BGE 106 IV 370 | |||
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90. Auszug aus dem Urteil des Kassationshofes vom 5. September 1980 i.S. R. gegen Staatsanwaltschaft des Kantons Graubünden (Nichtigkeitsbeschwerde) | |
Regeste |
Art. 237 StGB. | |
Sachverhalt | |
A.- Als R., der am 23. Juli 1978 von der im Hinterrheintal gelegenen Zapporthütte aus eine Bergtour unternahm, entgegen seinen Erklärungen um 18 Uhr noch nicht zur Hütte zurückgekehrt war, liess die Kantonspolizei eine Suchaktion starten, bei welcher auch ein Helikopter zum Einsatz kam. Ca. um 19.30 Uhr wurde der Vermisste vom Polizisten X. bei Hinterrhein betroffen, über die Suchaktion orientiert und aufgefordert, deswegen mit auf den Polizeiposten zu kommen. R. stieg statt dessen in seinen Wagen und fuhr davon. Hierauf wies X. seinen Kollegen S. an, den in Richtung Chur fahrenden R. aufzuhalten. Der Polizist S. begab sich unverzüglich bei der Tambobrücke auf die N. 13. Als er das betreffende, sich ihm nähernde Fahrzeug gewahrte, stellte er sich auf die Fahrbahn und gab - ausgerüstet mit dem weissen Lederzeug und den rot-weissen Armstulpen - durch Hochhalten der rechten Hand das Haltezeichen. Obwohl R. das Haltezeichen bemerkte, fuhr er mit unverminderter Geschwindigkeit auf den Polizisten zu, so dass dieser auf die Seite springen musste, um nicht angefahren zu werden.
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Erwägungen: | |
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a) Verbindlich ist festgestellt, dass R. den in seiner Fahrbahn stehenden Polizisten erblickte, dessen Haltezeichen erkannte und trotzdem in unverminderter Geschwindigkeit auf ihn zufuhr. Mit dieser Verhaltensweise ist der Tatbestand des Art. 237 Ziff. 1 StGB erfüllt. Denn diese Bestimmung schützt Leib und Leben von Menschen, die sich im öffentlichen Verkehr befinden (BGE 100 IV 55). Am öffentlichen Verkehr nimmt ebenfalls ein Polizeimann teil, der auf der Strasse seinen Dienst versieht (BGE 81 IV 124). Indem der Beschwerdeführer entgegen dem Haltezeichen in unverminderter Geschwindigkeit auf den Polizisten losfuhr, bestand für diesen ohne Zweifel auch die nahe und ernstliche Wahrscheinlichkeit, überfahren zu werden. Der Polizist S. vermochte sich den Feststellungen der Vorinstanz zufolge dieser Gefahr nämlich nur dadurch zu entziehen, dass er beiseite sprang. Somit hat R. den öffentlichen Verkehr gefährdet (vgl. BGE 85 IV 137 f.).
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b) Daran vermag auch sein Einwand, von einer wissentlichen und willentlichen Gefährdung des Polizisten S. könne im vorliegenden Fall keine Rede sein, nichts zu ändern. Die Vorinstanz hat - als tatsächliche Feststellung - den Gefährdungsvorsatz bejaht, und zwar zu Recht: R. sah den Polizisten in seiner Fahrbahn stehen und er verstand dessen Haltezeichen. Daher hat er die durch seine Tat herbeigeführte Gefahr gekannt, und weil er trotzdem weiterfuhr, sie auch gewollt (BGE 100 IV 218).
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Ebenfalls unbehelflich ist schliesslich das Argument, die Vorinstanz habe das für die Anwendung des Art. 237 Ziff. 1 StGB notwendige Erfordernis der Rücksichtslosigkeit des Fahrzeugführers nicht festgestellt. Ob die Rücksichtslosigkeit nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts tatsächlich zu den Tatbestandsmerkmalen des Art. 237 Ziff. 1 StGB gehört, wie der Beschwerdeführer unter Berufung auf BGE 76 IV 274 behauptet, kann dahingestellt bleiben. Sicher ist, dass die Vorinstanz den Beschwerdeführer, wenn auch nicht ausdrücklich, so doch durch die Schilderung des Sachverhalts und durch den Hinweis auf sein schweres Verschulden und seine Einsichtslosigkeit einer rücksichtslosen Verhaltensweise bezichtigte, und dies mit Grund. Offensichtlich war R., wie sich aus seiner Darstellung der Vorgänge in den beiden Beschwerdeschriften ergibt, über die polizeiliche Anhaltung und die Wartezeit schwer verärgert und fühlte sich schikaniert. Dazu kam, dass er nach langer Bergtour nach Hause gelangen wollte und wohl auch von der Aussicht auf die Rechnung der Rettungsaktion wenig erbaut war. Dass er sich aber deswegen verleiten liess, einen Polizeibeamten willentlich zu gefährden, trägt gerade dem Beschwerdeführer als Arzt zu Recht den Vorwurf erheblicher Rücksichtslosigkeit ein.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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