BGE 106 IV 109 | |||
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36. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 7. Mai 1980 i.S. C. und B. gegen Generalprokurator des Kantons Bern (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 139 Ziff. 2 Abs. 1 Al. 4 StGB. | |
Sachverhalt | |
A.- Auf einer Pintenkehr in Bern setzte sich am Abend des 6. Dezember 1977 der 68jährige A. im Restaurant "Halbmond" an der Genfergasse an einen Tisch, an dem Beatrix B., C., D. und zwei Mädchen sassen. A. kam mit Beatrix B. ins Gespräch und offerierte ihr einen halben Liter Weisswein. Bald vermutete er, sie könnte sich ihm gegen Entgelt zum Geschlechtsverkehr hingeben. Er prahlte mit seinem Geld, das Frau B. offenbar auch gesehen hatte. Zuerst erklärte sie A. wahrheitsgetreu, sie habe keine Absteige. Weil sie aber an die Barschaft des A. herankommen wollte, entfernte sie sich kurz; sie machte ihm dann weis, sie habe ein Zimmer auftreiben können. Sie flüsterte D. zu, A. habe viel Geld, und machte ihm den Vorschlag, das Geld zu stehlen. D. weihte C. in den Plan ein, und beide erklärten sich dazu bereit.
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Beatrix B. lockte A. in Richtung Altenberg und vom Altenbergsteg aareabwärts. A. fragte, wohin es gehe, es habe ja keine Häuser mehr. Gleich darauf sprangen D. und C. die sich vereinbarungsgemäss an der Aare im Schatten einer Mauer versteckt hatten, von hinten hinzu. D. versetzte A. mit einem handbreiten Gurt mit Metallnieten und einer handtellergrossen Metallschnalle, den er sich zuvor von C. hatte geben lassen, mindestens einen Schlag auf den Kopf. Darauf packte er das Opfer und riss es zu Boden. C. sprang ebenfalls dazu und hielt ihm den Mund zu, da er befürchtete, A. werde schreien. In diesem Moment riss Beatrix B. dessen Portemonnaie aus der rechten Gesässtasche, nahm es an sich und rannte in Richtung Altenbergsteg davon. Auch die beiden andern liessen A. liegen und rannten ihr über den Steg nach und die Altenbergtreppe hinauf. Dort übergab Frau B. das Portemonnaie D., welcher es öffnete. Jeder der drei schnappte sich vom Geld einen Anteil, so Frau B. Fr. 100.-- und C. Fr. 206.--.
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A. trug durch den Schlag oder die Schläge einen Kopfschwartenriss, eine stark blutende Platzwunde und eine kleine Schürfung an der Stirne davon.
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B.- Wegen dieser Tat wurde C. des qualifizierten Raubes unter Offenbarung besonderer Gefährlichkeit schuldig befunden. Daneben ist er wegen einfachen Raubes, am 5. Mai 1978 zum Nachteil des O. begangen, verurteilt worden. Das Obergericht bestrafte ihn hiefür unter Zubilligung verminderter Zurechnungsfähigkeit zu viereinhalb Jahren Zuchthaus. Einer Anklage wegen Tätlichkeiten vom 15. Oktober 1977 zum Nachteil des F. wurde wegen eingetretener Verjährung keine Folge gegeben.
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Frau B. wurde wegen der Tat vom 6. Dezember 1977 ebenfalls des qualifizierten Raubes schuldig befunden, daneben auch wegen eines am 28. Oktober 1977 begangenen Betruges zum Nachteil von L. sowie wegen unanständigen Benehmens im Sinne des kantonalen Rechts am 24. Dezember 1977. Hiefür wurde sie zu vier Jahren Zuchthaus verurteilt.
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C.- Gegen dieses Urteil des Obergerichts des Kantons Bern haben C. und Frau B. Nichtigkeitsbeschwerden eingereicht.
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Der Generalprokurator beantragt Abweisung der Beschwerde.
