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25. Urteil des Kassationshofes vom 22. Mai 1979 i.S. S. gegen Jugendanwaltschaft des Kantons Basel-Stadt (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 93ter Abs. 2 StGB, Art. 7 VStGB; Einweisung in eine Anstalt für Nacherziehung. | |
Sachverhalt | |
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B.- Die gegen dieses Urteil gerichtete Beschwerde wies der Ausschuss des Appellationsgerichts des Kantons Basel-Stadt durch Urteil vom 26. Februar 1979 ab.
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Das Appellationsgericht stellt fest, dass S. einer Massnahme bedürfe und dass die Jugendstrafkammer zu Recht gestützt auf das psychiatrische Gutachten Art. 91 Ziff. 2 StGB für anwendbar erachtet habe. Aus den bisherigen Erfahrungen ergebe sich, dass S. in einem Erziehungsheim für Jugendliche untragbar sei und dass auch eine Plazierung in einem Therapieheim nicht zu verantworten wäre; er sollte daher gemäss Art. 93ter Abs. 2 StGB in einer Anstalt für Nacherziehung untergebracht werden. Da Tessenberg für S. wegen der gemachten Erfahrungen ausser Betracht falle, stehe keine dem Art. 93ter Abs. 2 StGB entsprechende Institution zur Verfügung. Die Jugendstrafkammer habe S. daher ohne Gesetzesverletzung gestützt auf Art. 7 der Verordnung zum StGB in eine Strafanstalt einweisen können;, diese Anordnung werde auch im psychiatrischen Gutachten befürwortet.
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C.- Gegen das Urteil des Ausschusses des Appellationsgerichtes und den Entscheid der Jugendstrafkammer führt S. beim Kassationshof des Bundesgerichtes Nichtigkeitsbeschwerde. Zur Begründung wird geltend gemacht:
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a) Eine jugendrechtliche Massnahme, erst noch verbunden mit einer besondern Behandlung gemäss Art. 92 StGB, könne in der Strafanstalt Bostadel nicht vollzogen werden.
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b) Eine Massnahme sei aber nur dann anzuordnen, wenn sie tatsächlich vollzogen werden könne.
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d) Aber selbst nach dem Wortlaut dieser Bestimmung könne der Beschwerdeführer nicht in einer Strafanstalt untergebracht werden; denn Voraussetzung sei, dass der Betroffene keiner heilpädagogischen Betreuung und keiner psychiatrischen Behandlung bedürfe. S. sei aber im Sinne von Art. 92 StGB behandlungsbedürftig und könne daher schon aus diesem Grund nicht in eine Anstalt für Nacherziehung und folglich auch nicht in eine Strafanstalt eingewiesen werden.
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e) Wenn es nicht möglich sei, eine geeignete Massnahmevollzugsanstalt zu finden, so sei der Beschwerdeführer gemäss Art. 95 Ziff. 1 Abs. 2 StGB zu bestrafen.
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f) Sollte die Einweisung in die Strafanstalt Bostadel bestätigt werden, so sei für diese Sanktion eine Mindestdauer von einem Jahr festzulegen; denn diese Mindestdauer gelte für alle Massnahmen ausser der Einweisung in ein Erziehungsheim gemäss Art. 91 Ziff. 2 StGB; die Mindestdauer von einem Jahr müsse auch bei der direkten Einweisung in eine Strafanstalt zur Anwendung kommen.
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D.- Appellationsgericht und Jugendanwaltschaft haben auf die Einreichung einer Vernehmlassung verzichtet. Sie beantragen die Abweisung der Beschwerde.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
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Auch gegen die Anordnung einer besondern Behandlung gemäss Art. 92 StGB wird nichts vorgebracht. Die Anordnung einer Erziehungsmassnahme gemäss Art. 91 Ziff. 2 verbunden mit der besondern Behandlung gemäss Art. 92 StGB ist im Grunde unbestritten. Die Beschwerde richtet sich gegen den konkreten Vollzug der jugendstrafrechtlichen Massnahmen durch die gerichtliche Einweisung in die Strafanstalt Bostadel.
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Im vorliegenden Fall musste die zuständige Behörde gestützt auf die Misserfolge früherer Unterbringungen in Erziehungsheimen davon ausgehen, dass die Einweisung in ein Erziehungsheim für Jugendliche von vornherein nicht in Betracht komme. Für den im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Beurteilung schon über 18 Jahre alten S. musste aus zwingenden praktischen Gründen die jugendstrafrechtliche Heimeinweisung entweder durch die Unterbringung in einer Arbeitserziehungsanstalt gemäss Art. 93bis Abs. 2 StGB oder durch Einweisung in eine Anstalt für Nacherziehung gemäss Art. 93ter Abs. 2 StGB vollzogen werden. Gestützt auf die Erfahrungen und das Ergebnis der psychiatrischen Begutachtung kam die Jugendstrafkammer ohne Überschreitung ihres Ermessens zum Schluss, der recht gefährliche und zur Flucht neigende Beschwerdeführer sei nicht in eine offene Arbeitserziehungsanstalt einzuweisen, sondern müsse in einer geschlossenen Institution untergebracht werden. Eine eigentliche Anstalt für Nacherziehung, wie sie das Strafgesetzbuch in Art. 93ter Abs. 2 vorsieht, gibt es bis jetzt noch nicht. In den Anstalten von Aarburg und Tessenberg, welche unter den vorhandenen Einrichtungen für Jugendliche noch am ehesten als vorläufiger Ersatz für die fehlende Institution im Sinne von Art. 93ter Abs. 2 in Erwägung zu ziehen wären, hat sich der Beschwerdeführer in den letzten Jahren bereits ohne erzieherischen Erfolg aufgehalten (Aarburg 5.4.1976-27.12.1976, Tessenberg 30.6.1977-15.5.1978). Aus beiden Anstalten ist er wiederholt entwichen und hat delinquiert.
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Art. 7 der bundesrätlichen Verordnung zum Schweizerischen Strafgesetzbuch gestattet bis zur Schaffung einer Anstalt für Nacherziehung die Einweisung eines Jugendlichen, der in keinem der vorhandenen Heime tragbar ist, in eine Strafanstalt. Diese ![]() | 17 |
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a) Nach dem Wortlaut von Art. 93ter Abs. 2 StGB erfolgt die Versetzung in eine Anstalt für Nacherziehung (und folglich auch die vorläufig an deren Stelle tretende Strafanstalt) nicht durch die urteilende, sondern durch die vollziehende Behörde. Der Gesetzgeber ging also davon aus, dass das Jugendgericht zunächst im Urteil die Einweisung in ein Erziehungsheim anordne und dass erst Schwierigkeiten im Vollzug unter Umständen zur nachträglichen Versetzung gemäss Art. 93ter Abs. 2 (wie auch gemäss Art. 93bis und Art. 93ter Abs. 1) StGB führen. Wenn aber - wie im vorliegenden Fall - aufgrund konkreter Erfahrungen mit vorangehenden Erziehungsmassnahmen und aufgrund eines jugendpsychiatrischen Gutachtens angenommen werden muss, dass die notwendige Massnahme in keinem der vorhandenen Erziehungsheime vollzogen werden kann, dann verstösst es nicht gegen Art. 93ter Abs. 2 StGB, dass die urteilende Instanz selber den sich aufdrängenden praktischen Schluss zieht und direkt die nicht vermeidbare Unterbringung in einer Strafanstalt verfügt.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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