![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server (automatisch) | |||
![]() | ![]() |
73. Urteil des Kassationshofes vom 19. November 1980 i.S. Polizeirichteramt der Stadt Zürich gegen C. (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 3 Abs. 4 VRV; Art. 33 Abs. 3 BAV; Verordnung über die Arbeits- und Ruhezeit der berufsmässigen Motorfahrzeugführer (Chauffeurverordnung). | |
Sachverhalt | |
![]() | 1 |
B.- Der Gebüsste verlangte die gerichtliche Beurteilung. Der Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichts Zürich sprach C. daraufhin am 27. November 1979 der Verletzung einer Verkehrsregel im Sinne von Art. 25 Abs. 1 ARV in Verbindung mit Art. 14 und Art. 5 Abs. 2 der Sonderbestimmungen über die Arbeits- und Ruhezeit der Taxiführer in der Stadt Zürich schuldig (Nichteinhaltung der Ruhepause nach 5 1/2 Stunden Arbeitszeit) und büsste ihn deswegen mit Fr. 20.--. Vom ![]() | 2 |
Die vom Polizeirichteramt der Stadt Zürich gegen dieses Urteil eingereichte kantonale Nichtigkeitsbeschwerde, mit welcher die Verurteilung des C. auch wegen Verletzung von Art. 3 Abs. 4 VRV verlangt wurde, wies die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich mit Beschluss vom 13. Juni 1980 ab.
| 3 |
C.- Das Polizeirichteramt führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem sinngemässen Antrag, der Beschluss des Obergerichts vom 13. Juni 1980 sei aufzuheben und die Sache zur Verurteilung des C. auch wegen Widerhandlung gegen Art. 3 Abs. 4 VRV an die zuständige kantonale Behörde zurückzuweisen. Der Beschwerdeschrift ist die Fotokopie einer schriftlichen Rechtsauskunft der Hauptabteilung Strassenverkehr des Bundesamtes für Polizeiwesen vom 4. Juli 1980 an die Stadtpolizei Zürich beigelegt.
| 4 |
C. beantragt in seiner Vernehmlassung die Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde unter Kosten- und Entschädigungsfolgen.
| 5 |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung: | |
6 | |
2. a) Gemäss Art. 33 Abs. 3 lit. c der Verordnung über Bau und Ausrüstung der Strassenfahrzeuge (BAV) müssen leichte Motorwagen zum gewerbsmässigen Personentransport mit einem Fahrtschreiber zur Kontrolle der Arbeits- und Ruhezeit und zur Abklärung von Unfällen ausgerüstet sein. Der ![]() | 7 |
Aus der Stellung von Art. 3 Abs. 4 VRV im Abschnitt "Allgemeine Fahrregeln" und aus dem Randtitel zu Art. 3 VRV "Bedienung des Fahrzeugs" wird deutlich, dass diese Vorschrift sich an alle Fahrzeugführer richtet, gleichgültig ob sie der Chauffeurverordnung unterstellt seien oder nicht. In Art. 3 Abs. 4 VRV, der die mit Bundesratsbeschluss vom 27. August 1969 über administrative Ausführungsbestimmungen zum Strassenverkehrsgesetz aufgehobenen Abs. 1-3 von Art. 13 ARV ersetzt, fehlt, anders als in jenen aufgehobenen Bestimmungen (vgl. AS 1966 S. 44), bezeichnenderweise jeder Hinweis auf Arbeitgeber, Arbeitnehmer und arbeitsrechtliche Verhältnisse.