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Aus den Erwägungen: | |
2. Gemäss Art. 139 Ziff. 2 Abs. 1 Alinea 4 StGB wird der Räuber mit Zuchthaus nicht unter fünf Jahren und höchstens 20 Jahren bestraft, wenn der Raub die besondere Gefährlichkeit des Täters in anderer Weise, als in den vorausgehenden Alineas 2 und 3 angegeben ist, offenbart. Das wird nach der Rechtsprechung angenommen, wenn die Art, in welcher der Räuber vorgeht, Charaktereigenschaften aufdeckt, die in einem Masse auf eine asoziale Grundhaltung und sittliche Hemmungslosigkeit schliessen lassen, dass befürchtet werden muss, der Täter werde auch bei anderer Gelegenheit vor gleichen oder ähnlichen Handlungen nicht zurückschrecken (BGE 105 IV 183 unten mit Hinweisen). Der Raub selber muss nach Gesetz die besondere Gefährlichkeit offenbaren, wozu aber auch die der Tat unmittelbar vorausgehenden und nachfolgenden Umstände zählen, die mit dem Tatgeschehen im Zusammenhang stehen (BGE 100 IV 165 E. 2b mit Hinweisen). Um die bei der Tat selber zum Ausdruck gekommene besondere Gefährlichkeit zu beweisen, kann auch das Vorleben, das Ergebnis einer psychologischen oder psychiatrischen Begutachtung und alles berücksichtigt werden, was dem Richter erleichtert festzustellen, ob der Raub Ausfluss einer besonders gefährlichen Täterpersönlichkeit war (BGE 100 IV 165 E. 2b). Oft ist es erst eine Mehrheit von Umständen in ihrer Gesamtheit, welche den Richter von der besonderen Gefährlichkeit des Täters überzeugt, während umgekehrt das Hinzutreten anderer Umstände, wie tätige Reue, Vorleben, usw. dem entgegenwirken können. Insbesondere kann nicht schon aus einer Gewaltanwendung oder Drohung allein, die schon dem einfachen Raub anhaften, auf Gefährlichkeit, geschweige denn auf "besondere" Gefährlichkeit geschlossen werden. Im übrigen lässt die weit gefasste Generalklausel dem Sachrichter ein weites Ermessen, in das der Kassationshof nur mit Zurückhaltung eingreift (BGE 100 IV 165 E. 2 mit weiteren Hinweisen).
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Die Vorinstanz durfte deshalb aus den Umständen des Raubes und den weiteren Taten des Beschwerdeführers, ohne Bundesrecht zu verletzen, auf einen brutalen Charakter von asozialer Grundhaltung und sittlicher Hemmungslosigkeit und damit auf eine besondere Gefährlichkeit schliessen. Die Beschwerde ist daher abzuweisen.
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4. a) Im Gegensatz zur ersten Instanz fand das Obergericht, auch Beatrix B. habe durch ihre Beteiligung am Raub ihre besondere Gefährlichkeit offenbart. Ihr Anteil an der Tat ist insofern grösser als jener des C., als der Anstoss zur Tat von ihr ausging. Sie war es auch, welche das Opfer mit dem Versprechen, sich ihm zum Geschlechtsverkehr hinzugeben, zur Nachtzeit an den Tatort lockte, wo es in die übermächtige Gewalt von D. und C. gelangte. Als das Opfer bereits niedergeschlagen und wehrlos war, entriss sie ihm das Geld. Dass sie sich dadurch des Raubes mitschuldig gemacht hat, bestreitet sie mit Recht nicht.
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b) Die Gefährlichkeit ist eine besondere Eigenschaft im Sinne von Art. 26 StGB (BGE 105 IV 186 E. 2). Die Gefährlichkeit der Mittäter hat daher nicht zur Folge, dass auch die Beschwerdeführerin wegen besonderer Gefährlichkeit strenger bestraft werden muss. Die Vorinstanz hat es auch nicht getan, sondern vielmehr untersucht, ob die Beschwerdeführerin persönlich durch ihre Mitwirkung ihre besondere Gefährlichkeit offenbart habe.
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c) Auf eine besondere Gefährlichkeit der Beschwerdeführerin schliesst das Obergericht aus dem oben erwähnten Tathergang (Zustand des Opfers, Ort und Zeit der Tat, Initiative zur Tat, Locken des Opfers an den Tatort) sowie aus den folgenden, besonders erörterten Umständen.
