Geltungsdauer des Zeitgesetzes begangenen Handlungen zurück (BGE 102 IV 202 E. b).
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Insoweit die Inserate sogenannte Statt-Preise, d.h. neben dem Detailpreis auch andere, höhere Preise enthielten, wurden die Beschwerdeführer von der Vorinstanz nicht zur Rechenschaft gezogen mit der Begründung, die betreffenden Preisangaben bezögen sich auf je ein zu verkaufendes Gerät, was keine Verletzung von Art. 6 VADP darstelle.
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Die Beschwerdeführer bestreiten einen Verstoss gegen den Bundesbeschluss und die Verordnungsbestimmungen. Sie machen geltend, Ausdrücke wie "Tiefstpreise, Discount, etc." seien ebensowenig Preisangaben wie "10-30% Rabatt" oder "Fr. 500.-- billiger". Sinn und Zweck der Bestimmungen sei, dass der Kunde über den tatsächlichen Preis einer bestimmten Ware nicht irregeführt werden dürfe; insbesondere sei die Angabe irreführender Preise untersagt. Die von den Beschwerdeführern veröffentlichten Inserate mit dem Hinweis auf die Verbilligung einer Ware stelle aber keine Täuschung des Publikums dar. In der Werbung könnten nicht derart detaillierte Preise angegeben werden, wie es Art. 5 der VADP für ein Warenlager oder für Kataloge verlange. Deshalb könnten die betreffenden Vorschriften nur sinngemäss in der Werbung angewendet werden. Preisangaben vom Ausdruck "günstig" bis zur Bezeichnung "Schleuderpreise" liessen sich nicht genau abgrenzen; andernfalls hätte der Gesetzgeber eine Liste unerlaubter Preishinweise aufführen müssen.
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3. a) Waren, die dem Letztverbraucher angeboten werden, sind mit dem Detailpreis, d.h. mit dem Preis, der tatsächlich zu bezahlen ist, anzugeben (Art. 2 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 VADP). Diese wie die übrigen Bestimmungen über die Anschrift der Preise finden auf die Werbung für alle Waren und Dienstleistungen sinngemäss Anwendung, sofern darin Preisangaben gemacht werden (Art. 12 VADP). Das besagt einerseits, dass Werbung für Waren ohne Preisangabe betrieben werden darf, anderseits dass dann, wenn in der Werbung Preisangaben gemacht werden, die Vorschriften der Verordnung über die Preisangabe grundsätzlich anwendbar sind, aber nur soweit sie "sinngemäss" auf die anders gelagerten Verhältnisse der Werbung übertragbar sind. Die Verordnung bezweckt die Förderung der Klarheit und Vergleichbarkeit von Preisen (Art. 1 VADP).
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b) Die Wegleitung vom 31. März 1976 des Büros des Beauftragten für die Preisüberwachung stellt zu Art. 12 der Verordnung fest, dass weiterhin Werbung ohne Preisangabe betrieben werden darf, dass aber im Falle von Preisangaben die Verordnung sinngemäss anzuwenden ist. Das bedeutet, dass der vom Letztverbraucher tatsächlich zu bezahlende Preis in der Reklame angegeben werden muss. Ferner hat aus der Preisangabe hervorzugehen, auf welche Waren und Dienstleistungen sich der Preis bezieht. Sodann gilt auch das Verbot der Angabe mehrerer Preise. Als Werbung zu betrachten sind insbesondere Inserate in Zeitungen, Plakate, Flugblätter, Prospekte, Reklame im Fernsehen, etc.