| 8 |
b) Der Grund für die Ausrüstung von Taxis mit Fahrtschreibern als Hilfsmittel der Unfallabklärung liegt - anders als bei ![]() | 9 |
Der Umstand, dass ein Taxi auch auf einer Privatfahrt beschädigt werden kann mit der Folge, dass es den erhöhten Sicherheitsanforderungen allenfalls nicht mehr genügt, vermag entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ebenfalls keine Pflicht zum Inbetriebhalten des Fahrtschreibers auf Privatfahrten ![]() | 10 |
11 | |
a) Der Beschwerdegegner ist unbestrittenermassen selbständigerwerbender Fahrzeugführer und übt daneben keine Erwerbstätigkeit als Arbeitnehmer aus. Die Bestimmungen über die Arbeits- und Ruhezeit (Art. 4-9 ARV) sind daher auf ihn nicht anwendbar (Art. 1 Abs. 3 ARV). Hingegen gilt auch für ihn Art. 3 ARV, wonach der "Dienst am Lenkrad" neun Stunden im Tag und 45 Stunden in der Woche nicht überschreiten darf (Abs. 1), und wonach spätestens nach neun Stunden Dienst am Lenkrad, jedenfalls einmal innert 24 Stunden, eine "Lenkruhe" von neun zusammenhängenden Stunden einzuhalten ist (s. BGE 104 IV 264). Als Mittel zur Kontrolle der Einhaltung dieser Vorschriften dienen der Fahrtschreiber, die Arbeits- und Ruhezeitkontrolle und das Arbeitsbuch (Art. 11 ARV). Nach Art. 13 Abs. 4 ARV sind aber selbständigerwerbende Fahrzeugführer nicht gehalten, die "übrige Arbeitszeit" mit dem Fahrtschreiber aufzuzeichnen. Der Beschwerdeführer vertritt die Auffassung, diese Bestimmung betreffe nur die Arbeitszeit des selbständigerwerbenden Fahrzeugführers bei stillstehendem Fahrzeug und sage nichts darüber aus, ob der Fahrtschreiber auf Privatfahrten mit Taxis in Betrieb zu halten sei. Das Obergericht und der Einzelrichter in Strafsachen sowie der Beschwerdegegner ziehen demgegenüber aus Art. 13 Abs. 4 ARV ![]() | 12 |
b) Die "übrige Arbeitszeit" des selbständigerwerbenden Fahrzeugführers wird in der Chauffeurverordnung nicht definiert und weder hinsichtlich der Art noch bezüglich der Dauer der Tätigkeit umschrieben. Fest steht einzig, dass unter die "übrige Arbeitszeit", also abgesehen vom "Dienst am Lenkrad", verschiedene Tätigkeiten fallen. Es fehlen jegliche Anhaltspunkte dafür (und auch der Beschwerdeführer vermag keine zu nennen), dass ein selbständigerwerbender Taxiführer während der übrigen Arbeitszeit sein Fahrzeug nicht verwenden dürfe, z.B. für Fahrten zum Arbeitsort. Die Behauptung des Bundesamtes für Polizeiwesen in seinem Bericht an die Stadtpolizei Zürich, "übrige Arbeitszeit" sei Arbeitszeit, die nicht "Lenkzeit" sei, findet in der Chauffeurverordnung keine Stütze. In Art. 17 Abs. 4 ARV, den das Bundesamt in diesem Zusammenhang anruft, wird die "übrige Arbeitszeit" nicht einer "Lenkzeit", sondern dem "Dienst am Lenkrad", was offensichtlich nicht dasselbe ist, gegenübergestellt. Auch in Art. 15 Abs. 3 und 3 Abs. 3 ARV ist nicht von einer "Lenkzeit", sondern vom "Dienst am Lenkrad" die Rede. Der selbständigerwerbende Taxiführer, der daneben etwa als Kaufmann Geschäfte treibt (was ihm die Chauffeurverordnung nicht verbietet), und dazu sein Taxi als Transportmittel benützt, tut dabei nicht "Dienst am Lenkrad", sondern verrichtet eine unter die "übrige Arbeitszeit" fallende Tätigkeit. Diese Arbeitszeit muss er nach Art. 13 Abs. 4 ARV nicht mit dem Fahrtschreiber