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Die Tat wurde zu dritt begangen. Die Vorinstanz verkennt keineswegs, dass es sich nicht um eine bandenmässige Begehung im Sinne des Art. 139 Ziff. 2 Abs. 1 Alinea 3 StGB handelt, da sich die drei Täter nicht zur fortgesetzten Verübung von Raub und Diebstahl zusammengefunden haben. Doch auch ohne eine solche über die Einzeltat hinausgehende Bindung durfte dieser Zusammenschluss als Teilindiz für die besondere Gefährlichkeit herangezogen werden, vermehrt doch das bewusste Zusammenwirken mehrerer an einer Straftat regelmässig die Gefährlichkeit der Rechtsbrecher (Schultz, Allg. Teil I, 3. Aufl. S. 263), so dass andere Rechte schon diesen Umstand strafschärfend berücksichtigen (vgl. öst. StGB § 33 Ziff. 4 für die führend Beteiligten). Das gilt für Gewaltverbrechen in besonderer Weise.
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Hinsichtlich der Einstellung zur brutalen Gewaltanwendung durch den Mittäter D. und des Liegenlassens des Opfers in der Dezembernacht an abgelegenem Ort hält die Vorinstanz der Beschwerdeführerin zugut, dass sie nicht mit der von D. an den Tag gelegten Brutalität gerechnet hat. Sie wirft ihr aber vor, sie habe sich nach dem brutalen Niederschlagen des Opfers ohne Hemmungen in das Zusammenwirken des Trios eingefügt, indem sie A. das Portemonnaie aus der Gesässtasche genommen habe, während ihn D. festgehalten und C. am Schreien gehindert habe. Durch das brutale Vorgehen von D. sei sie überhaupt nicht oder nur unwesentlich erschreckt und abgestossen worden. Jedenfalls sei der Gedanke an das Geld starker als alle Bedenken gewesen. Auch wenn sie die Verletzungen und Blutungen des Opfers nicht gesehen habe, habe sie doch mit Gewissheit damit rechnen müssen, dass A. verletzt worden sei, habe sie doch gemeint, er sei mit einer Flasche niedergeschlagen worden. Trotzdem habe sie den alten Mann skrupellos dort liegen gelassen.
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Diese Feststellung, auch was Wissen und innere Einstellung zur Tat betrifft (BGE 104 IV 36, 245), ist tatsächlicher Natur und bindet daher den Kassationshof (Art. 273 Abs. 1 lit. b und 277 bis Abs. 1 BStP). Die Beschwerde beruft sich daher zu Unrecht auf die davon abweichende tatsächliche Würdigung durch das Amtsgericht und die Aussagen der Beschwerdeführerin in der Hauptverhandlung. Sie kann nicht gehört werden, wenn sie entgegen den obergerichtlichen Feststellungen geltend macht, sie sei einfach aus Angst davongerannt, habe nur noch an Flucht gedacht und nicht mehr daran, was dem Mann geschehen sein könnte. Von einer Verletzung habe sie erst später vernommen, sie habe auch gedacht, der Mann habe sich eventuell nur fallen lassen. Auch den Umstand, dass sich die Beschwerdeführerin übergeben hatte, führt das Obergericht nicht auf ihre Abneigung gegen die Tat zurück, sondern auf das schnelle Treppensteigen in alkoholisiertem Zustand.
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Den aus diesen Tatsachen gezogenen Schluss auf eine asoziale Grundhaltung und sittliche Hemmungslosigkeit hat das Obergericht durch das von der Psychiatrischen Universitätsklinik Bern im März/April 1978 erstattete Gutachten nicht als widerlegt, sondern eher als bestätigt angesehen. Jenes Gutachten kam zum Schlusse, dass es sich bei der Beschwerdeführerin um eine durchschnittlich intelligente, stark trieb- und stimmungsabhängige, agressive, frustrationsintolerante, im Grunde subdepressive, selbstunsichere und ängstliche Persönlichkeit mit asozialen und Verwahrlosungstendenzen handle. Dieses Verständnis des Gutachtens über den Geisteszustand der Beschwerdeführerin beruht nicht auf einem offensichtlichen Versehen. Der Schluss, das Gutachten enthalte ebenfalls Elemente, welche auf die besondere Gefährlichkeit der Beschwerdeführerin hinwiesen, ist tatsächlicher Natur und bindet daher den Kassationshof. Anderseits ist nicht ersichtlich, dass der Richter von einem falschen Begriff der besonderen Gefährlichkeit im Sinne von Art. 139 Ziff. 2 Abs. 1 StGB ausgegangen wäre.
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