BGE 106 IV 174 | |||
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51. Urteil des Kassationshofes vom 27. Juni 1980 i.S. Anna E. gegen Oskar E. (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 31 StGB; Art. 2 ZGB. | |
Sachverhalt | |
A.- Am 11. März 1974 schied das Amtsgericht Luzern-Land die Ehe zwischen Oskar E. und Anna Maria E. geb. B. Das Gericht verpflichtete E., seiner ehemaligen Frau monatliche Unterhaltsbeiträge von Fr. 600.-- für sie und von Fr. 200.-- für die Tochter, sowie Ausbildungsbeiträge zugunsten der letzteren im Maximalbetrag von Fr. 5'000.-- zu bezahlen.
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B.- Da E. in der Folge seinen Verpflichtungen nicht nachkam, reichte seine ehemalige Ehefrau am 20. Februar 1978 Strafklage wegen Vernachlässigung der Unterstützungspflichten ein. Auf Begehren des E. fand daraufhin am 3. April 1978 vor dem delegierten Richter des Amtsgerichtspräsidenten II von Luzern-Stadt ein Sühneversuch betreffend die Abänderung des Ehescheidungsurteils statt. Dabei schlossen die Parteien unter gerichtlicher Mitwirkung folgende Vereinbarung ab:
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"1. Das Ehescheidungsurteil vom 11. März 1974 des Amtsgerichtes
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Luzern-Land wird in Ziff. 2.2, a folgendermassen abgeändert:
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"a) für die Klägerin Fr. 400.-- (Ab April 1978). Dieser Unterhaltsbeitrag
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wird nicht mit der Indexklausel verbunden".
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2. Herr E. erklärt, dass er diesen neuen Unterhaltsbeitrag kaum vor Ende
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Juni 1978 bezahlen kann, da er zur Zeit noch arbeitslos und ohne neue
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Stelle sei. Frau E. nimmt davon Kenntnis. Herr E. verpflichtet sich jedoch
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ausdrücklich, die Fr. 400.-- spätestens Ende Juni 1978 erstmals zu
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bezahlen.
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3. Frau E. verpflichtet sich ihrerseits, beim Amtsstatthalteramt
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Luzern-Stadt zu beantragen, dass das von ihr gegen Herrn E. mit Klage vom
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20. Februar 1978 eingeleitete Strafverfahren wegen Vernachlässigung von
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Unterstützungspflichten für die Dauer eines halben Jahres sistiert wird.
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Bei Einhaltung der neu eingegangenen Verpflichtung durch Herrn E. wird sie
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dann ihre Strafklage zurückziehen. Herr E. wird die dadurch entstehenden
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Abschreibungskosten des Amtsstatthalteramtes übernehmen."
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Auf Ersuchen von Frau E. sistierte der Amtsstatthalter von Luzern-Stadt am 3. Mai 1978 das Strafverfahren bis zum 1. Oktober 1978. Mit Eingabe vom 27. September 1978 verlangte jedoch Frau E. die Aufhebung der Sistierung und die Fortsetzung des Verfahrens, weil Herr E. rückständige Alimente nicht bezahlt hatte.
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Mit Urteil vom 17. August 1979 bestrafte das Amtsgericht Oskar E. wegen Vernachlässigung der Unterstützungspflichten in der Zeit vom 1. Oktober 1976 bis zum 31. März 1978 mit drei Monaten Gefängnis. Gleichzeitig ordnete es den Vollzug einer vom Amtsstatthalter von Luzern-Stadt am 18. Februar 1977 bedingt ausgefällten Gefängnisstrafe von drei Monaten wegen Vernachlässigung von Unterstützungspflichten an.
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Das Obergericht des Kantons Luzern verfügte am 6. Dezember 1979 auf Appellation des E. hin die Einstellung des Strafverfahrens wegen Vernachlässigung von Unterstützungspflichten, weil Herr E. vereinbarungsgemäss ab Juni 1978 Fr. 400.-- pro Monat bezahlt habe, womit die für den Rückzug des Strafantrages vereinbarte Bedingung erfüllt worden und der Strafantrag weggefallen sei.
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D.- Frau E. führt Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, der Entscheid des Obergerichtes sei mit Bezug auf Ziff. 1 und 2 des Dispositivs aufzuheben und die Sache zur Bestätigung des amtsgerichtlichen Urteils vom 17. August 1979, eventuell zur Neubeurteilung an die Vorinstanz zurückzuweisen. Gleichzeitig ersucht sie um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege gemäss Art. 152 Abs. 1 und 2 OG.
