BGE 106 IV 276 | |||
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70. Urteil des Kassationshofes vom 20. August 1980 i.S. Generalprokurator des Kantons Bern gegen U. (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 305. |
Verneint bei einem Zeugen, der sich weigert, einen wegen Strassenverkehrsdelikten verdächtigen Unbekannten zu nennen, von dem er nach einem vermutlichen Selbstunfall mit der Schadensdeckung beauftragt worden ist. | |
Sachverhalt | |
A.- Gemäss einer Strafanzeige der Kantonspolizei Gerzensee soll vermutlich in der Nacht vom 1./2. August 1978 ein unbekannter Automobilist auf der Belperstrasse oberhalb Gerzensee die Herrschaft über sein Fahrzeug verloren haben. Der Wagen sei mit der rechten Strassenböschung kollidiert, sei sodann nach links über die Strasse hinweg und über den linken Strassenrand hinaus geschleudert worden und anschliessend einen steil abfallenden Hang hinuntergekollert. Das Fahrzeug sei noch in der gleichen Nacht geborgen worden. Ob Personen verletzt wurden, sei ungewiss. Dagegen sei Sachschaden an einem Strassenmarkierungspfosten und an Kulturland entstanden.
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In dem deswegen gegen unbekannte Täterschaft eröffneten SVG-Strafverfahren ergaben Ermittlungen, dass sich U., cand. iur. und damals Fürsprecherkandidat auf einem Richteramt, für die Schadenstilgung verwendete. Von der Polizei und später vom Untersuchungsrichter von Seftigen als Zeuge befragt, weigerte er sich am 19. und - nach eingeräumter Bedenkzeit - auch am 30. Oktober 1978, den Namen des Fahrzeuglenkers preiszugeben mit der Begründung, er sei von diesem mit Rücksicht auf seine Stellung als Fürsprecherkandidat und mit der Verpflichtung zur Verschwiegenheit mit der Schadenserledigung beauftragt worden.
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B.- Deswegen eröffnete der Gerichtspräsident von Seftigen gegen U. ein Strafverfahren wegen unberechtigter Verweigerung der Aussage als Zeuge im Sinne von Art. 142 Abs. 2 StrV/BE und bestrafte ihn mit einer bedingt vorzeitig löschbaren Busse von Fr. 200.--. Eine dagegen erhobene Einsprache, mit welcher die Staatsanwaltschaft des Mittellandes zusätzlich die Verurteilung wegen Begünstigung verlangte, wies der Gerichtspräsident am 22. Oktober 1979 ab.
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Eine gegen dieses Urteil eingereichte Appellation des Generalprokurators hat das Obergericht des Kantons Bern am 7. Februar 1980 abgewiesen.
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C.- Mit Nichtigkeitsbeschwerde beantragt der Generalprokurator, das Urteil des Obergerichtes sei aufzuheben und die Sache zur Schuldigerklärung wegen Begünstigung an die Vorinstanz zurückzuweisen.
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Der Beschwerdegegner beantragt unaufgefordert die Abweisung der Beschwerde. Zur Begründung übernimmt er die Ausführungen eines Gutachtens von Professor Stratenwerth.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
Streitig ist einzig, ob der Beschwerdegegner durch seine Weigerung als Zeuge, den Namen des Automobilisten bekannt zu geben, sich der Begünstigung im Sinne von Art. 305 StGB schuldig gemacht hat. Wegen dieser Straftat ist u.a. strafbar, "wer jemanden der Strafverfolgung... entzieht". Mit Recht macht der Beschwerdegegner nicht mehr geltend, er sei gesetzlich zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt gewesen. Die Verweigerung der Aussage hatte zur Folge, dass die Strafverfolgung gegen den unbekannten Automobilisten eingestellt werden musste. Diesen Erfolg hat der Beschwerdeführer nicht unmittelbar durch ein Tun, sondern mittelbar durch die Nichtbekanntgabe des Automobilisten bewirkt. In Frage steht daher die Begünstigung in der Form eines unechten Unterlassungsdeliktes.
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Ein solches ist gegeben, wenn wenigstens die Herbeiführung des Erfolges durch Tun ausdrücklich mit Strafe bedroht wird, der Beschuldigte durch sein Tun den Erfolg tatsächlich hätte abwenden können und infolge seiner besonderen Rechtsstellung dazu auch so sehr verpflichtet war, dass die Unterlassung der Erfolgsherbeiführung durch aktives Handeln gleichwertig erscheint (BGE 96 IV 174, BGE 105 IV 176; SCHULTZ Allg. Teil I, 3. Aufl. S. 118; HAUSER-REHBERG, Strafrecht I, 2. Aufl. S. 134; SCHWANDER, StGB, Nr. 158 Ziff. 4).
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Eine solche sog. Garantenstellung besteht insbesondere für den Täter, der kraft seiner besondern Rechtsstellung das Gut vor der ihm drohenden Gefahr hätte schützen müssen oder der zuvor durch sein Tun die Gefahr geschaffen hat. Eine solche Stellung hat beispielsweise die Mutter gegenüber ihrem Kinde, nicht aber derjenige, der die ihm zumutbare Hilfe irgendeinem Mitmenschen versagt. Erstere hat sich u.U. wegen Tötung zu verantworten, letzterer allenfalls wegen Unterlassung der Nothilfe gemäss kantonalem Recht.
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Im vorliegenden Falle hat der Beschwerdegegner durch die Verweigerung der Aussage mittelbar bewirkt, dass der wegen Strassenverkehrsdelikten verdächtige Unbekannte nicht abgeurteilt werden konnte. Eine besondere Rechtspflicht, für die strafrechtliche Verfolgung der fraglichen Strassenverkehrsdelikte zu sorgen, hatte er nicht; dies im Gegensatz zu dem in BGE 74 IV 165 ff. beurteilten beeidigten Jagdaufseher, der entgegen der ihm rechtlich obliegenden Pflicht Jagdvergehen nicht zur Anzeige brachte. Eine solche besondere Rechtspflicht kann - wie im eingelegten Rechtsgutachten von Professor Stratenwerth und in den Urteilen der kantonalen Gerichte mit Recht ausgeführt wird - auch nicht aus der Pflicht, Zeugnis abzulegen, abgeleitet werden. Diese Zeugnispflicht ist allgemeine Bürgerpflicht und schützt nicht in besonderer Weise die Strafverfolgung.
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Der Pflicht, Zeugnis abzulegen, können die Kantone durch ihr Prozessstrafrecht hinreichend Nachachtung verschaffen (Art. 335 Ziff. 1 Abs. 2 StGB). Der Kanton Bern hat dies auch getan. Subsidiär steht den Untersuchungs- und Gerichtsbehörden die Strafdrohung des Art. 292 StGB zur Verfügung, welche die Verhängung von Bussen bis zu Fr. 5'000.-- oder von Haft bis zu drei Monaten ermöglicht. Reichen solche Strafen nicht aus, besteht kein Verlass, dass Aussagen, welche durch höhere Strafdrohungen erzwungen werden, wahrheitsgetreu sind.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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