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Diese Wegleitung gibt die Ansicht eines Staatsorganes über die Anwendung der Verordnung wieder und enthält daher keine allgemeingültige Auslegung. Sie entspricht aber der Verordnung zumindest insoweit, als sie grundsätzlich die Hauptregeln der Verordnung als anwendbar erklärt, nämlich die Bestimmung, dass der Detailpreis einer Ware anzugeben ist (Art. 2 Abs. 1, Art. 3 VADP), falls überhaupt Preisangaben gemacht werden, sodann zu sagen, auf welche Ware sich der Detailpreis bezieht (Art. 6 VADP) und endlich das Verbot, neben dem massgebenden Detailpreis weitere Preise für dieselbe Ware aufzuführen (Art. 7, vorbehältlich Abs. 2 VADP). Wäre eine dieser Regeln nicht wenigstens grundsätzlich anwendbar, so hätte in Art. 12 VADP ein Vorbehalt gemacht werden müssen. Von der Sache her drängt sich aber keine solche Einschränkung auf. Gegenteils folgt aus Art. 1 VADP, dass Klarheit und Vergleichbarkeit von Preisen zu fördern sind, d.h. dass das, was die Pflicht zur Bekanntgabe des Detailpreises anstrebt, nicht durch andersartige Preisangaben in der Werbung wieder verdunkelt und verwirrt werden soll. In diesem Sinne wurde die Werbung insoweit in die Verordnung einbezogen, als jene Preisangaben enthält. Wohl kann man von der Werbung, insbesondere von Zeitungsinseraten, nicht verlangen jede Ware einzeln mit dem massgebenden Detailpreis aufzuführen. Wird aber eine bestimmte Ware angeboten und werden zu ihr Preisangaben gemacht, dann ist es für den Werbenden zumutbar, dass er den massgebenden Detailpreis statt anderer preislicher Angaben bekanntgibt. Wird umgekehrt ein bestimmter Detailpreis für eine Ware genannt, so ist dem Werbenden zuzumuten, die Ware so genau zu bezeichnen, dass darüber beim Letztverbraucher keine Irrtümer entstehen. Insoweit sind also die Vorschriften über die Bekanntgabe von Detailpreisen sinngemäss auf die Werbung anzuwenden.
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b) Andere von den Beschwerdeführern publizierte Inserate enthalten Detailpreise für Waren, die nur der Gattung nach, also ohne Markenbezeichnung genannt werden, so dass der Leser im Unklaren bleibt, welche Gegenstände für den ausgeschriebenen Preis angeboten werden. Der Interessent kann auch geneigt sein, den Preis mit einer anderen Ware der gleichen Gattung in Verbindung zu bringen, was irreführend ist. Das gilt beispielsweise für Inserate, die am 26. Januar 1977 im Badener Tagblatt und im März 1977 in zahlreichen andern aargauischen Zeitungen erschienen sind und in denen Haushaltapparate wie folgt empfohlen wurden: "Waschautomat 4 kg 220/230 V... Fr. 499.--/Gefriertruhe 250 l... Fr. 400.--/Kühlschrank 140 l Fr. 249.--, 250 l Fr. 398.--/ Staubsauger, Höchstleistungsmodell... absolute Spitzenmarke... Fr. 269.--/ Tumbler 4,5 kg... SIH-empfohlenes Spitzenfabrikat Fr. 1'290.--".
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5. a) Der Einwand der Beschwerdeführer, sie hätten in ihren Inseraten keine Preisangaben gemacht, geht somit fehl. Die Beschwerdeführer verwechseln den Anwendungsbereich der Verordnung - der Preisangaben für Waren und Leistungen im direkten Verkauf und nach Art. 12 VADP auch in der Werbung umfasst, die sich an Letztverbraucher richten - mit dem materiellen Inhalt (Gebote, Verbote, usw.) der Verordnung, welcher die Bekanntgabe des massgebenden Detailpreises vorschreibt. Beschränkte sich der Anwendungsbereich der Verordnungsbestimmungen auf die Modalitäten des erlaubten "Detailpreises", so blieben die Regeln wirkungslos gegenüber ungenauen, unklaren und irreführenden Preisangaben; sie wären damit ungeeignet, jene Preisangaben zu verhindern, die sie bekämpfen sollen. Daran ändert Art. 2 Abs. 1 VADP nichts, wenn er systematisch ungenau bereits unter "Anwendungsbereich" die an sich erst unter Art. 3 gehörende Vorschrift enthält, den Detailpreis anzuschreiben.
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b) Die übrigen Ausführungen der Beschwerde gehen an der Sache vorbei. Sie befassen sich mit allgemeineren Preisangaben, die entweder überhaupt keine Zahlen nennen ("Tiefstpreise", "Schleuderpreise") oder aber nur in allgemeiner Form Preisreduktionen ("10-30% Rabatt", "Fr. 500.-- billiger") in Aussicht stellen, ohne auf näher bestimmte Warengattungen Bezug zu nehmen. Die Preisangaben der Beschwerdeführer waren nach den Feststellungen der Vorinstanz konkreter. Sie verleiteten den Leser, zwischen genauen Preisen und nur ungenügend klar bezeichneten Waren oder zwischen genau oder annähernd genau bezeichneten Waren und nur ungenügend eindeutig bezeichneten Preisen eine Beziehung herzustellen, was geeignet war, Letztverbraucher irrezuführen.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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