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Eine gegen den Obergerichtlichen Entscheid erhobene staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung von Art. 4 BV hat der Kassationshof in seiner Sitzung vom 19. Juni 1980 abgewiesen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
1. Die Vorinstanz stellt sich auf den Standpunkt, der Strafantrag sei in der Vereinbarung vom 3. April 1978 zurückgezogen worden. Ein Rückzug müsse nach herrschender Lehre und Praxis zwar, um gültig zu sein, bedingungslos erklärt werden. Der Natur der Sache nach werde damit aber in erster Linie nur ein auflösend bedingter Rückzug des Antrags ausgeschlossen; es gehe nämlich nicht an, einen Strafantrag unter dem Vorbehalt eines allfälligen späteren Wiederauflebens zurückzuziehen. Weniger Bedenken bestünden dagegen bei einer aufschiebenden Bedingung. In einem solchen Fall bleibe der Strafantrag bestehen, wenn die Bedingung nicht vor Eröffnung des erstinstanzlichen Urteils eintrete. Stehe aber der Eintritt der Bedingung vor diesem Zeitpunkt zweifelsfrei fest, so müsse er von Amtes wegen berücksichtigt werden, ohne dass es noch einer besonderen Erklärung des Antragsberechtigten bedürfe.
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Die Beschwerdeführerin hält die von der Vorinstanz getroffene Unterscheidung für unhaltbar. Der Rückzug des Strafantrages müsse, um gültig zu sein, in jeder Hinsicht bedingungslos, klar und deutlich erklärt werden. Im vorliegenden Fall sei es so zu halten, wie wenn die Vereinbarung vom 3. April 1978, welche den ominösen Satz enthalte, nicht getroffen worden wäre. Demzufolge sei der Strafantrag als noch gestellt zu betrachten.
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"Bei Einhaltung der neu eingegangenen Verpflichtung durch Herrn E. wird
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sie dann ihre Strafklage zurückziehen." Frau E. hat, wie aus dieser Klausel deutlich hervorgeht, nicht schon in der Vereinbarung selber den Rückzug des Strafantrages erklärt, sondern sich lediglich dazu verpflichtet, den Strafantrag zurückzuziehen, wenn Herr E. seinen neu eingegangenen Verpflichtungen nachgekommen sei. Die Vorinstanz führt denn auch zutreffend aus, die Ziff. 3 der Vereinbarung enthalte einerseits die unbedingte Verpflichtung der Privatklägerin, die Sistierung des Strafverfahrens zu beantragen, "und anderseits die aufschiebend bedingte Pflicht zum Rückzug des Strafantrags für den Fall, dass der Angeklagte ab Juni 1978 pro Monat Fr. 400.-- bezahle". Frau E. hatte sich also unter einer von der Gegenpartei zu erfüllenden Bedingung verpflichtet, in einem späteren Zeitpunkt den Strafantrag zurückzuziehen. Es ist deshalb unzutreffend, wenn das Obergericht im folgenden vom aufschiebend bedingten Antragsrückzug spricht, als ob ein solcher bereits in der Vereinbarung erklärt worden wäre. Die Vereinbarung enthält keine bedingte Rückzugserklärung, sondern lediglich die bedingte Verpflichtung zur Abgabe einer solchen Erklärung. Mit Eintritt der Bedingung war daher nicht schon die Rückzugserklärung abgegeben, sondern lediglich die unbedingte Pflicht zur Abgabe der Rückzugserklärung entstanden. Solange die Beschwerdeführerin diese Erklärung nicht abgab, konnte der Strafantrag nicht dahinfallen. Eine diesbezügliche Willensäusserung konnte auch nicht aus einem späteren konkludenten Verhalten der Beschwerdeführerin abgeleitet werden, nachdem diese nach Ablauf der vereinbarten Frist von sechs Monaten ausdrücklich auf der Fortsetzung des Strafverfahrens beharrt und am Strafantrag festgehalten hatte.
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War aber die vor dem Richter und unter dessen Mitwirkung abgeschlossene Vereinbarung vom Angeklagten eingehalten worden, so verstiess es gegen den Grundsatz von Treu und Glauben, wenn die Antragstellerin entgegen ihrer Zusage am Strafantrag festhielt und die Bestrafung des Angeklagten verlangte. Dieses widersprüchliche Verhalten verdient keinen Rechtsschutz (Art. 2 ZGB; vgl. auch BGE 105 IV 229), jedenfalls dann nicht, wenn, wie hier, keine triftigen Gründe vorgebracht werden können, die ein Zurückkommen auf die frühere Zusage als verständlich erscheinen lassen. Die Vorinstanz hat demnach das Strafverfahren gegen Oskar E. wegen Vernachlässigung von Unterstützungspflichten mit Recht eingestellt.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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