aufzeichnen. Zwar können nach Art. 20 Abs. 1 ARV die Kantone oder die von ihnen ermächtigten Gemeinden für Taxiführer in städtischen Verhältnissen anstelle von Art. 4-9 und 15-17 ARV andere Bestimmungen aufstellen und diese auch für selbständigerwerbende Taxiführer anwendbar erklären mit der Folge, dass allfällige kantonale Höchstarbeitszeitvorschriften auch für selbständigerwerbende Taxiführer gelten. Auch in diesem Fall ist der selbständigerwerbende Taxiführer aber nicht zur Aufzeichnung der übrigen Arbeitszeit mit dem Fahrtschreiber verpflichtet, da Art. 13 Abs. 4 ARV in Art. 20 Abs. 1 ARV gerade nicht aufgeführt wird und die Kantone daher keine von Art. 13 Abs. 4 ARV ![]() | 13 |
Der selbständigerwerbende Taxiführer hat demnach entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers auch unter dem Gesichtspunkt der Arbeits- und Ruhezeitkontrolle nicht auf allen Fahrten mit seinem Taxi den Fahrtschreiber in Betrieb zu halten. Wenn er aber schon Fahrten im Rahmen seiner unter die "übrige Arbeitszeit" fallenden Tätigkeiten nicht aufzeichnen muss, so fehlt diese Verpflichtung, wie die Vorinstanz und der Beschwerdegegner zutreffend ausführen, erst recht für Fahrten in der Freizeit und in den Ferien. Der Beschwerdeführer behält denn auch selber den Fall der mehrtägigen Verwendung des Taxis als Privatfahrzeug, z.B. für eine Ferienfahrt, vor. Im Bericht des Bundesamtes für Polizeiwesen an die Stadtpolizei Zürich, auf den der Beschwerdeführer sich beruft, wird dazu ausgeführt, "selbstverständlich wäre es unbillig zu verlangen", dass der Fahrtschreiber auch auf solchen Fahrten in Betrieb gehalten und richtig bedient werden müsste. "In einem solchen Fall wird der Taxiführer der Vollzugsbehörde seine Ferienabwesenheit und seine Ferienrückkehr melden." Abgesehen davon, dass sowohl das Kriterium der "mehrtägigen Verwendung" wie auch die Modalitäten der An- und Abmeldung unbestimmt sind und daher Unsicherheiten schaffen, besteht weder für die zugebilligte Ausnahmeregelung noch insbesondere für die Meldepflicht, die in die verfassungsmässigen Rechte des Taxiführers eingreift, eine gesetzliche Grundlage. Die Zubilligung einer Ausnahmeregelung für die mehrtägige Verwendung eines Taxis als Privatfahrzeug zeigt, wie der Beschwerdegegner zutreffend ausführt, mit aller Deutlichkeit die Schwäche der Argumentation des Beschwerdeführers.
| 14 |
Am Ergebnis, dass der selbständigerwerbende Taxiführer lediglich auf den durch den gewerbsmässigen Personentransport bedingten Fahrten den Fahrtschreiber als Instrument der Arbeits- und Ruhezeitkontrolle in Betrieb halten muss, ändert nichts, dass auch der selbständigerwerbende Taxiführer an jenen Tagen, an welchen er "Dienst am Lenkrad" verrichtet, eine Lenkruhe von neun zusammenhängenden Stunden einhalten muss (Art. 3 Abs. 3 ARV). Aus dieser Verpflichtung bzw. der Notwendigkeit der Kontrolle ihrer Einhaltung folgt keineswegs zwingend die Pflicht zum Inbetriebhalten des Fahrtschreibers ![]() | 15 |
C. war somit weder gestützt auf Art. 3 Abs. 4 VRV noch aufgrund der Chauffeurverordnung verpflichtet, auf den Privatfahrten mit seinem Taxi den Fahrtschreiber in Betrieb zu halten.
| 16 |
Demnach erkennt das Bundesgericht:
| 17 |
18 | |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |